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Magazin für Theologie und Ästhetik


"Wir sind Bildhauern gleich"

Von der Verwandlung mystischer in ästhetische Erfahrung

Jörg Herrmann

"Dass hier und jetzt dies Bild ist, und nicht vielmehr nichts, das ist das Erhabene."[1] Jean-Francois Lyotard bestimmt das Erhabene als das Ereignis des Bildes. Sein Exempel ist Barnett Newman, denn das Thema von Newmans Bildern ist laut Lyotard "der Augenblick, der geschieht". Sein Aufblitzen umschreibt Lyotard unter anderem mit den Worten: "Die Präsenz ist der Augenblick, der das Chaos der Geschichte unterbricht und daran erinnert oder nur appelliert, dass 'etwas da ist', bevor das, was da ist, irgendeine Bedeutung hat. Das ist eine Vorstellung, die man mystisch nennen kann, da es sich um das Mysterium des Seins handelt."[2]

Nicht nur die Präsenz von etwas, auch der Augenblickscharakter und die Undarstellbarkeit des Lyotardschen Erhabenen verweisen auf die mystische Erfahrung. Im Unterschied zur abendländischen Mystik wird das Mysterium bei Lyotard jedoch ganz konkret erfahren: in der Farbe, im Bild, im sinnlich wahrnehmbaren Ereignis. Was christliche Mystiker im Innenraum der Versenkung suchten, begegnet Lyotard im Außen der ästhetischen Erfahrung: das Mysterium des Seins.

Was bedeutet das? Werden Fragen, die lange Zeit in der Mystik beheimatet waren, heute in der Ästhetik verhandelt? Kann die mystische Erfahrung als eine Art Vorform der ästhetischen Erfahrung angesehen werden, kann gar von einer Geburt der Ästhetik aus dem Geist der Mystik die Rede sein? Lyotards Überlegungen zur Ästhetik des Erhabenen regen zu solchen Spekulationen an und geben Anlass, in dieser Richtung weiterzufragen. Einige Beobachtungen zum Verhältnis von Mystik und Ästhetik helfen, den genannten Fragestellungen besser auf die Spur zu kommen.

Renaissance und Rationalitätskritik

Dass Mystik und Ästhetik etwas miteinander zu tun haben, wird auch unabhängig von Lyotards Newman-Interpretation schnell deutlich. Aus zeitdiagnostischer Perspektive fällt zunächst auf, dass beide Erfahrungsformen seit etwa zwei Jahrzehnten[3] wieder verstärkt Aufmerksamkeit finden. Der gemeinsame Nenner dieser nahezu zeitgleichen Renaissance von Mystik und Ästhetik lautet: Vernunftkritik. In beiden Bereichen artikuliert sich Kritik an der einseitigen Entwicklung der neuzeitlichen Rationalität. Das Andere der Vernunft (Böhme/Böhme) wird wiederentdeckt. Sinnlichkeit, Religion und Mystik, aber auch der Körper, das Unbewusste, die Natur und das Individuum haben wieder Konjunktur. Hand in Hand mit der Kritik an einem diese Themen ausgrenzenden Rationalitätstyp geht dabei die Entdeckung und Analyse der spezifischen Rationalitätsformen der wiederentdeckten Bereiche. Das Spektrum dieser postmodernen Wende vom Allgemeinen zum Besonderen, von der Theorie zur Erfahrung ist breit und heterogen.

Seit einiger Zeit werden auch Gegentrends beobachtet: Trendforscher geben der 'Ego-Ära' den Abschied, Philosophen interessieren sich für Kulturtheorie, Kommunitarismus und Moral. Doch das bedeutet nicht, dass die mit dem postmodernen Interesse am nichtidentischen Anderen verbundenen Fragestellungen damit schon durchgearbeitet seien. Insbesondere die Fragen der Verhältnisbestimmung der differenzbetont in den Blick genommenen Bereiche sind noch vergleichsweise wenig reflektiert. So auch die Frage nach dem Verhältnis von Mystik und Ästhetik.[4]

Mystische Spuren in der modernen Kunst

Franz MarcVerschiedene Ausstellungen und Publikationen in den 80er Jahren haben deutlich gemacht, dass Mystik und Ästhetik noch mehr miteinander verbindet als ihr rationalitätskritischer Impuls. Vor allem die große Ausstellung The Spiritual in Art: Abstract Painting 1890-1985 (Los Angeles 1986) hat gezeigt, wie präsent mystische Topoi in der abstrakten Malerei der Moderne sind. Sie finden sich bei Barnett Newman und Marc Rothko ebenso wie bei Kandinsky, Klee, Jawlensky, Marc, Mondrian, Chagall und vielen anderen. Spuren des Mystischen in der modernen Kunst[5] haben Kunstwissenschaftler und Theologen daraufhin auch bei Ad Reinhardt, Marc Tobey, Edward Hopper, Ben Willikens und Wolfgang Laib aufgespürt.

Die Parallele zum Mystischen wurde dabei hauptsächlich in "Strategien der Entgrenzung"[6] und in Phänomenen der "Bildverweigerung im Bild"[7] gesehen, die in den Arbeiten dieser Künstler beobachtet werden können. Ein gutes Beispiel sind die späten Bildern des amerikanischen Malers Ad Reinhardt. Seine "Black Paintings" entstehen aus den drei Primärfarben als Repräsentanten der buntfarbigen Welt. In einem Prozess der Mischung und Überdeckung verdichten sie sich zu einem farbig getönten Schwarz. Es bewegt sich auf der Grenze zwischen der Differenzlosigkeit des Schwarz und einer eben noch wahrnehmbaren Farbigkeit im Hintergrund, die von den farbigen Ursprüngen des Schwarz zeugt. Reinhardts schwarze Bilder thematisieren so den Übergang von der Sichtbarkeit ins Unsichtbare, von der Differenz in die Differenzlosigkeit.

Die Figur entspricht der via negationis der Mystik, die durch die Negation alles sinnlich Wahrnehmbaren auf die Vereinigung mit dem Göttlichen hinarbeitet. Malerei wie Mystik sind hier mit der Erforschung und Überschreitung von Grenzen befasst: die Mystik, indem sie in den Innenraum des Bewusstseins hinabtaucht, um seine Grenzen auf seine Ermöglichung hin zu überschreiten, die Malerei, indem sie im Außen der Sinnlichkeit die Grenzen und die Ermöglichung von Bildlichkeit erkundet.

Ist die dabei zur Debatte stehende Fragestellung der Grenzen von innen nach außen gewandert? Oder sind die mystischen Tendenzen der abstrakten Malerei nur ein temporäres Überschneidungsphänomen, das zwar auf Konvergenzen hindeutet, nicht aber als Hinweis auf eine Verwandlung von Mystik in Ästhetik gewertet werden kann?

