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Magazin für Theologie und Ästhetik


Im Labyrinth XIX

Erscheinungen im Cyberspace

Andreas Mertin

Wenige Filme haben die Filmgeschichte so sehr beeinflusst, wie Stanley Kubricks (1928-1999) Meisterwerk "2001: Odyssee im Weltraum" aus dem Jahr 1968. Bis in die populäre Kultur der Gegenwart, aber auch in der Hochkultur finden sich immer wieder Anspielungen auf Elemente des Films, etwa den hochgeworfenen, sich um sich selbst drehenden Knochen, der dann zur Weltraumstation wird und im längsten Cut der Filmgeschichte Millionen Jahre menschlicher Evolution umfasst. Oder der Computer HAL, der den Menschen in seiner Rolle als evolutionärer Motor ablösen will und so in einen tödlichen Konflikt mit ihm gerät.

Der Logik und der Botschaft des Films geht nun eine Website nach, die mit Hilfe von einigen Flash-Filmen die "Odyssee im Weltraum" rekonstruiert und auf ihre Botschaften hin untersucht. Das ist alles sehr aufwändig und spannend gemacht, so dass die Seite jedem Filmfan empfohlen werden kann. Man wünschte sich vielleicht sogar einen Pool ähnlicher Re-Konstruktionen für eine Reihe weiterer Filme.

Unter der Adresse http://www.kubrick2001.com kann der Nutzer sich einloggen und wird unter Beobachtung von HAL von einer menschlichen Repräsentantin zunächst nach der gewünschten Sprache gefragt. Nach der Wahl der Sprache geht es dann zum ersten Teil der Rekonstruktion der Botschaft des Films, die eine Art Flash-Paraphrase ist.

Man sieht in diesem ersten Teil einen Sonnenaufgang unter einem fremden Himmel und dann die Reise einer "übernatürlichen Kraft" zur Erde, wo sie inmitten einer Gruppe von Affen einen Monolithen aufstellt. Schon dass ist bemerkenswert, denn der Film selbst zeigt uns ja nur die Affen und deren Konfrontation mit dem Monolithen. Die Re-Konstruktion des Flash-Films ergibt sich erst aus der Wahrnehmung und Deutung des gesamten Kinofilms.

Der zweite Teil zeigt dann die Evolution des Werkzeuge gebrauchenden Affen zum Menschen. Es ist weniger der Monolith selbst - der eher als Beobachtungsposten der "übernatürlichen Kraft" gedeutet wird, als vielmehr der Werkzeuggebrauch, der die Evolution vorantreibt. Mit dem Schritt des Menschen über den Horizont der Erde hinaus, verkehren sich dann aber die Verhältnisse. Im Weltraum ist der Mensch ist nicht länger Herr des Geschehens: Hier ist er nur noch ein Kind, das die elementaren Formen der Bewegung und des Überlebens neu erlernen muss.

Der dritte Teil führt dann den berühmten Computer "HAL" ein, das Gehirn und zentrale Nervensystem des Raumschiffs im Rahmen des "Unternehmens Jupiter". HAL lässt für den Betrachter zunächst die Frage entstehen: wozu ist der Mensch überhaupt nützlich, wenn die Maschine doch alles kann und der Mensch im All immer hilfloser wird? Und wie geht der Mensch mit seinem emanzipierten Werkzeug um?

Im vierten Teil geht es dann um die Zukunft des Menschen und die sich aus dem bisherigen Ablauf ergebenden Fragen. Welche Relation haben Körper und Geist, Form und Inhalt? Welche Bedeutung hat der Tod für den Menschen? Hier zeigt die Interpretation bzw. der Film deutlich gnostische Züge. Aber es geht ja darum, der Logik des Films "2001 - Odyssee im Weltraum" nachzuspüren. Und so schwebt am Ende der "Neue Mensch" völlig schwerelos als Sternenkind durchs Weltall. All das ist mit viel Sympathie und Ironie inszeniert. Eine empfehlenswerte Seite.


© Andreas Mertin 2004
Magazin für Theologie und Ästhetik 29/2004
https://www.theomag.de/29/am116.htm

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