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Magazin für Theologie und Ästhetik


Gibt es christliche Cola?

Reflexionen zur christlichen Suchmaschine crossbot.de

Ralf Peter Reimann

Als Jugendlicher diskutierte ich mit Freunden oft über Politik, besonders kritisierten wir das "C" im Namen einer großen Volkspartei. Ein beliebtes Argument unter uns gegen das "C" lautete: Eine christliche Partei gibt es ebenso wenig wie christliche Coca-Cola. Vielmehr gibt es Christen (und Christinnen - vor zwanzig Jahren hatte sich die inklusive Sprache noch nicht in der gymnasialen Oberstufe verbreitet) in Parteien. Keine Partei als solche ist christlich.

Im Theologie-Studium kam dann noch Luther dazu. Seine viel zitierte Aussage, dass die Magd im Kuhstall ein genauso gottgefälliges Werk verrichtet wie der predigende Pfarrer, bedeutet, dass man die Welt nicht in christlich und unchristlich unterscheiden kann. Genauso wenig, wie es theologisch begründet christliche Cola gibt, so gibt es weder eine christliche Partei noch eine christliche Suchmaschine für das WWW. Soweit die Theologie, doch in der Politik spielen die C-Parteien eine große Rolle und im WWW gibt es wieder eine christliche Suchmaschine.[1] Auch wenn es theologisch unsauber formuliert ist und man theologisch vielleicht treffenden Crossbot als "Spezialsuchmaschine für Kirche und Theologie sowie deren Randgebiete" benennen müsste , so mag es dennoch im Zuge der Öffentlichkeitsarbeit sinnvoll sein, Crossbot als "christliche Qualitätssuchmaschine" zu promoten.[2]

Kann es eine christliche Suchmaschine geben? Diese Frage will ich nicht mit theologischen Überlegungen beantworten, sondern mit einem Beispiel. Ist crossboten - hierfür gibt es noch kein eingebürgertes Verb - die christliche Variante des Googlens? Lassen Sie uns dies mit Hilfe eines allseits bekannten Erfrischungsgetränkes durchkonjugieren:

Die Google-Anfrage nach "Cola" findet unter den ersten vier Treffen die Homepages der Coco Cola Company in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie die deutsche Homepage von Afri-Cola.[3] Soweit so, so gut, die Homepage des Markenführers für koffeinhaltige Ergebnisse sollte man unter den ersten Treffern erwarten dürfen, Google findet außerdem noch ungefähr 219.000 weitere Seiten zum Thema "Cola" im deutschsprachigen WWW.

Wie sieht es nun mit der christlichen Cola aus? Fragen wir Crossbot! Der erste Treffer ist leider nur eine Webstatistik, der zweite Treffer liefert einen Agentur-Artikel auf der Website einer katholischen Schule über die ökotrophologischen Risiken von Cola bei Teenagern. Wir lesen: "Cola macht Knochen brüchig. Cola ist cool, Milch ist bäh - immer mehr Teenager huldigen diesem Modetrend. Mit verheerenden Folgen: ... [Denn es] steigt mit der Menge der täglich konsumierten Cola-Getränke und anderer Limonaden das Risiko von Knochenbrüchen steil an."[4] Sehen wir uns den dritten Treffer an: Er ist der Erfahrungsbericht einer Jugendlichen über Verzicht auf Cola im Rahmen der Fasten-Aktion "Sieben Wochen ohne."[5] Unter den auf der ersten Ergebnisseite von Crossbot angezeigten Ergebnissen finden sich leider weitere Webstatistiken, einige spanisch-sprachige Seiten, da "cola" auf Spanisch "Schlange" bedeutet, und eine juristische Seite zur Markenrechtsproblematik von "Cola" und ein Treffer auf den Seiten des Bistums Hildesheim, der über einen Streik lateinamerikanischer Arbeiter in einer Coca-Cola-Fabrik berichtet. Ich habe willkürlich weiter geblättert und auf die Trefferseite 13 geklickt. Ich fand dort einen Vortrag des EKD-Ratsvorsitzenden Manfred Kock über die Zukunft der Evangelischen Kirche,[6] indem er den Kölner Dom mit dem Cinedom in Köln als "Kultstätte für allabendlich zelebrierte, gleichzeitige, aber nicht gemeinsam zelebrierte Kino-Religion mit einer säkularen 'Eucharistie' aus Popcorn und Cola" vergleicht.