Retro-Perspektive

Wie kann eine erste Annäherung an die Themen Mystik und Ästhetik im Blick auf ihre Überschneidungsfelder und Metamorphosen nun weiter vorgehen? Verschiedene Perspektiven sollen helfen, Gemeinsamkeiten und Übergänge zwischen beiden Erfahrungsformen genauer zu beschreiben. Im Vordergrund steht dabei die ästhetisch interessierte Sichtung mystischer Konstellationen. Suchte man in den 80er Jahren nach mystischen Motiven in der modernen Kunst, so soll im Folgenden eher der umgekehrte Weg beschritten werden: Der Blick richtet sich auf ästhetische Momente im Mystischen und auf Korrespondenzen zwischen Mystik und Ästhetik aus ästhetischer Perspektive. Es geht also um eine ästhetisch vermittelte Retro-Perspektive des Mystischen. Aus ihrem Blickwinkel wird eine Fülle von Analogien zwischen beiden Erfahrungsformen erkennbar. Sie weisen darauf hin, dass Elemente der mystischen Erfahrung tatsächlich als Vorformen moderner ästhetischer Erfahrungen interpretiert werden können.[8]

Auf ein grundsätzliches Problem bei der Verhältnisbestimmung von Erfahrungsformen sei an dieser Stelle zuvor jedoch hingewiesen: auf eine mit der Kontextualität von Erfahrung gegebene Ambivalenz. Sie besteht darin, dass Erfahrungsformen aufgrund ihrer unterschiedlichen sprachlichen Kontexte einerseits inkommensurabel sind, zum anderen aber doch, zumindest partiell, ineinander übersetzt werden können. Die Frage der Übersetzbarkeit von Sprachen ist der hier im Hintergrund befindlichen Problematik analog. Es liegt auf der Hand, dass eine Transformationshypothese auf das Moment der Übersetzbarkeit baut. Ebenso versteht sich, dass ein Wandel auch Neuinterpretation und Unvergleichlichkeit einschließt.

Ästhetische Motive in der Mystik des Dionysius Areopagita

Dionysius AreopagitaWer nach ästhetischen Elementen im Mystischen sucht, kann bei Dionysius Areopagita reiche Beute machen. Nicht von ungefähr wurde der Vater der mystischen Theologie als der "ästhetischste aller christlichen Theologen"[9] bezeichnet. Hinter dem Namen Dionysius Areopagita verbirgt sich ein noch nicht identifizierter monastischer Autor, der um das Jahr 500 möglicherweise in Syrien lebte.[10] Sein Einfluss auf die Theologie- und Philosophiegeschichte, insbesondere auf die Mystik des 14. und 15. Jahrhunderts (Eckhart, Tauler, Ruysbroek), reicht bis in die Gegenwart[11] und kann kaum überschätzt werden. Er hat den Ausdruck "mystische Theologie" geprägt und eine Schrift gleichen Titels verfasst, die zu einem Schlüsseltext mystischer und negativer Theologie geworden ist.[12]

Seine neuplatonisch beeinflusste Theologie kreist um die Frage der Vermittlung der totalen Transzendenz Gottes mit dem Gedanken seiner Selbstmitteilung in der Offenbarung. Für Dionysius ist die negative Theologie die angemessenste Reflexionsform dieser Problematik, die auch im Zentrum der kleinen Schrift Über die mystische Theologie steht. Dort schreibt Dionysius: "Dass wir in diesem überlichten Dunkel weilen und im Nichtsehen und Nichterkennen den sehen und erkennen möchten, der unser Sehen und Erkennen übersteigt, (und zwar gerade) durch Nichtsehen und Nichterkennen - denn das bedeutet in Wahrheit Sehen und Erkennen -, darum bete ich; und dass wir den Überseienden in überseiender Weise preisen, indem wir ihn abheben von allem, was ist. Damit sind wir Bildhauern gleich, die aus einem gewachsenen Steinblock eine Statue meißeln: Sie hauen alles heraus, was dem reinen Anblick des verborgenen Bildes im Wege steht, und (allein dadurch), durch bloßes Weghauen, bringen sie die in ihm selbst verborgene Schönheit zum Vorschein" (S. 76f.).

Dionysius vergleicht die Arbeit des mystischen Theologen mit dem Gestalten eines Bildhauers. Doch während der Bildhauer durch das Bearbeiten eines Steinblocks zu einer konkreten Gestaltung findet, kann der mystische Theologe durch seine Begriffsarbeit nur ex negativo auf die verborgene Schönheit des Göttlichen hinweisen. Zielt die Bildhauerei zunächst einmal auf Sichtbarkeit, so die mystische Theologie auf etwas für unsere physischen Augen Unsichtbares. Gleichwohl ist das von ihr Gesuchte nicht gänzlich unsichtbar. Denn Dionysius spricht ja von einem anderem Sehen: dem wahren Sehen durch Nichtsehen. Das Erreichen dieser Perspektive auf dem Weg der Verneinung vergleicht Dionysius mit dem Hervortreten einer zunächst verborgenen Schönheit im Verlauf eines bildhauerischen Prozesses.

Schönheit ist eine für Dionysius zentrale Kategorie der Interpretation mystischer Erfahrung ist. Dies wird auch an anderen Stellen deutlich. So preist er schon in der als Gebet formulierten Einleitung der mystischen Theologie den unübertrefflichen Glanz der Mysterien, "der an Schönheit alles in den Schatten stellt" (S. 74).

Zwei Analogien von mystischer und ästhetischer Erfahrung lassen sich an diesem Beispiel ablesen: Es geht um ein Sehen von Schönheit und um den ästhetischen Prozess ihrer bildhauerischen Produktion bzw. ihrer sprachlichen Rezeption. Die jeweiligen Darstellungsformen unterscheiden sich auf den ersten Blick dadurch, dass das Kunstwerk sich selbst meint, während die Redeformen der mystischen Theologie von sich weg weisen. Auf den zweiten Blick ist an die Formen moderner Kunst zu erinnern, die mit Strategien der Bildverweigerung im Bild operieren und der Negativität mystischer Theologie analoge Strukturen aufweisen. Diese Kunstformen, so ließe sich wiederum sagen, machen nur besonders deutlich, dass auch Kunstwerke letztlich immer auf Unsichtbares verweisen: auf die in der Interaktion mit dem Betrachter zustande kommende ästhetische Erfahrung.

Im Blick auf die Erfahrung von Schönheit ist aus heutiger Sicht auf den spezifischen Kontext des Dionysianischen Schönheitsbegriffs aufmerksam zu machen. So schimmert in der Rede von verborgener Schönheit platonisches Denken durch, das die äußere Schönheit als Abbild innerer Harmonien auffasst. Bei inneren Harmonien darf jedoch nicht an Subjektivität gedacht werden. Denn auch die ideelle Seite des Schönen hatte bei Plato und in den vormodernen Theorien des Schönen noch keinen subjektiven Charakter. Schönheit war ontologisch gedacht als Qualität des göttlichen Kosmos und seiner Gesetze oder, wie bei Dionysius, des Göttlichen selbst. Die Subjektivierung des Schönen ist ein Ergebnis moderner Ästhetik. Erst sie hat deutlich gemacht, dass das Empfinden von Schönheit zwar in der Regel Anlässe hat, letztlich aber subjektiv bestimmt ist. Schönheit, schreibt Thomas Lehnerer, "stammt aus der Lebendigkeit und Freiheit eines inneren Spiels", sie ist das Spüren "freier Lebendigkeit",[13] ermöglicht durch das freie Spiel der Reflexionssubjektivität. Warum sie sich als eine Kategorie zur Beschreibung mystischer Erfahrungen eignet, wird retrospektiv erhellt, wenn Lehnerer konstatiert, Schönheit sei "das Wertvollste, das wir für uns als Subjekte wünschen können: unbedingter und positiver Wert des Subjektiven. Sie ist höchstes, nämlich freies Glücklichsein, theologisch gesprochen: unmittelbar gegenwärtiger Gott".[14]

Wurden Erfahrungen von Schönheit in der Vormoderne im Kontext der Kosmologie und offenbar auch der Mystik gemacht, so sind sie seit dem Beginn der Moderne im Ästhetischen beheimatet. Die moderne Ästhetik hat die Subjektivität dieser Erfahrungen bewusst gemacht. Sie hat darüber hinaus auf die Subjektivität und den ästhetischen Charakter von Erkenntnis überhaupt aufmerksam gemacht. Im Anschluss an Nietzsche vertritt Wolfgang Welsch in diesem Zusammenhang die These, "dass der Übergang zu einer ästhetischen Interpretation von Wahrheit, Wirklichkeit und Erkennen den philosophischen Grundvorgang der letzten zweihundert Jahre darstellt".[15] Wenn Dionysius die mystische Theologie mit Bildhauerei vergleicht, so weist diese Beschreibung darauf hin, dass auch diese - zuletzt von Welsch besonders hervorgehobene - Perspektive modernen ästhetischen Denkens bei Dionysius schon angelegt ist.

