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Magazin für Theologie und Ästhetik


Ach Vera! oder: Anfassen erlaubt!

Eine Glosse über Gleich-Gültigkeit

Andreas Mertin

Das Magazin für Theologie und Ästhetik mag nun tatsächlich für vieles stehen, für die Begegnung von Kunst und Kirche, für die theologische Auseinandersetzung mit ästhetischen Fragen, für die Beschäftigung mit Populärkultur und auch für die Analyse von Medien und skurrilen Medienphänomenen. Für eins steht es aber sicher nicht: für Wertekonservatismus, Moralismus oder religiöse Engstirnigkeit.

Das muss eine Redakteurin anders gesehen haben, die am 8. Dezember 2004 im Auftrag der Talkshow "Vera am Mittag" zuerst in der Redaktion anrief und dann mit einer Email nachlegte. Diese ist von einer so bizarren Absurdität und zeugt von einer derartigen Schlichtheit des Denkens, aber auch von der Bigotterie, mit der die Redaktion von "Vera am Mittag" ihre eigene Klientel behandelt, dass wir sie den Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten wollen. Den Namen der Redakteurin haben wir unkenntlich gemacht, obwohl vieles dafür spricht, dass der Name selbst ein Kunstname ist, der nur für die Recherche zur betreffenden Sendung ausgewählt wurde. Aber wie dem auch sei, die entsprechende Email lautete:

Natürlich ist die Reduktion von Religion auf Moral seit Jahrhunderten ein verbreitetes und nicht nur von Journalisten gern gepflegtes Stereotyp. Da beschäftigt sich jemand mit Theologie? Dann muss er doch etwas Kritisches zur Pornografie sagen können. Tatsächlich trifft derartiges nur auf wertekonservative Personen wie Christa Meves zu. Aber schon bei ihr ist nicht klar, was dem bürgerlichen Wertekonservatismus und was der Religion zuzurechnen ist.

Wer sich mit Ästhetik beschäftigt, ist moralisch interessiert? Ist es nicht genau umgekehrt: die Ästhetik besteht nicht zuletzt in der Subversion der Gültigkeit der moralischen Begriffe? Der Aufstand des Schönen gegen das bürgerlich Gute? Ist - wie wir seit Kierkegaard immer wieder gesagt bekommen - Ästhetik nicht das Gegenteil von Ethik. Heißt es nicht "Entweder - Oder"?

Aber allzu viele Differenzierungen scheinen bei "Vera am Mittag" nicht angebracht. In der internetweiten Diskussion über "Vera am Mittag" herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass diese Sendung von ohne diesen Job Arbeitslosen für aktuell Arbeitslose gemacht wird und dass ihr gemeinsamer Nenner die intellektuelle Beschränktheit ist. Die Recherche im Internet nach der anfragenden Redakteurin ergab - abgesehen von einer Ausnahme - wenig Hinweise auf eine Existenz einer Person dieses Namens. Die Ausnahme war ein Beitrag in einem Forum für erotische Jobs einer Internetadresse, die als Swingertreffpunkt firmiert. Dort hatte die Redakteurin wenige Tage zuvor gepostet:

Damit beantwortet sich die Frage, wie "Vera am Mittag" an die Gäste mit "den teilweise extremen, moralisch fragwürdigen Ansichten" (O-Ton Redakteurin) kommt. Und dass die Redakteurin derartiges zugleich "super" findet und mit "etwas Werbung" unterstützt. Nicht geklärt ist die Frage, wieso sie im Rahmen ihrer Recherche nach "konservativeren, wertbewussteren Haltungen ..., (die) eine klare, wertkonservative Position vertreten" auf das Magazin für Theologie und Ästhetik gekommen ist. Aber ehrlich gesagt: ich will es auch nicht wissen.


© Mertin 2005
Magazin für Theologie und Ästhetik 33/2005
https://www.theomag.de/33/am138.htm