Der erste Eindruck: Crossbot ist kritischer gegenüber der Coca-Cola Company als Google, christliche gesuchte Cola schmeckt Globalisierungsgegnern, während die gegooglte Cola Markenrechte favorisiert. Scherz beiseite, der Vortrag des EKD-Ratsvorsitzenden ließ sich über eine gezielte Google-Suche finden, der Sieben-Wochen-Ohne-Treffer war in der Google-Datenbank nicht vorhanden.[7] Crossbot hat gegenüber einer nicht-spezialisierten Suchmaschine wie Google ein anderes Profil und findet andere Treffer, die Google im Deep Web belässt.[8] Schon deshalb ist Crossbot zu begrüßen. Um es nochmals deutlich zu sagen, wer "Abendmahl" bei Crossbot als Suchbegriff eingibt, erwartet Treffer zur Eucharistie, während diese Anfrage bei Google auch andere Treffer erhoffen lässt und die Suche verfeinert werden sollte, damit sie Treffer zur Eucharistie als Ergebnis liefert.[9]

Der zweite Eindruck: Crossbot findet noch zuviel bzw. benötigt noch etwas Fine-Tuning bezüglich der Relevanz der gefundenen Ergebnisse, Webstatistiken gehören allenfalls auf die allerletzte Seite, juristische Übungsaufgaben gehören nicht in eine "christliche Suchmaschine". Die Kritik von Jörg Mertin[10] muss ins Gegenteil verkehrt werden, Crossbot hat noch zu viele Inhalte, die nicht "christlich" sind, d.h. nicht die angebliche zu enge Filterung ist das Problem von Crossbot, sondern eher nicht genügend gefilterte Ergebnisse. Jörg Mertin schließt seine Kritik an Crossbot mit folgendem Fazit: "Wer (evangelisch-) kirchlich geprüfte Informationen haben will, mag crossbot nutzen. Wer mehr wissen will, muss im Internet schwimmen." Hier wird der mündige Surfer, der Google (oder auch andere Suchmaschinen) nutzt und in der Weite des Internet schwimmt, gegen den kirchentreuen Protestanten ausgespielt, der nur EKD-zertifizierte Internet-Seiten absurfen will. Dieser Gegensatz ist allerdings konstruiert, der mündige Surfer nutzt für verschiedene Belange verschiedene Suchmaschinen, da er oder sie weiß, mit welcher Strategie die besten Ergebnisse erzielt werden. Warum nicht ein neues Webangebot, welches das Deep Web verkleinert, einfach begrüßen?

