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Magazin für Theologie und Ästhetik


Weblog 39

Das Weblog enthält kurze weiterführende Hinweise und Kommentare aus dem Bereich von Theologie und Ästhetik, Kirche und Kunst. Wenn Sie Nachrichten und Berichte für das Weblog haben, schicken Sie diese mit maximal 8 Zeilen an weblog@theomag.de

 

Leon de Winter erhält Buber-Rosenzweig-Medaille

[7.3.2006]
Der niederländische Schriftsteller Leon de Winter erhielt die diesjährige Buber-Rosenzweig-Medaille. Er gilt nicht nur als großer Erzähler, sondern auch als scharfer Kritiker des islamischen Fundamentalismus. Zum Auftakt der "Woche der Brüderlichkeit" wurde dem 51jährigen Leon de Winter am 5. März in Berlin die Buber-Rosenzweig-Medaille der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit verliehen. Die Auszeichnung gilt dem besonderen Engagement für die Verständigung zwischen den Religionen. Geehrt wurde "ein Schriftsteller, der mit Mut und Furchtlosigkeit und auf unkonventionelle Art die Schwachstellen der europäischen Gesellschaft aufzeige", hieß es bei der Preisverleihung.
[Red.]

Parapluie 22: Zeugenschaft

[02.03.2006]
Die 22. Ausgabe von parapluie, der elektronischen Zeitschrift für Kulturen, Künste und Literaturen befasst sich mit dem Thema "Zeugenschaft". Die Redaktion schreibt dazu: "Aus Zeugenschaft erwächst unsere Zukunft. Wen diese These überrascht, der denkt dabei immer noch zu einseitig nur zurück an zu bezeugendes Unheil, das sich vom tragischen Verkehrsunfall bis zur irreversiblen Geschichtskatastrophe erstrecken kann. Grundsätzlicher zu fragen aber ist auch mit Blick in die Zukunft, ob sich überhaupt authentisch von Menschheitskatastrophen, wie sie vor allem Genozide darstellen, berichten läßt und wer oder was die Zeugenfunktion für ein Ereignis übernimmt, wenn eines Tages keine Zeitzeugen mehr leben? Wie sieht ein Zeugenschaftskonzept aus, das über Zeugenaussagen und Augenzeugenberichte, die Authentizität und größtmögliche 'Objektivität' gewährleisten sollen, hinausgelangt, ist doch gerade dieser 'herkömmliche' Begriff von Zeugenschaft in einigen Diskurszusammenhängen möglicherweise eben nicht zureichend bzw. herstellbar? Unter dieser Fragestellung skizzieren die Beiträge in parapluie No. 22 das Phänomen der Zeugenschaft ebenso aus den Sichtweisen der Dokumentarfilmanalyse wie der Archäologie und reflektieren es bis hinein in die aktuelle Diskussion über das öffentliche Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.
[http://www.parapluie.de/]

Manifest

[01.03.2006]
After having overcome fascism, Nazism, and Stalinism, the world now faces a new totalitarian global threat: Islamism. We, writers, journalists, intellectuals, call for resistance to religious totalitarianism and for the promotion of freedom, equal opportunity and secular values for all. The recent events, which occurred after the publication of drawings of Muhammed in European newspapers, have revealed the necessity of the struggle for these universal values. This struggle will not be won by arms, but in the ideological field. It is not a clash of civilisations nor an antagonism of West and East that we are witnessing, but a global struggle that confronts democrats and theocrats. Like all totalitarianisms, Islamism is nurtured by fears and frustrations. The hate preachers bet on these feelings in order to form battalions destined to impose a liberticidal and unegalitarian world. But we clearly and firmly state: nothing, not even despair, justifies the choice of obscurantism, totalitarianism and hatred. Islamism is a reactionary ideology which kills equality, freedom and secularism wherever it is present. Its success can only lead to a world of domination: man's domination of woman, the Islamists' domination of all the others. To counter this, we must assure universal rights to oppressed or discriminated people. We reject « cultural relativism », which consists in accepting that men and women of Muslim culture should be deprived of the right to equality, freedom and secular values in the name of respect for cultures and traditions. We refuse to renounce our critical spirit out of fear of being accused of "Islamophobia", an unfortunate concept which confuses criticism of Islam as a religion with stigmatisation of its believers. We plead for the universality of freedom of expression, so that a critical spirit may be exercised on all continents, against all abuses and all dogmas. We appeal to democrats and free spirits of all countries that our century should be one of Enlightenment, not of obscurantism.
[Ayaan Hirsi Ali - Chahla Chafiq- Caroline Fourest - Bernard-Henri Lévy - Irshad Manji - Mehdi Mozaffari - Maryam Namazie- Taslima Nasreen- Salman Rushdie- Antoine Sfeir- Philippe Val - Ibn Warraq]

