Vorbemerkung
Wer die Weltliteratur nach Begriffen wie "Sterben" oder "Tod" durchsucht, wird reichlich fündig. Die Vorstellungen davon, was die Ästhetik des Sterbens charakterisiert, gehen weit auseinander. Eine kleine fragmentarische Auswahl an Texten ist im Folgenden zusammengestellt.
[Nähere Informationen zu den Schriftstellern findet man durch den Link in der Überschrift, der bei den Autorennamen jeweils zur Enzyklopädie Wikipedia führt und (sofern vorhanden) bei den Werktiteln zum Gutenbergprojekt. Für die grundsätzliche Recherche empfehlen wir darüber hinaus die Bibliothek der Weltliteratur der Digitalen Bibliothek].
Ja, rühmlich sterben ist den Menschen süßer Trost.
Ein Tor ist, wer den Tod begehrt!
Ein elend Dasein besser als ein schöner Tod!
Sieh, ich bin zu sterben willens; aber dieses eben soll
Schön und rühmlich, mit Verbannung niedrer Sinnesart, geschehn.
Mein Bruder aber erwiderte: er wünschte, dass sie nicht in der Fremde, dass sie im Vaterland sterbe, es wäre ihr Sterben dort wohl glücklicher.
Petrarca (1304-1374): Canzoniere
In ihres Blüthenalters schönstem Weben,
Wann Amor meiste Kraft zu haben pfleget,
Als sie die Erdenrinde abgeleget,
Schied Laura, die mir Leben hat gegeben,
Sich schön, lebendig himmelwärts zu heben,
Von wo sie herrschend, waltend mich beweget.
Warum ach! meine Rinde nicht zerschläget
Der letzte Tag, erster zu zweytem Leben?
Daß, wie bey ihr stets die Gedanken waren,
So auch die Seele freudig und behände
Ihr folge, solche Noth mir zu ersparen.
Bey längerm Aufschub kann ich schlimm nur fahren,
Werde mir selbst zur schwersten Last am Ende; -
Wie schön war Sterben heute vor drey Jahren!
Brant (1457-1521): Das Narrenschiff
Sich des Todes nicht versehen.
All die wir leben hier auf Erden,
Geliebte Freund', betrogen werden,
Weil wir nicht vorzusehn gewohnt
Den Tod, der unser doch nicht schont.
Wir wissen, und es ist uns Kunde,
Dass uns gesetzet ist die Stunde,
Und wissen nicht wo, wann und wie?
Doch ließ der Tod noch keinen hie.
Wir sterben all und fließen hinnen
Wie Wasser, die zur Erde rinnen;
Darum sind wir gar große Narren,
Dass wir nicht denken in viel Jahren,
Die uns Gott deshalb leben lässt,
Dass wir uns rüsten auf das Best'
Zum Tod und lernen, dass wir hinnen
Einst müssen ohne zu entrinnen.
Der Wein ist schon getrunken drauf,
Wir können nicht abstehn vom Kauf;
Die erste Stund' die letzte brachte,
Und wer den Ersten ehmals machte,
Der wusst' auch, wie der Letzt' würd' sterben.
Ariosto (1474-1537): Der rasende Roland
Ist es nicht besser, in den Tod zu gehen,
Da wo man rühmlich stirbt, im Kriegesfeld?
Montaigne (1533-1592): Essays
Alcibiades beim Plato will lieber jung, schön, reich, edel, gelehrt und im höchsten Grade der Vollkommenheit sterben, als auf halbem Wege am Leben bleiben. Diese Krankheit ist vielleicht bei einer so starken, erhabenen Seele zu verzeihen.
Wenn Gott will, ich solle sterben,
wenn der Tod hier meiner harret:
Wohl, so will ich jetzt ihm stehn,
Aug in Aug ihn fest erwartend.
Corneille (1606-1684): Der Cid
Der Tapfern Hand
mög' nun in Afrikanerblut sich baden!
Zieh an der Spitze dieser edlen Schar,
die dich zum Führer wählt, wohin die Ehre
dich ruft; wehr unsre alten Feinde ab,
und stirbt solch schönen Todes, willst du sterben!
Corneille (1606-1684): Der Cid
Kein traurig Los ist's, für sein Land zu sterben,
Unsterblichkeit erwirkt solch schöner Tod.
