Kirchliche RaumgestaltungUnmaßgebliche Überlegungen bei der Lektüre zweier BauzeitschriftenKai Horstmann |
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Fragen der (Kirch-)Raumgestaltung beschäftigen mittlerweile nicht mehr nur einen kleinen Kreis theologisch-ästhetisch Interessierter. Sie haben ein breites Publikum gefunden (vgl. Zeitzeichen 11/2004 oder chrismon 1/2005). Auch die Fachzeitschriften für Architekten Detail (9/2004) und deutsche bauzeitung (db) (11/04) haben sich im vergangenen Jahr dem Thema sakraler Bauten gewidmet und einige bemerkenswerte zeitgenössische Kirchbauten vorgestellt. Die Bauzeitung beschränkt sich in ihrem Schwerpunkt auf Kirchen. Detail geht weiter und bezieht buddhistische, jüdische und islamische Architektur mit ein. Aber auch die Vorstellung des studentischen Entwurfs einer Synagoge für Bochum in der Rubrik "Studenten-Werk" in der db macht deutlich, dass in unserer gesellschaftlichen, vom Pluralismus gekennzeichneten Gegenwart Sakralbau nicht länger einfach christlichen Kirchbau meint. Natürlich ist im hiesigen Kontext der Kirchbau noch maßgeblich. Das zeigt sich entsprechend mit dem Beitrag von Walter Zahner, mit dem Detail in seinen thematischen Schwerpunkt einleitet (S. 932-938). Und auch die Typologie von Sakralbauten in den Weltreligionen, die Franz Peter und Franz Wimmer auf den Seiten 950-957 an einer Reihe von Beispielen entfalten wollen, spiegelt dies wieder. Dort sind der hinduistische und buddhistische Tempel zusammen mit dem jüdischen Synagogenbau nur auf einer Doppelseite abgehandelt, der Kirchbau wiederum auf vier Seiten, die Moschee dann wieder auf zwei Seiten. Die Darstellung von Hinduismus und Buddhismus kommt zudem kaum über allgemeine Beschreibungen der Religionen hinaus. Insofern ist dieser Text eine Enttäuschung. Der Schwerpunkt beider Zeitschriften aber liegt nicht in einer systematischen, kunsthistorischen oder architekturkritischen Besprechung des Themas, sondern in der - auch für Nicht-Architekten geeigneten - Darstellung moderner Bauten in Photographien und Grundrissen. Dabei sind der ökumenische Kirchbau in Freiburg-Riesefeld und das Pfarrzentrum St. Franziskus in Regensburg in beiden Publikationen vorgestellt.[1] Letzteres in Detail in einem ausführlichen Prozessbericht, der die Bau-Idee und seine Umsetzung durch den Architekten und zwei Bauinengieure (zum Tragwerk und zur im Entwuf zentralen lichtdurchlässige Deckenmembrane) beschreibt. In der db wird derselbe Bau von Cornelia Krause als Diskussionsbeitrag zum Kirchenbau des 21. Jahrhunderts gewürdigt, was auch schon im Wettbewerb gefordert worden war: "Was vor gut einhundert Jahren noch nicht denkbar war, als Architekt im Kirchenbau nach innovativen Lösungen zu suchen, wird heute - und das besonders von der katholischen Kirche - geradezu gewünscht" (S. 59). Die "Doppelkirche" in Freiburg wird in der db unter der Überschrift "Schutzbau und Auffanggefäß" vorgestellt. Ein Schutzbau? Jedenfalls ein gewaltiger Betonblock auf einem zentralen Platz. Intendiert war, die Kirche[2] als einen eigenen Raum im öffentlichen Raum zu gestalten. Mit seinen massiven Mauern verschließt sich die Kirche und ermöglicht, so Christian Holl, Privatheit und Intimität in einer exhibitionistischen Öffentlichkeit (S. 39). Wirklich ein interessantes Anliegen des Entwurfs. Aber vermittelt sich das dem Betrachter? Sogar auf ihn erklärende Zeichen, auch auf das Kreuz, wurde verzichtet. Mag von Innen die Bauform "mit den nach außen geneigten Wänden ... als eine Art Auffanggefäß lesbar" sein (S. 40). Von außen wirkt der ökumenische Kirchbau wenig einladend. Jedenfalls weckt der Baukörper Neugierde. Bemerkenswert in diesem Kontext ist Zahners Urteil, dass katholische und evangelische Kirchen "von außen kaum und auch im Innenraum nur schwer voneinander zu unterscheiden" sind (Detail, S. 933). Die Bilder in den beiden besprochenen Bauzeitschriften belegen das. Der