Die Frage der Subjektivität lenkt den Blick noch einmal auf den zentralen Gedanken der mystischen Theologie des Dionysius: auf die Negativität des Weghauens. Die Intention, Gott "abzuheben von allem, was ist" knüpft an das alttestamentliche Bilderverbot an. Es kann als theologischer Kerngedanke der Mystik nicht nur des Dionysius angesehen werden. Gott, so der Inhalt des Bilderverbots, kann in keinem Bild zur Darstellung kommen, weil seine Unbedingtheit und Unendlichkeit alle Bilder sprengt. Bilder können allenfalls Anspielungen sein: relativ, endlich, subjektiv. Das Bilderverbot, so ließe sich sagen, beschreibt im Kontext des Religiösen die Differenz von Reflexion und Sinnlichkeit, von Begriff und Anschauung oder auch von Subjektivität und Alterität. Die Absolutheit des Gottesgedankens macht diese Differenzen besonders deutlich. Es liegt auf der Hand, dass kein Bild diese Absolutheit repräsentieren kann. Zwischen der Subjektivität und Relativität der Bilder und der Objektivität und Absolutheit Gottes klafft ein unüberwindlicher Spalt. Aus der Sicht heutiger Ästhetik könnte man darum auch sagen: Schon das Bilderverbot enthält ein Wissen um die Subjektivität aller bildlichen Darstellungen. Es kann als Antizipation der Subjektivität moderner ästhetischer Erfahrung interpretiert werden. Das Problem, das es reflektiert, ist ein im Kern ästhetisches Problem. Das Bilderverbot hat mithin - wie schon Adorno bemerkte - eine ästhetische und eine religiöses Seite. Die moderne Ästhetik hat deutlich gemacht, dass seine ästhetische Problematik sich nicht nur in religiöser Perspektive ergibt, sondern allgemeinerer Natur ist. Das Bilderverbot macht in religiöser Terminologie auf ein Problem aufmerksam, dass von der modernen Ästhetik rational analysiert werden konnte: die Subjektivität der ästhetischen Erfahrung.

Fragestellungen, die das Bilderverbot verhandelt und die zugleich im Zentrum der Mystik stehen, sind, so lässt sich also sagen, von der Ästhetik aufgegriffen und weiterentwickelt worden. Momente der mystischen Erfahrungen sind in Ästhetik übergegangen.

Unterschiedliche Blickrichtungen

Eine etymologische Orientierung kann weitere Anhaltspunkte für die Profilierung der Spezifika beider Erfahrungsformen und ihres Verhältnisses liefern.

"Ästhetik" geht auf das griechische Verb "aisthanesthai" (wahrnehmen) zurück. Das Wort hat also zunächst weniger die Kunst als vielmehr die sinnliche Wahrnehmung im Allgemeinen im Blick: alles, was vor Augen liegt, dazu, was man hören, schmecken, tasten und riechen kann. Diese weite Bedeutung des Ästhetischen kennzeichnet auch ihre Anfänge als philosophische Disziplin vor gut zweihundert Jahren. Ihr Begründer, Alexander Gottlieb Baumgarten, konzipierte die Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre. Bemerkenswert ist, dass er sich zu der damit vollzogenen Aufwertung der Sinnlichkeit auch von tenebristischen, der Mystik verwandten, rationalitätskritischen Traditionen anregen ließ.[16]

Die Verengung der Ästhetik auf Kunsttheorie ist dann ein Ergebnis der späteren Entwicklung, das gegenwärtig wieder in Frage gestellt wird. Wie das Ästhetische im einzelnen abzugrenzen ist, wird dabei kontrovers diskutiert. Weitgehend unstrittig ist, dass ästhetische Erfahrung durch ein Zusammenspiel von Sinnlichkeit und Reflexion zustande kommt. Je nach ihrem Anteil an Reflexion[17] kann sie als kontemplativ, korresponsiv oder imaginativ geprägt charakterisiert werden,[18] wobei die Kontemplation versucht, die Reflexion so weit wie möglich auszuschalten und sich ganz dem sinnlichen Eindruck hinzugeben.

Auch das Wort "Mystik" hat griechische Wurzeln. Zugrunde liegen: "myein" (die Augen schließen), "ta mystika" (die Mysterien), "mystes" (der Eingeweihte), "mysteria" (die Einweihung) und "mystika" (das Unsagbare).[19]

Der Mystiker schließt die Augen und blickt nach innen. In einem Prozess der Reinigung und Selbstentäußerung bereitet er sich auf die Vereinigung mit dem Göttlichen vor: auf die "Unio mystica". Darin erfährt er Unsagbares. Seine Berichte sind darum auch weniger Beschreibungen im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr Anleitungen zum Nachvollzug, die mit negativen, von sich weg weisenden Redeformen arbeiten.

Eine Reflexion über mystische und ästhetische Erfahrung hat es also unter anderem mit dem Öffnen und Schließen der Augen zu tun, mit dem, was vor, und dem, was hinter ihnen liegt, mit Innenschau und Außenschau gewissermaßen. Die Blickrichtungen sind unterschiedlich. Gemeinsam scheint Mystik und Ästhetik vor allem das Blicken selbst, die Reflexionssubjektivität des Auges. Bei näherem Hinsehen wird allerdings deutlich, dass beide Erfahrungsformen zwischen innen und außen pendeln. Die Mystik, so könnte man sagen, wendet sich zunächst nach innen, um schließlich in ihren durch Reflexionssubjektivität generierten Erfahrungsbeschreibungen wieder im Außen der Schrift aufzutauchen. Ästhetische Wahrnehmung hingegen könnte man als vom Sinnlichen ausgehende und im Wechselspiel mit der Reflexionssubjektivität zustande kommende Erfahrung beschreiben, die unter bestimmten Bedingungen als bildnerische oder sprachliche Transformation erneut nach außen tritt.

Der Versuch, die Beziehungen zwischen außen und innen innerhalb der jeweiligen Erfahrungsform nachzuzeichnen, deutet schon an, dass die Unterscheidung zwischen innen und außen relativ ist. Die Einsicht der modernen Ästhetik, dass Wahrnehmung und Reflexion nicht entkoppelt werden können, bringt noch deutlicher vor Augen, dass innen und außen in der Einheit von Wahrnehmung und Reflexionssubjektivität zusammenfallen. Stellen die unterschiedlichen Blickrichtungen von Mystik und Ästhetik demnach gar kein so einschneidendes Differenzmoment dar? Die vorangegangenen Überlegungen können jedenfalls dazu anregen, die Unterscheidung von innen und außen mit einer gewissen Skepsis zu handhaben.

Gleichwohl eröffnet sie Perspektiven, auch in historischer Hinsicht. Betrachtet man Mystik und Ästhetik unter kulturhistorischem Aspekt, so wird deutlich, dass ihr jeweiliges Aufkommen im dritten und im 18. Jahrhundert Stufen eines Prozesses markiert, der durch eine unterschiedliche Bewertung von Sinnlichkeit gekennzeichnet ist.