Die positive Konnotation der Weite des Netzes gegenüber der Enge der institutionellen Kirche ist zu hinterfragen. Die Realität des Netzes sieht anders aus. Um es klar zu sagen, die theologischen Fragen und Bewertungen von Jörg Mertin sind wichtig, ich kann ihm theologisch in Vielem zustimmen.[11] Die Realität des Netzes sieht jedoch meines Ermessens anders aus. Was theologisch wünschenswert wäre, lässt sich im von wirtschaftlichen Interessen dominierten Web nicht durchsetzen. Die in den Anfangstagen des WWW tatsächlich gegebene Weite und Freiheit des Netzes ist durch die Kommerzialisierung des Webs massiv bedroht.[12] Wirtschaftliche Interessen bestimmen größte Bereiche des Web. Exemplarisch wird dies an Suchdiensten deutlich, die für die meisten User den Informationszugang strukturieren. Das deutschsprachige Web wird von zwei Suchmaschinen-Betreibern (Google, Yahoo/Overture) dominiert. Die drei größten Internetzugangsprovider (T-Online, AOL, Freenet), der Browser-Hersteller Netscape, das Microsoft-Portal MSN.de, der bundesdeutsche größte Freemail-Betreiber Web.de, die Online-Ausgaben von Focus und Stern, sie alle greifen auf die beiden Suchdienste Google und Yahoo bzw. Overture zurück.[13] Mit anderen Worten: Zwei Mediendienstleister haben eine monopolartige Position inne, sie strukturieren und filtern die Ergebnisse, sie bestimmen, was der durchschnittliche User findet oder was im Deep Web verborgen bleibt. Das Bedenkliche daran ist, diese Konzentration ist nicht transparent. Da Suchmaschinenbetreiber auch Geld verdienen wollen und auch müssen, verkaufen sie ihre Ergebnisse, die in der Fachsprache auch "sponsored links" genannt werden. Wenn ein Treffer als "sponsored link" markiert ist, weiß der User, dass Geld an den Suchmaschinenbetreiber geflossen ist, damit dieser Treffer weit oben angezeigt wird. Geld und nicht mehr Qualität dominiert das Such-Geschäft. Äußerst problematisch wird es allerdings, wenn nur noch Seiten von zahlenden Anbietern gefunden werden, ohne dass der User dies weiß. Wer sich über Freenet ins Internet einwählt, bekommt automatisch die Startseite dieses Providers. Wer dann dort schnell einen Suchbegriff eintippt, weiß nicht, dass dieser Betreiber nur bezahlte Treffer liefert.[14] Filterung findet statt, ohne dass der User dies überhaupt wahrnimmt.

Es bleibt zu fragen, ob nicht kommerzielle Interessen hier in Grundrechte eingreifen, denn es ist äußerst problematisch, wenn das grundgesetzlich verbriefte Recht, sich aus "allgemein zugänglichen Quellen" ungehindert zu informieren durch wirtschaftliche Interessen von Monopolisten de facto eingeengt wird, wenn nicht zahlende Sites nicht gelistet werden oder in der Fülle bezahlter Ergebnisse als primäre Ergebnisausgabe untergehen.[15] Vor diesem Hintergrund ist jede neue Suchmaschine, die nicht primär wirtschaftliche Interessen verfolgt, zu begrüßen.

Man mag Crossbot gegenüber kritisch eingestellt sein. Doch welchen anderen Weg hätte man kirchlicherseits gehen sollen? Suchdienste bezahlen, damit christliche Inhalte vorkommen? Ein Auftrag von Kirche ist es, christlichen Content im WWW verfügbar zu machen. Was wäre eine wirtschaftlich gangbare Alternative? Adwords bei Google zu kaufen? Wenn Crossbot hält, was es verspricht, dann wird es in Metasuchmaschinen aufgenommen, so dass Crossbot-Inhalte dann zum verfügbaren Pool an Informationen im WWW ihren Beitrag leisten. Wer z.B. Copernic[16] benutzt, sieht, dass es für viele Bereiche Spezialsuchmaschinen gibt. Crossbot als Suchmaschine für das "christliche" Web ist daher eine sinnvolle Ergänzung zu den bereits verfügbaren Suchmaschinen. Mit Crossbot zieht sich die Kirche nicht ins virtuelle Ghetto zurück, sondern leistet einen Beitrag, dass christlicher Content von allen Usern aufgefunden werden kann.

Im Gegensatz zu den verbreiteten allgemeinen Suchdiensten á la Google ist bei Crossbot klar ersichtlich, nach welchen Grundsätzen die Informationen einsortiert werden,[17] die EKD als Initiator wird in der Fußzeile auf jeder Seite klar benannt. Die Spielregeln sind transparent, der mündige Surfer mag entscheiden, was er wo sucht. Bei der Aufnahme in Crossbot geht es nicht um Orthodoxie oder Häresie, sondern um Qualitätssicherung. Die ACK-Klausel ist ein formales Kriterium, wer ein besseres weiß, mag dies gerne benennen. Wenn man Informationen zum christlichen Glauben sucht oder sich über christliche Kirchen informieren will, für den ist Crossbot zurzeit die beste Adresse. Wer den Crossbot-Katalog mit den anderen, allgemeineren Katalogen vergleicht, merkt den Unterschied. Damit dies so bleibt, ist Qualitätssicherung wichtig.