außerordentliche Doppelkirchbau aber zeigt doch eine Spannung. Eben schon von außen. Die dekonstruktivistisch anmutende Fassade zeigt außen die Spannung der ökumenischen Gemeinschaft, die sich auch in den beiden Kirchräumen im Inneren widerspiegelt: der kleine evangelische Kirchraum ist dem großen zuschaltbar. Ist dies ein akzeptables Zukunftsmodell für Ökumene? Dass Ökumene aber nicht nur aus binnen-theologischen Gründen, schon gar nicht aus der Sache äußerlichen, finanziellen Gründen nötig ist, wird in Freiburg städtebaulich deutlich: "Die Institution Kirche kann die Bedeutung, die ihr mit dieser zentralen Lage im Ortsteil zufällt, nur ausfüllen, wenn die christlichen Konfessionen nicht auch noch in Konkurrenz zueinander treten", schreibt Holl (db, S. 38) und zeigt eine Dimension der veränderten Bedeutung von Kirche in unserer Gesellschaft auf, die bei Perspektivdiskussionen innerhalb der Kirche, die durch sinkende Einnahmen und demographische Veränderungen ausgelöst sind, nicht wirklich im Blick ist. Doch kann die eine Kirche zentrale Räume in unserer Gesellschaft füllen, wenn sie innerlich nur mit großen Mühe zusammen kommen/eine Kirche werden kann? In Freiburg werden die 22 Tonnen schweren Betonelemente (!) (nur) bei besonderen Anlässen seitwärts bewegt, um das Innere in einen Gottesdienstraum zu verwandeln. "Kirchenbau ist Gemeindebau" schreibt Zahner (Detail, S. 932). Das Bauexperiment in Freiburg ist von daher besonders interessant zu beobachten: wie werden sich die beiden Gemeinden in dem einen Haus zueinander verhalten, nebeneinander entwickeln? Und was wird die zuständige Bistumsleitung dazu sagen? Noch einmal Cornelia Krause: "Was vor gut einhundert Jahren noch nicht denkbar war, als Architekt im Kirchenbau nach innovativen Lösungen zu suchen, wird heute - und das besonders von der katholischen Kirche - geradezu gewünscht." Eine Kirchbaumaßnahme ist immer eine Herausforderung für Kirche und Gemeinde. "Ein Abenteuer - für einige Weggefährten in der Gemeinde aber auch eine Überforderung", stellte Pater Josef Essl über den Bau von St. Franziskus in Steyr fest (Detail, S. 994). Ob man allerdings von außen, wie Holl es tut, Widersprüche gegen einen Kirchbau "mehr als Beweis für die Qualität der Architektur, [denn; K.H.] als Hinweis auf deren Mangel" begreifen und so abweisen darf (db, S. 40), scheint mir angesichts dessen, dass es sich bei Kirchbauten immer auch um Zweckbauten für konkrete Menschen handelt, doch zu einfach. Sind "die ersten Versuche, mit Bildern oder gestiftetem Inventar Heimeligkeit zu erzeugen" wirklich "lächerlich" (Holl), oder nicht deutlicher Ausdruck dafür, dass der Bau alles ist, aber eben nicht Gemeindebau (Zahner)? Die Herausforderung der Zukunft aber ist nicht der Kirchenneubau. Gerade auch protestantischerseits stecken im Zusammenhang mit dem neuen liturgischen Bewusstsein große Aufgaben im Bereich der Kirchenrenovierung und -umbauten. Aber auch die Umwidmung von Kirchräumen infolge ihrer Aufgabe durch kleiner werdende Gemeinden wird wie lange schon in den Niederlanden auch bei uns zum Thema werden. Marcus Nitschke und Jörn Focken informieren in Detail kurz über Leitlinien zur Umnutzung von Kirchen der Dt. Bischofskonferenz und der VELKD und stellen in diesem Zusammenhang fest: "Im kleiner werdenden Gottesvolk regt sich derweilen eine neue Lebendigkeit, die sich zwar noch nicht in den kirchlichen Strukturen widerspiegelt, jedoch zu neuen Entwicklungen im Sakralbau" (S. 947). Darum gilt: "Auch wenn Kirchenneubauten künftig eher selten sein werden: Räume für die Erfahrung des Transzendenten zu schaffen, bleibt eine lebendige Aufgabe" (Zahner, S. 936). Hierzu bieten die Berichte und Bilder in den beiden Bauzeitschriften allerdings noch nichts. Sie zeigen schön, wie vor allem die Lichtgestaltung zur Zeit Thema in der Architektur ist, wie vor allem mit Licht versucht wird, "über das Stoffliche hinaus" zu gehen (vgl. die