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Magazin für Theologie und Ästhetik


Im Labyrinth XXI

Erscheinungen im Cyberspace

Andreas Mertin

Inszenierungen

Wenige Figuren haben die illustre Modeszene so begleitet wie die Popikone Madonna und wenige Menschen wurden im Internet derart direkt fotografisch dabei begleitet wie diese. Zwei Webseiten machen dies deutlich, sie führen zugleich mit einer Fülle von Material die modischen Veränderungen eines öffentlichen Menschen vor Augen.

Ikonostasen - www.madonnashots.com

Als ich die Website vor etwa 1 1/2 Jahren zum ersten Mal aufgerufen habe, war ich mir ziemlich sicher, dass es eine Seite im Besitz und in der Verantwortung von Madonna selbst sein müsse. Allein die Bildrechte müssen so viel kosten, dass nur die Fotografierte über die Publikationsmöglichkeiten verfügen könnte.

Aber ich hatte mich geirrt. www.madonnashots.com ist ein rein privates Madonna-Fan- bzw. Dokumentationsprojekt und es dokumentiert in Tausenden von Fotos und geradezu unendlichen Fotofolgen das inszenierte Leben der Popikone: von den ersten Familienbildern bis zu den letzten Fotos für Hochglanz- und Modemagazine.

Wenn mich die Dateianzeige meines Explorers nicht täuscht, sind auf der Webseite fast 7.000 Fotos dokumentiert, fein säuberlich nach Jahren geordnet. Ruft man eine derartige Jahresseite auf, erscheint eine Art Ikonostase der in diesem Jahr geschossenen Fotos, aufgelistet nach Anlass und Fotograf. Klickt man auf eines der kleinen Bilder, wird jeweils eine größere Ausgabe aufgerufen. Rechts also zum Beispiel aus dem Jahr 1990 Bilder vom Vogue Videoclip unter der Regie von David Fincher.

Jahr für Jahr, Bild für Bild erschließt sich das öffentliche Leben Madonnas. Die letzten eingetragen Fotos stammen aus dem Jahr 2003 und zeigen die auch in Deutschland schon im Kulturforum NRW präsentierte Fotoserie von Steven Klein.

Zwischendurch finden sich zwischen all den offiziellen Shootings und den Paparazzi-Bildern aber auch manches interessante Fundstück. Bilder von Michael Jackson und Madonna bei der Verabredung eines gemeinsamen Stückes (das dann nicht zustande kam) oder auch von den Auftritten mit Jean-Paul Gaultier. Vor allem eines dokumentiert diese Website konsequent, die enorme Wandlungsfähigkeit der Popikone, ihre Fähigkeit immer neue Stile zu kreieren.

www.madonnalyse.de

Weniger Bilder, deutlich mehr Text, viele Statistiken und interessante Analysen bietet die deutschsprachige Website Madonnalyse (allein für den Namen verdient die Website schon einen Preis!). Abgesehen vom etwas spartanischen Erscheinungsbild der Startseite ist der Gesamtauftritt interessant und erkenntnisreich gestaltet. So verbirgt sich unter den einzelnen Menupunkten (biografie – filme – statistik – persönliche top ten – stil – comic – umfrage – bücher – madonna und deutschland) eine Fülle von Material.

Wer – etwa im Blick auf die Thematik dieses Heftes des Magazins für Theologie und Ästhetik – den Punkt "Stil" anklickt, bekommt in einer Art historischem Rundgang eine umfangreiche Darstellung der Mode-Ikone Madonna geboten. Vom Großstadtpunk (1983/84) und Boy Toy (84/85), über den New Look (85/86) und die Marilyn der 80er (86/87), bis zur nachdenklichen Brünette (88/89) oder glamouröse Diva (89/90) und zur obszöne Marilyn (90/91) – alles wird dokumentiert und beschrieben. Und es bleibt zu hoffen, dass die Stil-Strecke noch fortgesetzt wird, denn es fallen einem sofort natürlich noch weitere von Madonna signifikant geprägte Modestile ein, der Western-Stil und vieles mehr. Die Menupunkte am Seitenrand deuten aber schon an, dass die Modedarstellung bis in die Gegenwart fortgeführt werden wird.

Besonders interessant sind die zahlreichen Statistiken auf dieser Website, die u.a. erlauben, zwischen der medialen Präsentation des Erfolgs von Madonna und ihren erfolgreichen Stücken und den in der Publikumsgunst beliebtesten Werken zu unterscheiden. Hier wird mit viel Liebe zum Detail eine Madonna-Analyse vorgetragen.

Spannend etwa, wenn in einer Online-Umfrage danach gefragt wird, wann die Befragten Madonna-Fan wurden und welche Madonna-Phase sie am besten, welche am schlechtesten fanden. Hier ergeben sich hoch interessante Einsichten. So kommen die Hälfte der Fans aus der frühen Zeit zwischen 1983 und 1991, aber übereinstimmend halten alle Fans die späte Madonna für die Beste. Am wenigsten stößt jene Phase auf Gegenliebe, in der Madonna ihr Sex-Buch promotete.

Insgesamt jedenfalls eine gute Seite zur Stilbildung im populärkulturellen Bereich über den Zeitraum eines Vierteljahrhunderts.


© Mertin 2004
Magazin für Theologie und Ästhetik 31/2004
https://www.theomag.de/31/am127.htm