Uwe Gerber (Hg.), Wahrnehmungen des Lebens. Kunst-Ethik-Religion. Ein Bild- und Textband, Leipzig 2004, 160 Seiten
"Kunst und Religion äußern sich revolutionär, sofern sie die Offenheit, Experimentalität, die Ambivalenzen und gerade nicht Wiederholungszwang und Eindeutigkeit des Lebens manifestieren" - mit dieses Wortes des Herausgebers eröffnet der Bild- und Textband "Wahrnehmungen des Lebens". Nun wird jeder, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein wenig mit Kunst und Religion vertraut ist, beiden ihren revolutionären Charakter nicht ohne weiteres mehr zusprechen wollen. Das ist vielleicht noch das religiöse und künstlerische Pathos der 60er Jahre, in denen im Gefolge Theodor W. Adornos und Dorothee Sölles der Kunst oder der Religion systemsprengende Kraft zugetraut wurde. Heutzutage ist Kunst und Religion allzumal nur noch Unterhaltung und kaum mehr Sand im Getriebe der Welt. Und auch die in diesem Band versammelten Arbeiten sind von einer geradezu beruhigenden Konventionalität, keine unerhörten und ungesehenen Bilder, nichts was die Sinne verstören oder verführen würde. Nun ist die Beschreibung der Kunst als Organon der Wahrheit, als Fluchtpunkt der Theorie, als Avantgarde usw. selbst schon Teil der Geschichte und mit und in ihr aufgehoben. Es gibt keinen Grund mehr, Kunst metaphysisch oder philosophisch aufzuladen.[1] Und es gibt keine Notwendigkeit mehr, dies zu tun.
In der Sache erweist sich das Buch als eine Art Katalog. Vorgestellt werden vierzehn Künstler, in der Regel jeweils mit einem Begleittext versehen. Die Auswahl der Künstler ist aber in ihrer Logik kaum nachvollziehbar. Sie sind kaum repräsentativ (dazu fehlen gewichtige Bereiche der Gegenwartskunst) noch wirklich in ihrer Qualität vergleichbar. Zu den hervorzuhebenden Künstlern gehören u.a. Jürgen Brodwolf, Felix Droese, Albrecht Genin und Annegret Soltau. Sie alle haben Beiträge zur Fortentwicklung der Kunst im 20. Jahrhundert geleistet und sind schon allein deshalb der Betrachtung wert.
Ein wenig ratlos lässt den Rezensenten die Frage nach dem Adressaten des 160 Seiten umfassenden Bändchens. Bei einem doch ziemlich stolzen Preis von 32 Euro bietet es nicht annähernd so viel Erkenntnis wie etwa Ingo F. Walthers "Kunst des 20. Jahrhunderts", das bei 840 Seiten für weniger Geld mehr bietet und tatsächlich ein Muss für jeden Kunstinteressierten ist. Und erschlossen etwa für einen religionspädagogischen, gemeindlichen oder allgemein religiösen Kontext werden die einzelnen Werke gerade nicht. Man könnte im Nachhinein eine Art Ausstellung daraus generieren, aber was wäre das fokussierende Thema? So bleibt nur der Dokumentationscharakter eines alljährlichen Kunsttages an der Universität Darmstadt das mag als Anlass reichen, für eine größere Öffentlichkeit ist aber die Chance für eine konzentrierte Beschäftigung mit zeitgenössicher Kunst vertan worden.
Anmerkungen
- Vgl. dazu die lesenswerten Ausführungen von Rüdiger Bubner, ""Moderne Ersatzfunktionen des Ästhetischen"; in: ders., Ästhetische Erfahrung, Frankfurt 1989, S. 99ff.
© Mertin 2005
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Magazin für Theologie und Ästhetik 33/2005 https://www.theomag.de/33/am135.htm
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