In der Praxis wird sich zeigen, ob Crossbot einhält, was es verspricht. Auch wenn es keine christliche Cola gibt, eine "christliche" Suchmaschine ist von Nöten!

Anmerkungen
  1. Crossbot versteht sich als Nachfolger von Christweb, das leider Ende der 90er Jahre offline ging, vgl. http://www.crossbot.de/intern/dank.
  2. Vergleiche zu diesem Claim: Patalong, Frank (2003), "Crossbot. Evangelisch suchen," SPIEGEL ONLINE. [http://www.spiegel.de/netzwelt/technologie/0,1518,263325,00.html]
  3. Anfrage am 7.10.2003, eingeschränkt auf das deutschsprachige Web, http://www.google.de/search?q=cola&hl=de&btnG=Google+Suche&meta=lr%3Dlang_de findet www.coca-cola.de www.coco-cola.at, www.coco-cola.ch und www.afri-cola.de.
  4. http://www.kssa.de/page31.html, aufgerufen am 7.10.2003, www.kssa.de ist die Homepage der Katholischen Grundschule St. Alfons, staatlich anerkannte Grundschule
  5. http://www.gep.de/7wochenohne/Realschule_Enger/Katrin.html
  6. "Gedanken über die Zukunft der Evangelischen Kirche", Vortrag von Manfred Kock am 30. April 1999, Universität Marburg, siehe: http://www.ekd.de/vortraege/154_kock2.html.
  7. http://www.google.de/search?as_q=cola&as_sitesearch=www.gep.de findet den Crossbot-Treffer nicht, während die Einschränkung der Google-Suche auf die Site www.ekd.de den erwähnten Vortrag von Kock auch findet.
  8. Schüler, Peter (2002), "Aus den Tiefen des Web. Finden, was den Suchmaschinen durchs Netz geht," c't, (9), 174-179.
  9. Vgl. http://www.crossbot.de/intern/was_ist_crossbot/#wofuer.
  10. Mertin, Jörg (2003), "Sonderbare Welten. Anmerkungen zur "christlichen Qualitätssuchmaschine" crossbot," Magazin für Theologie und Ästhetik, 25(06.10.2003). [https://www.theomag.de/25/jm2.htm]
  11. Vgl. dazu auch Reimann, Ralf Peter (2003), "Die Cyber Church zwischen Tradition und Postmoderne," Magazin für Theologie und Ästhetik, 23. [https://www.theomag.de/23/rpr1.htm]
  12. Vgl. Kunze, Michael (1995), "Das Netz, der Müll und der Tod," c't, (9). [www.heise.de/ct/95/09/144/default.shtml]
  13. Karzaunikat, Stefan (2003), "Suchgigant Yahoo. Konzentration im Suchmaschinenmarkt," c't, 2003(16), 45-45., die obige Auflistung ist nur eine Auswahl, aber nicht vollständig.
  14. Karzaunikat, Stefan (2003), "Suchgigant Yahoo. Konzentration im Suchmaschinenmarkt," c't, 2003(16), 45-45.
  15. Reimann, Ralf Peter (2002), "Virtuelle Kirche zwischen Tradition und Moderne: Bestandsaufnahme und Handlungsfelder," Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, 47(3), 555-574. S. 572, Am. 51.
  16. www.copernic.com
  17. http://www.crossbot.de/intern/was_ist_crossbot/#zensur

© Ralf Peter Reimann 2003
Magazin für Theologie und Ästhetik 26/2003
https://www.theomag.de/26/rpr2.htm