Suchte die Mystik, durchdrungen von platonischer Philosophie, im Innenraum nach Wahrheit, so ist die Geschichte abendländischen Denkens als ein Prozess der Aufwertung der äußeren Wirklichkeit lesbar, der in der Ästhetik selbstreflexiv wird. Es lässt sich denken, dass von dieser Verschiebung der Aufmerksamkeit von innen nach außen - und ihrer erneuten Rückbindung an die leiblich fundierte Reflexivität - auch existentielle Grunderfahrungen mitbetroffen sind. Die Hypothese einer partiellen Verwandlung von Mystik in Ästhetik gewinnt vor diesem Hintergrund zusätzliche Plausibilität.

Eine mystische Konzeption, die den Weg nach innen zwar auch als Aufstieg zu höherwertiger Erkenntnis beschreibt, dabei aber Sinnlichkeit einbezieht, ist Hugo von St. Viktors Lehre vom "dreifachen Auge der Erkenntnis".[20] Sie kommt modernen ästhetischen Konzeptionen erstaunlich nahe und verdient als eine die unterschiedlichen Blickrichtungen integrierende mystische Theorie in diesem Zusammenhang Beachtung.

Umfassende Erkenntnis ist nach diesem Konzept nur möglich durch die aufeinander aufbauende Integration der drei Erkenntnisvermögen: des Auges des Fleisches, des Auges des Verstandes und des Auges der Kontemplation. Letztere gilt Hugo von St. Viktor als "der deutliche, freie und allseitige Blick des Geistes in die Dinge", darauf gerichtet, "vieles oder sogar alles zu erfassen". Die Kontemplation "ist jene Lebendigkeit der Einsicht, die alles gegenwärtig hat".[21]

Diese Beschreibung der mystischen Kontemplation als eine Sinnlichkeit und Reflexion noch einmal intuitiv integrierende Erkenntnisweise weist Ähnlichkeiten mit Thomas Lehnerers Konzeption des ästhetischen Empfindens als "Empfinden aus Freiheit" auf. Dieses kommt nach Lehnerer durch die Aufmerksamkeit für das "Ganze meiner Innerlichkeit"[22] als Gesamtheit des freien Spiels aller sinnlichen und intellektuellen Kräfte zustande. Die Lehre vom dreifachen Auge der Erkenntnis kann somit als Antizipation moderner Ästhetik interpretiert werden.

Die Aktualität des Mystischen

Die Aktualität des Mystischen hat zwei Gesichter. Sie zerfällt in die Neomystik des New Age und den akademischen Mystikdiskurs. Beide Tendenzen haben kaum Berührungspunkte. Die Neomystik des New Age ist praktisch orientiert; Motive klassischer Mystik werden im Zeichen einer universalen Spiritualität wiederentdeckt und als Antizipationen eines New Age-Bewußtseins lange vor dem Aufkommen von New Age interpretiert.[23 In der Verwendung von Begriffen wie Spiritualität statt Mystik zeigt sich die Distanznahme zum Mystikdiskurs des institutionell etablierten Christentums.

Dem Mystikinteresse des New Age-Komplexes steht ein theologisches, philosophisches und kulturwissenschaftliches gegenüber.[24] Innerhalb der Theologie sind es vor allem Katholiken, die sich der Mystik zuwenden. Nicht wenige sehen in ihr die Zukunftshoffnung des Christentums, allen voran der katholische Theologe Karl Rahner. Er schrieb schon Ende der 60er Jahre: "Der Fromme von morgen wird ein ‘Mystiker’ sein, einer, der etwas ‘erfahren’ hat, oder er wird nicht mehr sein."[25]

Neben dem Erfahrungsaspekt macht die negative Theologie als bevorzugte Reflexionsform der mystischen Erfahrung die Mystik für heutiges theologisches Denken interessant.[26] Mit ihrer Radikalisierung des Bilderverbots entgeht die negative Theologie einigen Plausibilitätsproblemen anthropomorpher und metaphysischer Gottesrede. Indem sie Gott als das gegenüber Mensch und Welt radikal Andere interpretiert, eignet sie sich für Rehabilitationsversuche religiösen Denkens in postmodernen Zeiten.

Die im theologischen Mystikdiskurs angezielte Erfahrungstherapie des Christentums reagiert dabei zugleich auf den weitgehenden Ausfall[27] religiöser und mystischer Erfahrung im kirchlich organisierten Christentum der Gegenwart. Neben der Klage über die Erfahrungsarmut im Christentum ist das theologische Nachdenken über Mystik im Unterschied zur Neomystik des New Age allerdings weitgehend mit historischem Material befasst.

Ist eine Wiederauferstehung der alten Mystik im Kontext des Religiösen also nur im glattgeschliffenen New Age-Design noch möglich, nicht aber auf der Höhe des intellektuellen Diskurses? Diese Möglichkeit würde in die Indizienkette passen, die auf die Verwandlung von Mystik in Ästhetik deutet.

Im Blick auf das gesamte Feld gegenwärtigen Mystikinteresses scheint mir eine soziologische Beobachtung das Bild zu ergänzen. Es ist die Vermutung, dass es vor allem die Möglichkeit ist, "in der Welt einen Schritt hinter die Welt"[28] zurückzutreten, die die Mystik in Zeiten gesteigerter gesellschaftlicher Polykontextualität attraktiv macht. Die Mystik verspricht Einheits- und Identitätserfahrungen und damit Entlastung von der Anstrengung chronischer Differenzerfahrungen im Kontext radikaler Pluralität. Aus medienkritischer Sicht kann hinzugefügt werden: Sie verspricht "reale Gegenwart"[29] statt Telepräsenz, die Originalität und Unmittelbarkeit des Hic et Nunc gegenüber der Wiederholbarkeit und Medialität einer elektronisch erzeugten Gegenwart.

Topoi mystischer Erfahrung

"Es gibt keine Mystik an sich, sondern nur Mystik von etwas, Mystik einer bestimmten religiösen Form: Mystik des Christentums, Mystik des Islam, Mystik des Judentums und dergleichen."[30] Die von Gershom Scholem betonte Kontextualität mystischer Erfahrung gilt auch innerhalb der jeweiligen religiösen Tradition. Ein Anreißen zentraler Topoi der abendländischen Mystik kann darum nicht mehr sein als eine mit allen Mängeln systematisierender Verallgemeinerungen behaftete heuristische Skizze.

Das hervorstechendste Merkmal der mystischen Erfahrung ist ihr Einheitsaspekt.[31] In der "Unio mystica" verschmilzt der Mystiker mit dem Göttlichen. Die mystische Einheitserfahrung selbst ist ihrerseits eingebettet in einen Prozess der Vorbereitung, der durch Übungen der Selbstentäußerung und Askese auf die durch vollkommene Passivität gekennzeichnete Gottesbegegnung zuläuft.

Auch Dionysius betont, dass Reinigung und Selbstentäußerung eine notwendige Bedingung für die mystische Unio sind. Er rät Timotheus, dem Adressaten seines Traktates Über die mystische Theologie:

"Lass nicht ab, Dich den geheimnisvollen Betrachtungen hinzugeben. Den Sinneswahrnehmungen gib (auf diese Weise) ebenso den Abschied wie den Regungen Deines Verstandes; was die Sinne empfinden, dem (entsage) ebenso wie dem, was das Denken erfasst, dem Nichtseienden ebenso wie dem Seienden. Statt dessen spanne Dich auf nicht-erkenntnismäßigem Wege, soweit es irgend möglich ist, zur Einung mit demjenigen hinauf, der alles Sein und Erkennen übersteigt. Denn nur wenn Du Dich bedingungslos und uneingeschränkt Deiner selbst wie aller Dinge entäußerst, wirst Du in Reinheit zum überseienden Strahl des göttlichen Dunkels emporgetragen, alles loslassend und von allem losgelöst" (S. 74).

