Szenographie in Ausstellungen und Museen. Beiträge zum Kolloquium vom November 2000 in der DASA. Klartext-Verlag Essen, 2004, 29,90 Euro
Selten habe ich in der letzten Zeit einen so interessanten, aufwendig gemachten, reich illustrierten Band in der Hand gehabt, wie den Dokumentationsband der DASA (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund) zu ihren Kolloquien "Szenografie in Ausstellungen und Museen" - "Raumkriterien und Innenraumgestaltung" - "Hybride Räume". Generelles Thema aller drei Kolloquien ist letztlich die Frage nach der aktuellen Inszenierungspraxis in kulturellen Kontexten, ein Thema, das seit Jahren kontrovers diskutiert wird.[1] Dazu hat nicht zuletzt das Unbehagen an einer wachsenden Macht der Kuratoren und an der schwindenden Bedeutung der Kunst im Rahmen einer Eventkultur beigetragen.
Und so ist es nicht ohne Ironie, dass das Buch beginnt mit einem "Abschied vom Event" - vorgetragen ausgerechnet von einem Altmeister der musealen Eventkultur, dem Ausstellungsmacher Bodo-Michael Baumunk vom Hygiene-Museum in Dresden. Seine Überlegungen sind ein bedenkenswerter Aufruf zur Besinnung auf die Kernaufgaben, denn "das Wort 'Event' hat keinen rechten Sinn mehr. Alle Kultur ist im Begriff, Event-Kultur zu werden ... Museen arbeiten an der Dauer-Vereventung ihrer Häuser." Daher möchte er "die Museen gerne ab und zu daran erinnern, dass sie in ihrem Wesenskern Institutionen einer longue durée, des langen Atems im Sammeln und Bewahren sind, letzte Refugien noch des abgelegensten Spezialwissens, und nicht Zirkulationsagenturen eines wie auch immer gearteten vermeintlich aktuellen Bedarfs, sei es nach Zerstreuung, sei es nach den Chimären der so genanten Wissensgesellschaft, die ganz gegen ihre Prämissen suggeriert, Wissen sei sozusagen per Mausklick und nicht mehr unter Aufbietung einer gewissen Mühsal zu erwerben." [Dieser letzte Satz ist freilich in seiner Länge selbst schon ein Sprach-Event!] So gewarnt, kann der Leser sich dann in die verschiedenen Reflexionen zur Inszenierungskultur vertiefen, die die sich anschließenden Autoren bieten.
So verweist Heide Hagebölling von der Kunsthochschule Medien Köln auf die zunehmende Bedeutung medialer Sekundärpräsentationen der Museen und Ausstellungen via CD-ROM und Internet: "Diese Strategie der parallelen Medienarbeit ... dürfte auch für zukünftige Ausstellungs- bzw. Museumskonzepte von wachsender Bedeutung sein. Dies insbesondere im Hinblick auf digitale Datenbanken, die museumsinterne audiovisuelle Präsentation bis zum Internetauftritt alle notwendigen Daten zur Verfügung stellen."
Gerhard Kilger zeigt u.a. an den so genannten Elementarräumen in der DASA, wie die "Ganzheitlichkeit von Sinnen und Fähigkeiten" präsentiert werden kann. Dazu hat die DASA vier Räume inszeniert, die "ein meditatives Erfahren der jeweiligen Kompetenz ermöglichen. Jeder Raum ist monomateriell (geistig: Kalk, physisch: Holz, psychisch: Lehm, sozial: Filz) im exakten Kubus ausgebildet, je eine Wand ist durch Licht als Quadrat ausgebildet, 4-Kanal-Klänge, künstlerische Chiffren und der Geruch des Materials vermitteln ein sinnliches Erlebnis. In der jeweiligen Mitte befindet sich ein zentrales Objekt, das interaktiv die elementare Kompetenz spürbar macht. Alle vier Materialien gehören seit Bestehen menschlicher Kultur zum 'Lebensraum Arbeit'."
Der Bildende Künstler Via Lewandowsky skizziert eine von ihm selbst realisierte Ausstellung: "Kosmos im Kopf: Gehirn und Denken". Deutlich wird bei ihm, dass er das Inszenierungsgeschehen als unkünstlerische arbeit versteht: "Ich bin nämlich Künstler und habe mit Ausstellungsgestaltung nichts am Hut." De facto inszeniert er 17 höchst differente Räume und einen Korridor, höchst materialreich, suggestiv und sinnlich.
Brätigam/Drobniuk/Nguyen/Schmerse/Tajeri untersuchen konkrete realisierte Künstlerinszenierungen etwa von Dan Graham, James Turrell oder Jenny Holzer. Das ist höchst aufschlussreich, auch wenn die gewählten Objekte (etwa der Vulkankrater von Turrell) zum Teil eher Ausnahmen im Inszenierungsgeschehen darstellen.
Der Architekt Jürg Steiner reflektiert an konkreten Ausstellungs- und Inszenierungsarbeiten, worauf es jeweils bei der Inszenierung ankommt, wann etwa der Kunstcharakter und wann der Dokumentationscharakter betont werden soll. Daneben bietet er eine lesenswerten Rückblick auf die Geschichte der Ausstellungsinszenierungen. Allein sein Beitrag lohnt schon die Anschaffung des Buches.
In dem der kirchlichen Inszenierungskultur gewidmeten Beitrag von Horst Schwebel geht dieser der Geschichte der kirchlichen Documenta-Begleitausstellungen seit 1982 nach. Das ist insofern spannend, weil sich auch in dieser Inszenierungspraxis die Entwicklung der zeitgenössischen autonomen Ausstellungspraxis spiegelt etwa in der Entwicklung von der Themenausstellung zur inszenierten Kirchenraumausstellung bis zu künstlerischen Rauminterventionen.
Der dritte und letzte Teil des Buches widmet sich den multimedialen und interaktiven Aspekten der Inszenierungskultur, also den "Performativen Räumen" (Axel Wirths, und des "Media-Spaces" (Johannes Milla) und schließlich der "Definition, Erweiterung und Vertiefung des Raumes durch Neue Medien" (Cindy Gates). Wie am Anfang, so steht auch am Ende des Buches wiederum eine ironische Kommentierung. Lutz Engelke führt "Eine postdigitale Polemik" mit Totenlisten, bleibenden Fixsternen der Gutenberg-Galaxis, Dekaden digitalen Wahns und der sich abzeichnenden Rückkehr des Körpers. Auch das ein Genuss in der Lektüre!
Alles in allem ist das Buch " Szenografie in Ausstellungen und Museen" ein wirklicher Lesetipp für alle, die sich fragen, was in Kunstausstellungen und Museen Inszenierung ist und was reale Begegnung mit dem Objekt, was Kuratorentätigkeit kann und woran sie notwendig scheitern muss. Und das alles ausgestattet mit zahlreichen Beispielen und Bildern für einen moderaten Preis.
Anmerkungen
- Vgl. etwa Müller-Doohm/Neumann-Braun (Hg.): Kulturinszenierungen. Frankfurt 1995.
© Mertin 2005
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Magazin für Theologie und Ästhetik 33/2005 https://www.theomag.de/33/am136.htm
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