Wieder sind aus dem Angebot der digitalen Bibliothek für diese Ausgabe des Magazins für Theologie und Ästhetik mehrere silberne Scheiben anzuzeigen, die einen Blick und auch die Anschaffung lohnen. Zunehmend erweist sich die Digitale Bibliothek als veritables Projekt ästhetischer Bildung. Jedenfalls sind die vier neuen Scheiben aus der Reihe "Kunst für Kenner" und die CD über Japanische Kunst allemal eine Empfehlung wert.
Stillleben in der Malerei und Photographie
Stillleben gehören sich zu den faszinierendsten wie rätselhaftesten Motiven in der Malerei, lässt einen ihre Verbindung mit der Allegorik doch immer fragen, ob das, was man sieht, auch das ist, was gemeint ist - und ob man jeden Verweis, der intendiert ist, schon erfasst hat. Die CD-ROM zeigt über 500 Abbildungen aus der Geschichte der Stillleben und schließt dabei dankenswerterweise auch noch die Photographie des 19. Jahrhunderts mit ein. Ein einführender Text von Tobias Kunz macht mit der Thematik vertraut und stellt auch einige der versammelten Bilder vor. Einziges Manko: An sich hätte bei dieser Thematik jedes Bild einer näheren Erläuterung bedurft, denn so rätselt der Betrachter vermutlich viel zu oft über Kontexte und Referenzen des jeweiligen Bildes. Dennoch ist es ein Genuss, durch die Sammlung zu blättern.
Landschaftsmalerei
Die Verdrängung der religiösen Malerei durch die Reformation und die Entdeckung und Vermessung der Welt im 16. Jahrhundert sind die Entstehungsbedingen für das Feld der Landschaftsmalerei, das diese CD-ROM der Digitalen Bibliothek abmisst. Die CD-ROM zeigt über 1350 Gemälde aus der Geschichte der Landschaftsmalerei vom ausgehenden Mittelalter bis zum Impressionismus. Ein einführender Text von Tobias Kunz macht mit der Thematik vertraut und stellt auch einige der versammelten Bilder vor. Die Werke beginnen mit Duccio di Buoninsegnas "Christus erscheint Magdalena" (1308-1311) und enden mit einer wunderschönen Abbildungsserie von Landschaften von Egon Schiele. Natürlich kommen die zentralen Werke Caspar David Friedrichs nicht zu kurz, aber es finden sich auch die schönen Werke Lorenzettis und Martinis aus dem Palazzo Pubblico in Siena. Nur bei einem Tondo "Besuch in der Wochenstube" von Masaccio habe ich mich gefragt, was dieses Bild in einer Auswahl von Landschaftsdarstellungen zu suchen hat. Trotzdem: sehr empfehlenswert, wenn auch hier mehr Informationen zum einzelnen Bild wünschenswert wären.
Porträtmalerei
Die Porträtmalerei beginnt in grauen Vorzeiten mit den Darstellungen ägyptischer Könige im 3. Jahrtausend vor Christus. Und die Mumienporträts aus Faijum haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die spätere Ikonenmalerei gehabt. Die vorliegende CD-ROM der Digitalen Bibliothek geht nicht so weit zurück, sondern beschränkt sich bei ihrer Auswahl von 1500 Gemälden aus der Geschichte der Porträtmalerei auf die Zeit vom späten Mittelalter bis zum Impressionismus. Ein einführender Text von Tobias Kunz macht mit der Thematik vertraut und stellt auch einige der versammelten Bilder vor. Nicht immer ist intuitiv einsichtig, warum ein Bild in dieser Zusammenstellung gezeigt wird. Ist Corregios "Leda mit dem Schwan" ein Porträtbild? Ich weiß es momentan nicht und muss mich daher auf die Herausgeber der CD-ROM verlassen. Wenn es aber ein Porträt ist, hätte ich natürlich gerne gewusst, wen es darstellt. Vermisst habe ich die Lutherbilder Cranachs, die zwar in der empfohlenen Literatur, nicht aber in der Zusammenstellung auftauchen. Da sie mit zu den berühmtesten Porträts der Kunstgeschichte gehören, hätten sie nicht fehlen dürfen. Dagegen finden sich gleich sechs Darstellungen Napoleons, der auch das Titelbild der CD-ROM ziert.
Lexikon der graphischen Künste
Eine Übernahme aus dem Rowohlt-Verlag ist das Lexikon der graphischen Künste von Markus Stegmann und Rene Zey. Es hilft mit 700 Artikeln zuverlässig bei der Orientierung im Dschungel der Techniken und Graphiksorten, gibt einen Überblick über die Entwicklung dieses Genres und informiert darüber hinaus ganz allgemein über Kunstentwicklungen und Stile. Wer also wissen möchte, wie eine Radierung entsteht, was eine Lithographie auszeichnet und was eine Gouache ist, findet hier schnell Antworten. Allerdings sind einige der Abbildungen unerklärlicherweise nicht von ausreichender Qualität, etwa Joseph Kosuths "Einer und drei Stühle". Zum schnellen Nachschlagen ist die CD-ROM gut zu gebrauchen.
Ukiyo-e - Bilder der fließenden Welt - Japanische Kunst der Edo-Zeit
Wohl niemand kann sich der Faszination japanischer Kunst entziehen. "Die japanische Kultur hat über Jahrhunderte hinweg Kunstwerke von Weltrang hervorgebracht. Im Fokus der hier vorliegenden Sammlung steht die Vielfalt der Kunst während der Edo-Zeit (1615-1868). Sie war die Periode der politischen Isolation Japans von der Außenwelt, der strengen Reglementierung von Sozialbeziehungen, gleichzeitig aber auch des Wirtschaftswachstums, der Entwicklung von Städten, des Erscheinens der reich gewordenen Kaufleute und der städtischen Handwerker auf dem Schauplatz der Geschichte. Im Übergang zur japanischen Neuzeit entstand dabei eine überaus reichhaltige Kunst, die in ihrer flächigen und konturstarken Ausführung die moderne japanische Zeichenkunst begründet hat. Die Kunst der Edo-Zeit wirkte in Europa stilbildend auf die Künstler des Impressionismus und vor allem des Jugendstils." Die CD-ROM zeigt etwa 1650 Werke der japanischen Kunst mit knappen Informationen zu den Künstlern und ihren Werken. Die Thematik erstreckt sich über nahezu alle Lebensbereich, die Stilistik ist faszinierend reich - vom Realismus bis zur Abstraktion.
© Andreas Mertin 2004
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Magazin für Theologie und Ästhetik 29/2004 https://www.theomag.de/29/am114.htm
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