Seine Vorstellung vom Weg der Entäußerung erläutert Dionysius am Beispiel Moses. Er schildert ihn als idealen Mystiker, der sich auf seine Gottesbegegnung auf dem Berg Sinai durch Reinigung vorbereiten muss, ehe er die Stätte Gottes schauen und schließlich mit ihm vereint werden kann (S. 75f.). Diese bei Origines schon angedeutete Dreistufigkeit des mystischen Weges von Reinigung, Erleuchtung und Einung bildet seit Dionysius eine Grundfigur mystischer Theologie.[32]

Dem Aspekt der Reinigung und Selbstentäußerung als Voraussetzung für das mystische Erkennen hat, fast ein Jahrtausend später, Meister Eckhart besondere Aufmerksamkeit gewidmet. "Abgeschiedenheit" ist sein Schlüsselwort für den Zustand der Distanznahme und Entleerung, der die Gotteserfahrung allererst ermöglicht.[33] "Erleiden" ist auf dem Weg zur Eckhartschen "Gottesgeburt" in der Seele "höchstes Wirken": "Und so, in dieser Weise, musst du dich aller deiner Betätigungen entschlagen und alle deine Kräfte zum Schweigen bringen, wenn du wirklich diese Geburt in dir erfahren willst."[34] Die Selbstentäußerung ist dabei zwar Voraussetzung, nicht aber Garantie für das Gottfinden. Es gibt nach Eckhart kein Rezept für die mystische Gotteserfahrung.[35]

Um die Notwendigkeit der Passivität und des Loslassens zu veranschaulichen, bedient sich Eckhart auch ästhetischer[36] Kategorien: "Soll mein Auge die Farbe sehen, so muss es ledig sein aller Farbe. Sehe ich blaue oder weiße Farbe, so ist das Sehen meines Auges, das die Farbe sieht, dasselbe wie das, was da gesehen wird mit dem Auge. Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist dasselbe Auge, darin mich Gott sieht; mein Auge und Gottes Auge, das ist ein Auge, und ein Sehen und Erkennen und ein Leben."[37]

Eine weitere zentrale Kategorie der mystischen Erfahrung ist Gegenwart. Der Mystikforscher Bernard McGinn hält Gegenwart sogar für die gegenüber Einheit "zentralere und angemessenere Kategorie, um den gemeinsamen Nenner in der Vielfalt christlicher Mystik zu erfassen."[38] Texte christlicher Mystik zeugten von einem unmittelbaren Bewusstsein der Gegenwart Gottes. Diese Gegenwart wird auch als Einbruch der Ewigkeit in die Zeit beschrieben. Paradoxe Formeln wie Eckharts Rede vom "ewigen Nun"[39] versuchen, diesen Sachverhalt in Worte zu fassen.

Eng verknüpft mit dem Gegenwartsaspekt ist die Zweckfreiheit der mystischen Erfahrung. Sie ist Selbstzweck und damit höchster Wert. Sie befreit dadurch von der "Kaufmannschaft" weltlichen Denkens. Ihr Freiheitscharakter wird besonders von Eckhart herausgestellt.[40]

Einig sind sich alle Mystiker darin, dass sich die mystische Erfahrung nicht vollständig in Sprache übersetzen läßt.[41] "Denn je mehr wir zum Höheren hinstreben, um so mehr ersterben uns die Worte", stellt Dionysius fest und führt aus: "Ist das Ende jeden Aufstiegs erreicht, wird unsere Rede vollends verstummen und mit dem ganz einswerden, der unaussprechlich ist" (S. 78). Schweigen ist die letzte Konsequenz dieser Vereinigung, negative Theologie für Dionysius die Darstellungsform, die ihr am nächsten kommt. Durch "bloßes Weghauen" legt sie das verborgene Bild Gottes frei. Dieses selbst ist inkommunikabel. Es kann nicht beschrieben werden.

In Eckharts Mystik findet sich eine Gottesdefinition, die auf einen möglichen Erklärungszusammenhang für diese Inkommunikabilität hinweisen könnte. "Gott", schreibt Eckhart, "aber unterscheidet sich durch seine Ununterschiedenheit."[42] Gott wäre demnach durch Differenzlosigkeit charakterisiert, und Differenzlosigkeit lässt sich per se nicht beobachten. Sie ist dem Blick entzogen, weil Beobachten gerade in der Bildung von Differenzen besteht.[43] Niklas Luhmann und Peter Fuchs resümieren vor dem Hintergrund dieser bedeutungstheoretischen Überlegungen: "Mystik hat es mit der Beobachtung von Selbstreferenz zu tun."[44]

Wenn Mystiker gleichwohl alle Mittel der Sprache, insbesondere negative, paradoxe und poetische Redeformen[45], bemühen, um sich zumindest partiell mitzuteilen, so vor allem, weil sie zum Nachvollzug ihrer Erfahrungen anleiten wollen.[46] In diesem Versuch, das Unsagbare gleichwohl zu sagen, sind manche Mystikerinnen und Mystiker zu bedeutenden Sprachschöpfern geworden. Das Paradigma ist Meister Eckhart.[47]

Ästhetische Korrespondenzen

Welche ästhetischen Topoi korrespondieren den skizzierten Merkmalen des Mystischen? Bei dem Versuch, den mystischen Kategorien Einheit, Reinigung, Gegenwart, Zweckfreiheit und Unsagbarkeit ästhetische Elemente zuzuordnen, wird in eklektischer Weise auf die Vorratskammern des zeitgenössischen ästhetischen Denkens zurückgegriffen.

"Eines zu sein mit allem, was lebt, in seliger Selbstvergessenheit wiederzukehren ins All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und Freuden."[48] Die Formulierung aus Hölderlins Hyperion-Roman, die wahlweise als naturmystisch oder naturästhetisch interpretiert werden kann, verweist auf das vorrangige ästhetische Korrespondenzfeld der mystischen Einheitserfahrung: auf die Naturästhetik.

In ihrem Kontext findet das Motiv des Pathischen und Partizipativen gegenwärtig in den naturästhetischen Überlegungen Gernot Böhmes besondere Aufmerksamkeit.[49] Im Mittelpunkt steht der aisthetisch konzipierte Begriff der "Atmosphäre" als gemeinsamer "Wirklichkeit des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen".[50] Atmosphären wahrnehmend "treten wir ein in eine gemeinsame Wirklichkeit mit den Naturdingen".[51]

Wenn die Sinnesorgane als "Antworten des Organismus auf die Ansprache der Natur" interpretiert[52] werden können und etwa Farbigkeit als die ubiquitäre Anwesenheit eines Dinges[53] verstanden werden kann, ist man nicht mehr weit von Eckharts religiöser Wahrnehmungstheorie entfernt. Die Beschreibungen der Phänomene erscheinen wie ästhetische Reformulierungen mystischer Hingabe- und Vereinigungstheorie, in denen das Loslassen und Leerwerden nun nicht mehr der Vorbereitung auf die Unio mystica mit dem Göttlichen dient, sondern auf das leibliche Ergriffenwerden von den Atmosphären der jeweiligen Umgebungen einstimmen soll. Die Natur tritt hier an die Stelle Gottes.