Fielding (1707-1754): Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings
»Ich wünschte, Sie wollten die Güte haben und mir das einmal destruieren und konstruieren; denn der Horaz, das ist ein recht schwerer Autor, und ich kann's Ihnen nicht so geschwind nachexplizieren, als Sie's mir vorsagen.« - »So will ich Ihm lieber eine Uebersetzung der Stelle vorsagen, das wird ebensogut sein.
Süß ist's und schön ist's, sterben für's Vaterland,
Der Tod verschont ja selber den Flücht'gen nicht,
Verschont nicht der wehrlosen Jugend
Zitterndes Knie und gewandten Rücken.«
»Ja, das ist gewiss genug;« rief Rebhuhn. »Wahr genug, Mors omnibus communis. Aber, es ist doch ein großer Unterschied, ob man nach langen Jahren erst in seinem Bette stirbt wie ein frommer Christ, und da alle unsre Freunde umherstehen und klagen und weinen; oder ob man heute totgeschossen wird oder morgen wie ein toller Hund, oder wohl gar mit 'nem Pallasch oder Säbel in zwanzig Krautstücke gehackt wird; und das noch dazu, eh' man Zeit gehabt hat, für alle seine Sünden Buße zu thun. Ach lieber Gott, sei uns armen Sündern gnädig!
Doch immer besser ist ein schöner Tod, Hyperion!
denn solch ein schläfrig Leben, wie das unsre nun ist.
Zu sterben ist so schwer nicht, alter Mann.
Keats (1795-1821): Gedichte
Im Dunkel lausche ich; und wie Verlangen
Mich oft schon faßte nach dem stillen Grab,
Wie ich dem Tod, mich herzlich zu umfangen,
Schon oft in Liedern liebe Namen gab,
So scheint mir Sterben jetzt besonders schön.
Ach, schmerzlos mich zu lösen in die Nacht,
Indeß dein Sang in heiligen Ekstasen
Beschüttet Tal und Höhn
Und doch mein Herz nicht höher schlagen macht,
Das nur als Duft noch schwingt im blumigen Rasen.
Balzac (1799-1850): Vater Goriot
Ist es nicht entsetzlich, nachschauen zu gehen,
ob diese Frau ihren Schmerz zu verbergen,
ob sie gut zu sterben weiß?
Balzac (1799-1850): Glanz und Elend der Kurtisanen
Diese schönen Genies werden so selten verstanden, dass sie sich in trügerischen Hoffnungen verschwenden; sie verzehren sich auf der Suche nach ihren idealen Geliebten, sie sterben fast immer wie schöne Insekten, die für Liebesfeste von der poetischsten aller Naturen nach Lust geschmückt werden und die der Fuß eines Vorübergehenden zermalmt; aber eine neue Gefahr: wenn sie die Form finden, die ihrem Geist entspricht, und oft ist es dann eine Bäckerin, so machen sie es wie Raffael, wie das schöne Insekt, sie sterben bei der Fornarina.
Ach, ich muss sterben, scheiden von dem warmen Sonnenschein,
vom frischen Grün, von all' der Herrlichkeit, die Gott geschaffen!«
Brontë (1816-1855): Jane Eyre
»Ich rate Ihnen nur, sündenlos zu leben,
und ich wünsche Ihnen ruhig zu sterben.«
Bjørnson (1832-1910): Über die Kraft
Die Religion ist nicht mehr der Menschen einziges Ideal. Soll sie ihr höchstes sein, so bewahrheitet es. Sie können leben und sterben für das, was sie lieben, - für Vaterland, Familie, Überzeugung. Und da dies das Höchste ist, das es innerhalb der Grenzen des Natürlichen geben kann, und da du ihnen etwas noch Höheres zeigen sollst, - nun wohl, so musst du hinaus über diese Grenzen! Zeig' ihnen das Wunder!
Jacobsen (1847-1885): Niels Lyhne
Hjerrild erhob sich: »Lebe wohl, Lyhne,« sagte er, »es ist doch ein schöner Tod, für das arme Vaterland sterben zu können.«
Strindberg (1849-1912): Inferno
»Du machst dich krank, du wirst dir die Schwindsucht holen, du wirst dich töten!«
»O schöner Tod!«
© Andreas Mertin 2004
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Magazin für Theologie und Ästhetik 30/2004 https://www.theomag.de/30/am118.htm
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