Überschrift über das Editorial von Andreas Gabriel, Detail, S. 930). Es entsteht beim Durchblättern der Hefte aber doch ein wenig der Eindruck, als ginge es in beiden Zeitschriften weniger um die informative Behandlung des Themas, als insgesamt - und nicht nur in den Produkt- und Technik-Teilen - darum, Architekten anschauliche Anregungen für eigene Entwürfe zu geben. Für anstehende Umbauten von Kirchen womöglich. Oder für etwas ganz anderes. Wie Berichte und Bilder in Publikationen zu überaus profanen Bauten aber auch andersherum Anregungen geben können, zeigt das Zisterzienserkloster in Novy Dvur bei Prag. Als "Ausdruck von Bescheidenheit" gebaut, ist es angeregt durch einen Calvin-Klein-Laden in New York, dessen Darstellung den Abt des Mutterklosters in Burgund veranlasste, den Architekten John Pawson zu beauftragen (vgl. Yvonne Bruderreks Bericht in Detail, S. 943).[3] Wenn - umgangssprachlich - etwas als profan bezeichnet wird, dann ist es nichts besonders. Es ist nicht weiter Aufsehen erregend. Das Bedeutungsspektrum von "profan" reicht gar bis geistlos. Wenn es einfach stimmte, dass der Protestantismus nur profane Räume kennt, dann wäre das ein vernichtendes (Selbst-)Urteil. Ist Protestanten nichts heilig? Sie sind es sich selbst als Gemeinschaft der Heiligen. Wir sind es sich als die, denen Gottes Anspruch gilt; seine Verheißung, dass wir ihn suchen sollen und finden, weil er uns sucht und findet.[4] So sind die Räume, in denen wir uns auf die Suche machen, die Räume, in denen wir unserer Freude darüber, gefunden zu sein, Ausdruck verleihen, geheiligte Räume. Nicht aus sich selbst heraus, sondern durch das, was sich (in ihnen) ereignet hat. Darum haben sie spürbare Atmosphäre für die, die in der Gemeinschaft des Geistes stehen. Nachvollziehbare Gestalt.[5] Wie könnten sie anders zu Einkehr, Suche und Feier einladen? Kirchbauten als Ausdrucksgestalten des Glaubens dürfen darum nicht geistlos wirken. Kirchen sind geschützte Räume, wie der Gottesdienst eine geschützte Zeit ist. Es bedarf dieser räumlichen Abgrenzung vom Profanen, wie seiner zeitlichen Unterbrechung im gottesdienstlichen Geschehen. Das Heilige ist das vom Profanen Abgegrenzte. Wie Tillich vom Inhalt der christlichen Botschaft sagt, sie werde in die menschliche Existenz "hineingesprochen"[6], steht der Kirchbau im städtischen Raum und zeugt von der wesentlichen Tiefe.[7] Und einer besonderen, lichten Weite der Freiheit (Röm 8,21).[8] Detail und db stellen eine Reihe solcher Räume vor. Wovon aber zeugt der größte Kirchbau unserer deutschen Gegenwart? Die Dresdner Frauenkirche zeigt: Kirche von heute ist von gestern. Dass dermaßen viele Menschen für die "alte" Frauenkirche gespendet haben, macht anschaulich, wie wichtig Kirche auch für unsere Gesellschaft ist. Aber auch wie sie wichtig ist. Sie ist ein hoch wertgeschätzter Teil unserer Vergangenheit. Ein echter Neubau wäre nicht finanziert worden. Ein kirchenbaulicher Beitrag zur zeitgenössischen Wirklichkeit Dresdens war nicht gewünscht.[9] Die neue Frauenkirche täuscht eine heile Welt vor. Und offenbart so die rückwärts gewandten Träume der Menschen. Das Heil der Welt aber liegt in ihrer adventlichen Zukunft. Restitutio ad integrum ist keine christliche Hoffnung, das Goldene Zeitalter kein biblisches Ideal. Sicher, die Gemeinschaft der Heiligen macht in Dresden das Beste aus dem modernen Bau mit historischer Fassade. Im Inneren der Kirche soll die Erinnerung bleiben. Eine geradezu subversive Bemühung. Gott sei Dank: Sein Geist weht und wirkt wo er will. Was mulitfunktionalen Gemeindezentren nicht unmöglich machen, ist auch in der Frauenkirche nicht ausgeschlossen. Einkehr, Suche und Feier. Und so mag auch in diesem Nachbau eine Atmosphäre entstehen, "in der sich das Spirituelle entfalten kann" (Andreas Gabriel, Detail, S. 930). Anmerkungen
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https://www.theomag.de/33/kh1.htm |