Ähnliches gilt für die ästhetischen Überlegungen Martin Seels im Blick auf die mystischen Momente Gegenwart und Zweckfreiheit. In seiner Naturästhetik formuliert Seel als Bestimmung des Ästhetischen: "Ästhetisch ist eine Wahrnehmung, die sich in vollzugsorientierter Aufmerksamkeit an die sinnliche und/oder sinnhafte Präsenz und Prägnanz ihrer Gegenstände hält."[54] Diese Wahrnehmung kann kontemplativ, korresponsiv oder imaginativ geprägt sein. Sie ist am reinsten vollzugsorientiert, also gegenwartsbezogen in der Wahrnehmung selbst verweilend, und sinnlich bestimmt in der Kontemplation. Seel definiert diese als "interesselose sinnliche Wahrnehmung", die von allen Absichten, Affekten und Sinnzuschreibungen abstrahiert.[55] Sie hält sich allein an die Besonderheit der augenblicklichen Erscheinung der Dinge. Diese Konzentration auf den "Zeit-Raum" der Wahrnehmung kann uns in "einen Zustand erfüllter Freiheit gegenüber unseren pragmatischen Orientierungen"[56] versetzen. Ihr Gewinn ist Unterbrechung der chronischen Instrumentalität durch Selbstzweckhaftigkeit.[57] Ästhetische Erfahrung bildet so einen Gegenpol zur ubiquitären Zweckhaftigkeit einer durchökonomisierten Lebenswelt, in der keine zweckfreien Räume mehr existieren. Dieses Charakteristikum der zweckfreien Kontrasterfahrung teilt sie mit dem Mystischen.

Der Unsagbarkeit der mystischen Erfahrung korrespondiert die Unübersetzbarkeit des Bildes. Sie wurzelt in seiner Selbstreferentialität. Denn das Kunstwerk "hat nicht repräsentativen, sondern präsentativen Charakter, ist Darstellung von etwas (...), das nur in dieser Darstellung, im Sinnlichen, zur Darstellung gelangen kann."[58] Der "sinnlich organisierte Sinn" der Bilder lässt sich nicht sprachlich repräsentieren.[59] "Die Ununterscheidbarkeit von Sein und Erscheinung im Bilde darf (...) im wörtlichen Sinne namenlos, sprachlos, a-phon und schweigsam heißen."[60] Die Identität von Sinn und Sinnlichkeit behauptet eine "Alterität gegenüber jeder begrifflichen oder sprachlichen Vereinnahmung".[61] Ihr Kern ist Schweigen. Sprachliche Annäherungen sind unabschließbar, weil sie Unfasslichste zum Gegenstand haben.

Von der Mystik zur Ästhetik

Die vielfältigen Korrespondenzen zwischen zentralen Topoi christlicher Mystik und Motiven modernen ästhetischen Denkens haben weitere Parallelen zwischen mystischer und ästhetischer Erfahrung sichtbar gemacht.

Blickt man nach diesem Streifzug durch mystische und ästhetische Regionen vom Standpunkt heutiger Ästhetik auf die Mystik zurück, so scheint die ästhetische Kontemplation die Form ästhetischer Wahrnehmung zu sein, die der mystischen Erfahrung am nächsten kommt. Wie der Mystik geht es ihr darum, durch die Reinigung von allen Sinnzuschreibungen, Interessen und Affekten das Wahrgenommene möglichst rein hervortreten zu lassen. Seine Gegenwart aber ist die Präsenz der Natur, der Kunst oder des Anderen - nicht die Gegenwart Gottes. Wie diese vermittelt sie eine Erfahrung von Selbstwert, die nicht vollständig in Sprache übersetzt werden kann. Ihr Zentrum ist Schweigen. Denn der sinnlich organisierte Sinn der Bilder lässt sich sprachlich nicht einholen. So wenig wie das mystisch Geschaute.

Gleichwohl lassen weder das Schweigen der Bilder noch die Unsagbarkeit Gottes verstummen. Das Gegenteil ist der Fall: "Mystik ist mit Kommunikation und nicht mit Schweigen beschäftigt", konstatieren Niklas Luhmann und Peter Fuchs[62] zu recht, und auch der Kunstdiskurs gibt sich nicht gerade wortkarg, wie von Georg Steiner eloquent beklagt wurde.

Das Schweigen der Bilder und das Schweigen der Mysterien appelliert offenbar an unser Sprechen. Kommentarlos bleibt das Gesehene stumm und außerhalb der Erfahrung. "Das Sein", sagt Maurice Merleau-Ponty, "verlangt Schöpfungen von uns, damit wir es erfahren."[63] Mystik und Ästhetik können als solche Schöpfungen gelten. Sie antworten auf den Appell des Anderen der Vernunft, bringen es zur Erfahrung und nehmen ihm so einen Teil seiner Fremdheit. Ästhetische Poiesis und religiöse Interpretation dienen als Reflexions- und Sprachformen darin beide dem menschlichen Bedürfnis nach Beheimatung in einer fremden Welt.[64]

Ästhetische Erfahrung könnte dabei als eine in erster Linie durch den Blick nach außen gewonnene Alteritätserfahrung beschrieben werden, mystische Erfahrung als introspektiv zustande kommende Erfahrung von Andersheit.

Hinsichtlich der kulturellen Präsenz dominiert heute die Ästhetik. Der Mystikdiskurs ist ihr gegenüber gebrochen und fällt in eine historisch orientiere Theoriearbeit und eine praktisch ausgerichtete Spiritualität ohne Bezug zum aktuellen Denken auseinander. Auf der Höhe des Gegenwartsbewußtseins wird das Andere der Vernunft heute im Ästhetischen erfahren. Zugleich erkennen wir aus der Perspektive heutiger Ästhetik, dass Elemente der alten Mystik wie etwa die Lehre vom dreifachen Auge der Erkenntnis als Vorformen moderner Ästhetik interpretiert werden können und in Ästhetik übergegangen sind.

Diente das Beispiel von Jean-Francois Lyotards Ästhetik des Erhabenen eingangs als Hinweis auf die Verwandlung von Mystik in Ästhetik, so kann es zum Schluss noch einmal auf Differenzen mystischer und ästhetischer Alteritätserfahrungen aufmerksam machen. Erfuhr Dionysius Areopagita das Andere der Vernunft in der Vereinigung mit der "Allursache" Gott, so begegnet es Lyotard im Gewahrwerden eines Ereignisses, das weder Ursprung noch Einheit kennt.[65] Seine Signatur ist Differenz.[66] Es zeugt von nichts anderem mehr als von sich selbst.[67] Das unterscheidet Lyotards Konstruktion des Erhabenen vom Identitätsdenken der abendländischen Mystik und Theologie.

Lyotards gesprächsweise geäußerten Überlegungen zum Absoluten[68] markieren weitere Differenzen und können das Problem der Verwandlung von Mystik und Theologie in Ästhetik und Philosophie abschließend noch einmal aus postmoderner Perspektive beleuchten:

"In Ihrem Essay ‘Die Philosophie in der Zone’ sprechen Sie vom Absoluten als Gegenbegriff zur ästhetischen Megalopole und beschreiben den Philosophen als jemanden, der dem fehlenden Absoluten nachspürt. Was kann er entdecken, wenn dieses Absolute zugleich das Nichts ist? Was kann er anderes tun, als die Varianten der Klage zu formulieren? Was kann er sichtbar machen?

Es ist nicht seine Aufgabe, etwas sichtbar zu machen. Er kann es nicht sichtbar machen. Vernehmbar vielleicht. Aber es ist doch kein Problem, dass das Absolute das Nichts ist. Es ist beinahe die Definition des Absoluten, denn das Absolute ist das, was ohne Bezug ist. Was aber keinen Bezug zu etwas hat, ist wie das Nichts. Es ist das alte Problem der negativen Theologie. Das findet man schon bei Meister Eckhart oder bei Giordano Bruno. Das heißt ganz einfach, dass man über Gott, sofern er der Name des Absoluten ist, nichts sagen kann. Zugleich zieht es sich durch die ganze mystische Tradition. Aber es ist gar nicht notwendig, auf die Mystik zurückzugehen, die negative Theologie ist nicht die Mystik. Da wir aber das Absolute nicht mehr benennen können, nennen wir es Gott.

Trotzdem gibt es eine Beziehung zu jenem Ding, dem es gerade an Bezug mangelt. Sie sehen schon, ich spreche immer über dasselbe, denn diese Sache schwebt nicht irgendwo weit über unseren Köpfen, sie steckt in uns, sie ist die Quelle unseres Widerstreites mit uns selbst.

Verhandeln nicht die Religionen in mythologischer Form genau diese Thematik des fehlenden Absoluten?

Das kann man gut so sagen. Aber die Tatsache, dass sie dies mythologisch tun, ist sehr wichtig. Denn Mythos, das heißt Fabel, das bedeutet, dass man Geschichten über das, was fehlt, erzählen konnte. Das Christentum ist auch so eine Fabel. Sie erzählt die Geschichte des Gottes, der fehlt, und zwar trotz seiner Inkarnation. Doch Sie können sich denken, dass wir über das Absolute keine Fabel mehr zu erzählen haben."

Die Mystik weiß um das Problem der Mythologie. Im Modus der Negation versucht sie, Mythologie und Subjektivität hinter sich zu lassen und mit dem Absoluten eins zu werden. In der Unio mystica scheint ihr das zu gelingen: Für Augenblicke scheint die Differenz zwischen Subjekt und Objekt aufgehoben, Identität mit dem Absoluten erscheint möglich.

Anmerkungen
  1. Jean-Francois Lyotard: Das Erhabene und die Avantgarde. In: ders.: Das Inhumane, Plaudereien über die Zeit. Wien 1989, S.159-187, S.165. Vgl. zu dieser Thematik auch den Aufsatz von Ernst Müller in diesem Band.
  2. Lyotard: Der Augenblick. Newman. Ebd., S. 141-157, S. 155.
  3. Vgl. Bernard McGinn: Die Mystik im Abendland. Freiburg, Basel, Wien, 1994, S.9; Josef Früchtl: Ästhetische Erfahrung und Einheit der Vernunft. Thesen im Anschluss an Kant und Habermas. In: Perspektiven der Kunstphilosophie. Texte und Diskussionen, hrsg. v. Franz Koppe. Frankfurt/M. 1991, S. 147-164, S. 147.
  4. Zu den wenigen Autoren, die diese Fragestellung aus philosophischer Sicht angeschnitten haben, gehört der Philosoph Karl Albert. Vgl. ders.: Einführung in die philosophische Mystik. Darmstadt 1996, bes. S. 186 ff.
  5. So der Titel des Heftes 2/1988 der Zeitschrift kunst und kirche.
  6. Gottfried Boehm: Wege der Entgrenzung. In: kunst und kirche, 2/1988, S. 72-73.
  7. Vgl. Horst Schwebel: Bildverweigerung im Bild. Mystik - eine vergessene Kategorie in der Kunst der Gegenwart. In: Kirche und moderne Kunst, hrsg. v. Andreas Mertin/Horst Schwebel. Frankfurt/M. 1988, S. 113-123.
  8. Mit etwas anderen Akzenten verfolgt Thomas Rentsch die gleiche Fragestellung. Er interpretiert den eschatologischen Begriff der visio Dei beatifica als Vorgestalt moderner Bestimmungen ästhetischer Erfahrung von Baumgarten bis Adorno. Ästhetische Erfahrung "postfiguriert die traditionelle eschatologische Glücksverheißung". Rentsch rekapituliert die für die gesamte Theologie- und Philosophiegeschichte zentrale Rede von der Schau Gottes, um vor diesem Hintergrund dann die eschatologische Ästhetik des Duns Scotus als präzise Präfiguration moderner Ästhetik und Umschlagspunkt von religiöser in ästhetische Erfahrung zu interpretieren. Im Unterschied zum vorliegenden Text, der vor allem mit systematischen Skizzen operiert, liefert Rentsch eine historisch präzise Rekonstruktion der Kontinuität religiöser und ästhetischer Begrifflichkeiten. Seine Arbeit stützt und ergänzt meinen Versuch in vielerlei Hinsicht.
  9. Hans Urs von Balthasar, Dionysius. In: Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik, Bd. II: Fächer der Stile, Einsiedeln 1962, S. 147-218, S. 171.
  10. Bernard McGinn (Anm. 3), S. 233.
  11. Jacques Derridas Jerusalemer Vortrag Wie nicht sprechen. Verneinungen (hrsg. von Peter Engelmann, Wien 1989) setzt sich mit der negativen Theologie hauptsächlich anhand von Texten Dionysius Areopagitas auseinander.
  12. Das Corpus Dionysiacum umfasst vier Traktate und zehn Briefe (und wurde unlängst von Beate Regina Suchla, Günter Heil und Adolf Martin Ritter neu kritisch ediert und übersetzt): De divinis nominibus, De mystica theologia (dt. nach: Pseudo-Dionysius Areopagita, Über die mystische Theologie und Briefe, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Adolf Martin Ritter, Stuttgart 1994, Bibliothek der griechischen Literatur, Bd. 40, S. 74-89, die Seitenangaben im fortlaufenden Text beziehen sich auf diese Publikation), De caelesti hierarchia, De ecclesiastica hierarchia sowie die Briefe.
  13. Thomas Lehnerer: Methode der Kunst. Würzburg 1994, S. 76.
  14. Ebd., S. 75f.
  15. Wolfgang Welsch: Ästhetische Grundzüge im gegenwärtigen Denken. In: ders., Grenzgänge der Ästhetik. Stuttgart 1996, S. 62-105, S.88
  16. Vgl. Norbert Schneider: Alexander Gottlieb Baumgarten. In: ders.: Geschichte der Ästhetik von der Aufklärung bis zur Postmoderne. Stuttgart 1996, S. 21-29, S. 24f.
  17. In Abgrenzung zum Idealismus ist dabei auf die leibliche Vermitteltheit der Reflexivität hinzuweisen.
  18. Vgl. Martin Seel: Eine Ästhetik der Natur. Frankfurt/M. 1991, S. 35ff.
  19. Vgl. Louis Bouyer (1949): ‘Mystisch’ - Zur Geschichte eines Wortes. In: Das Mysterium und die Mystik. Beiträge zur Theologie der christlichen Gotteserfahrung, hrsg. v. Josef Sudbrack, Würzburg 1974, S. 57-75.
  20. Vgl. Eckard Wolz-Gottwald, Oculus triplex - Das dreifache Auge der Erkenntnis. Über die Notwendigkeit und die Möglichkeit eines authentischen Verständnisses christlicher Mystik. In: Internationale katholische Zeitschrift ‘Communio’ , 23. Jg., 1994, S. 248-259.
  21. Zitiert nach ebd., S. 252.
  22. Vgl. Thomas Lehnerer (Anm. 13), S. 75.
  23. Vgl. Josef Sudbrack: Die vergessene Mystik und die Herausforderungen des Christentums durch New Age, Würzburg 31990, S. 60 ff.
  24. Die wichtigsten Hinweise bei: Bernard McGinn: Die Mystik im Abendland, Bd. 1, Ursprünge. Freiburg, Basel, Wien 1994, S. 381ff., vgl. außerdem: Alois M. Haas: Mystik als Aussage. Erfahrungs-, Denk- und Redeformen christlicher Mystik. Frankfurt/M. 1996; Peter Dinzelbacher: Christliche Mystik im Abendland. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters. Paderborn, München, Wien, Zürich, 1994.
  25. Karl Rahner: Frömmigkeit früher und heute. In: ders.: Schriften zur Theologie VII, Einsiedeln 21971, S. 11-31, S. 19. Aus zeitdiagnostischer Sicht klingt der Satz plausibler, wenn man "Mystik" durch "Ästhetik" ersetzt: Der Fromme von morgen wird ein Ästhetiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.
  26. Vgl. Hans-Joachim Höhn: Einleitung: An den Grenzen der Moderne. Religion - Kultur - Philosophie. In: Krise der Immanenz. Religion an den Grenzen der Moderne, hrsg. v. dems. Frankfurt/M. 1996, S. 7-28, S. 21f.
  27. Vgl. Bernhard Welte: Das Licht des Nichts. Von der Möglichkeit neuer religiöser Erfahrung. Düsseldorf 1980, S.20ff.
  28. Niklas Luhmann und Peter Fuchs: Von der Beobachtung des Unbeobachtbaren: Ist Mystik ein Fall von Inkommunikabilität? In: dies., Reden und Schweigen. Frankfurt/M., 21992, S. 70-100, S. 99f.
  29. Vgl. dazu: George Steiner: Von realer Gegenwart. München, Wien 1990. Steiner plädiert gegenüber dem Sekundären und der Inflation medialer Kommentierungen für eine religiös aufgeladene Unmittelbarkeit im Umgang mit Kunstwerken. Er möchte den "grauen Morast" medialer Kommentierung mit einem metaphysischen Machtwort trockenlegen.
  30. Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Frankfurt/M. 1957, S. 6.
  31. Vgl. Alois M. Haas: Was ist Mystik? In: Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg 1984, hrsg. v. Kurt Ruh. Stuttgart 1986. S. 319-341, S. 319f.
  32. Vgl. Bernard McGinn (Anm. 3), S. 255f.
  33. Vgl. Meister Eckhart: Die deutschen Werke, hrsg. von Josef Quint, Bd. V. Stuttgart 1958ff., S. 400, 2 - 401, 10, S. 412, 4 (hinfort: DW mit Band-, Seiten- und Zeilenzahl); vgl. auch: Alois M. Haas: Akualität und Normativität Meister Eckarts. In: ders. (Anm. 24), S. 336-410, S. 353ff. u. 403.
  34. Meister Eckhart: Deutsche Predigten und Traktate, hrsg. von Josef Quint. München 1963, S. 431, 26-30.
  35. Vgl. Alois M. Haas (Anm. 24), S. 353.
  36. In einem weiten aisthetischen, d.h. wahrnehmungstheoretischen Sinne.
  37. DW I, S. 201, 2-5.
  38. Bernard McGinn (Anm. 3), S. 16.
  39. DW I, S. 34, 2.
  40. Vgl. Kurt Ruh: Meister Eckhart, Theologe, Prediger, Mystiker. München 1985, S. 191f.
  41. Vgl. Bernard McGinn (Anm. 3), S. 16f.
  42. Meister Eckhart: Die lateinischen Werke, hrsg. von Josef Koch u.a. Stuttgart 1936ff., Bd. II, S. 112, 7 (hinfort: LW mit Band-, Seiten- und Zeilenzahl).
  43. Vgl. dazu den erwähnten Aufsatz von Niklas Luhmann und Peter Fuchs (Anm. 28).
  44. Ebd., S. 98.
  45. Vgl. Alois M. Haas (Anm. 24), bes. S. 110ff.
  46. Vgl. Bernard McGinn (Anm. 3), S. 16.
  47. Eckharts Übersetzer Hermann Büttner behauptet gar: "Die Grenzen des Ausdrückbaren hat er in einem Maße hinausgerückt wie außer ihm nur Goethe"; zitiert nach: Josef Quint (1953): Mystik und Sprache. Ihr Verhältnis zueinander, insbesondere in der spekulativen Mystik Meister Eckarts. In: Altdeutsche und altniederländische Mystik, hrsg. v. Kurt Ruh. Darmstadt 1964, S. 113-151, S. 124. Vor allem durch die Neubildung von Abstrakta mit Hilfe der Suffixe "heit" und "ung" (Gottheit, Menschheit, Kindheit, Gelassenheit, Bildung, Anschauung, Bewegung usw.) hat Eckhart die Ausdrucksmöglichkeiten der deutschen Sprache erheblich erweitert, vgl. ebd., S. 146ff.
  48. Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke III, hrsg. v. Friedrich Beißner. Stuttgart 1957, S. 8f.
  49. Gernot Böhme: Atmosphäre, Essays zur neuen Ästhetik. Frankfurt/M. 1995.
  50. Ders.: Atmosphäre als Grundbegriff einer neuen Ästhetik. In: ebd., S. 21-48, S. 34.
  51. Ders.: Ästhetische Naturerkenntnis. In: ebd., S. 177-190, S. 190.
  52. Ders.: Das Ding und seine Ekstasen. Ontologie und Ästhetik der Dinghaftigkeit. In: ebd., S. 155-176, S. 156f.
  53. Ebd., S. 171.
  54. Martin Seel (Anm. 18), S. 35.
  55. Vgl. ebd., S. 51.
  56. Ders.: Ästhetik und Aisthetik. Über einige Besonderheiten ästhetischer Wahrnehmung, Ms. Hamburg 1993, S. 32.
  57. Vgl. ders. (Anm. 18), S. 197.
  58. Josef Früchtl (Anm. 3), S. 158.
  59. Gottfried Boehm: Bildsinn und Sinnesorgane. In: Ästhetische Erfahrung heute, hrsg. v. Jürgen Stöhr. S. 148-165, S. 149.
  60. Ders.: Zu einer Hermeneutik des Bildes. In: Seminar: Die Hermeneutik und die Wissenschaften, hrsg. v. Gottfried Boehm/Hans-Georg Gadamer. Frankfurt/M. 1978, S. 444-471, S. 450.
  61. Ders. (Anm. 59), S. 155.
  62. Niklas Luhmann und Peter Fuchs (Anm. 28), S. 93.
  63. Maurice Merleau-Ponty: Das Sichtbare und das Unsichtbare. München 1986, S. 254.
  64. Hans Robert Jauß hat diesen Gedanken im Blick auf die ästhetische Poiesis formuliert. Sie bezeichnet laut Jauß die "ästhetische Grunderfahrung, daß der Mensch sein allgemeines Bedürfnis, in der Welt heimisch und zu Hause zu sein, durch das Hervorbringen von Kunst befriedigen kann, indem er der Außenwelt ihre spröde Fremdheit benimmt", vgl. ders.: Kleine Apologie der ästhetischen Erfahrung. In: Jürgen Stöhr (Hg.) (Anm. 59), S. 15-41. S. 22. Auch Religion arbeitet an diesem Fremdheitsproblem, indem sie die Fremdheit mit einem Namen bannt: mit dem Namen Gottes.
  65. Jean-Francois Lyotard: Vorstellung, Darstellung, Undarstellbarkeit. In: ders.: Immaterialität und Postmoderne. Berlin 1985, S. 99.
  66. Vgl. ders.: Beantwortung der Frage: Was ist postmodern? In: Postmoderne und Dekonstruktion. Texte französischer Philosophen der Gegenwart, hrsg. v. Peter Engelmann. Stuttgart 1990, S. 33-48, S. 48.
  67. Ders.: Das Erhabene und die Avantgarde. In: ebd., S. 165.
  68. Das vom Verfasser am 17.6.1994 in Hamburg geführte Gespräch wurde in Teilen in der "tageszeitung" (Freischwebende Reste, 13.8.1994, S. 14f.) veröffentlicht.

© Jörg Herrmann 2006
Magazin für Theologie und Ästhetik 39/2006
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