Louis Bourgeois - Kunsthalle Bielefeld 12.3.-5.6.2006

Die Angst, nicht als Junge, sondern als unerwünschtes Mädchen auf die Welt gekommen zu sein, die Angst, nicht gebraucht zu werden, die Angst, im konfliktreichen Leben der Eltern als bloße Schachfigur zu dienen, die Angst schließlich, als Ehefrau, Mutter und Künstlerin zu versagen: Louise Bourgeois, 1911 in Paris geboren, studierte zuerst an der Sorbonne Mathematik und Geometrie, um ab 1936 mehrere Pariser Kunstschulen und Künstlerateliers zu besuchen. An der Ecole du Louvre belegte sie das Fach Kunstgeschichte. Für ihren Ehemann Robert Goldwater, einen Kurator am Museum of Modern Art, verließ sie 1938 ohne Studienabschluss die Heimat und ging nach New York. 1940 adoptierten beide ihren ersten Sohn, Michel, bis 1941 gebar sie selbst zwei Söhne, Jean-Louis und Alain. Ihr künstlerisches Werk, anfangs vor allem Gemälde zum Thema Familie, die in erheblicher Zahl zum ersten Mal in Bielefeld gezeigt werden, kreist nahezu ausschließlich um die Angst, mit ihrer Rolle nicht fertig zu werden. Es gibt die Frau als Körper ohne Arme, der ein Haus auf den Kopf gestülpt ist. Ihr Bildraum ist schmal und hoch, so dass sie sich nicht setzen und ausruhen kann. Die Kinder selbst und alle Familienmitglieder werden zu Beginn ihrer bildhauerischen Arbeit als Pflöcke, die schicksalhaft im Boden stecken, dargestellt. Die Körper weisen Fenster und Durchblicke auf, gelegentlich tragen sie Päckchen. Als »Personnages«, wie sie sie nennt, wirken sie stumm und gelähmt. 1968 entsteht »Fillette«, eine penisartige Latexform, die von einem Metalldraht durchbohrt von der Decke hängt. Mit »Destruction of the Father«, einem von Stoff umhüllten, mit Latex überzogenen Altar, geht sie ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes auf theatralische Weise dem väterlichen Element in ihrem Leben nach. Später entstehen die »Cells«, große metallische Räume, in denen ihre Kindheit dargestellt wird. In einer groß angelegten Retrospektive stellt die Kunsthalle Bielefeld einhundert Hauptwerke der großen Künstlerin als eine Auseinandersetzung mit der Familie vor. Es werden zwanzig Gemälde, fünfzig Zeichnungen und dreißig Skulpturen aus der Zeit von 1938 bis 2005 gezeigt. Der Katalog widmet dem Thema eine eindringliche Untersuchung.
[Kunsthalle Bielefeld]

Wirkungen

[27.02.2006]
Wirkt Christus also auch außerhalb des biblischen Wortes?
Peter Steinacker: Ja natürlich.
Heißt das, Christus kann auch in schöngeistiger Literatur wirken?
Peter Steinacker: Ja, aber ich brauche die Bibel dazu, um zu verstehen, dass es sich wirklich um Jesus Christus handelt.
[Aus dem Interview mit Kirchenpräsident Peter Steinacker in zeitzeichen im November 2005]

Encyclopédie: Sakrileg

[23.02.2006]
Angesichts der fortdauerenden Tendenz der christlichen Kirchen in Deutschland, die kulturellen Institutionen zur Selbstzensur in religiösen Fragen aufzurufen bzw. eine Verschärfung des § 166 zu fordern, erinnert das Magazin für Theologie und Ästhetik an einen Text, der vor 250 Jahren entstanden ist und das Thema Religion und ihre juristische Behandlung präzise behandelt. Es handelt sich um Louis de Jaucourts Artikel "Sakrileg" aus Diderots berühmter Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers:

SAKRILEG - Sacrilege (Kritik der Heiligen Schrift). Sacrilegium ist ein Wort, das aus sacra & legere gebildet wird & bedeutet, heilige Dinge an sich reißen oder entwenden. Sakrileg ist also der Diebstahl von heiligen Gegenständen; & wer sie raubt, heißt sacrilegus. So steht im zweiten Band der Gesammelten Werke Machiavellis, dass Lysimachus mehrere Sakrilege im Tempel beging, aus dem er viele goldene Gefäße entwendete. Das Wort Sakrileg wird auch in der Heiligen Schrift gebraucht, entweder für die Entweihung eines heiligen Gegenstandes oder für die Schändung einer heiligen Stätte durch den Götzendienst; denn so wird dort die Handlung bezeichnet, durch welche sich die Israeliten, die den madianitischen Töchtern gefallen wollten, zur Anbetung des Baal verleiten ließen (4 Mose 25,18). Da die Sakrilege gegen die Religion verstoßen, muss die Bestrafung der Schuldigen einzig & allein aus dem Wesen der Sache selbst abgeleitet werden; sie muss in der Entziehung der Vorzüge bestehen, welche die Religion verschafft, in der Vertreibung aus den Tempeln, dem zeitweiligen oder ständigen Ausschluss aus der Gemeinschaft der Gläubigen, der Vermeidung des Umgangs mit ihnen, der Verabscheuung, der Verdammung, der Verfluchung. Aber wenn der Richter das heimliche Sakrileg erforschen will, so führt er die Untersuchung über eine Handlungsweise durch, die eigentlich gar keiner Untersuchung bedarf; er hebt die Freiheit der Staatsbürger auf, indem er gegen sie den Fanatismus des ängstlichen & des kühnen Gewissens ins Feld führt. Das Übel entsprang aus der falschen Auffassung, dass man das göttliche Wesen rächen müsse; aber man muss dafür sorgen, dass das göttliche Wesen verehrt wird, & soll es niemals rächen; das ist eine vortreffliche Überlegung des Verfassers des Geistes der Gesetze.
Louis de Jaucourt

Déjà-vu

[13.02.2006]
Eine international bekannte und renommierte Nachrichtenagentur meldet heute Folgendes:
In einem ägyptischen Dorf sind am Montag mehrere tausend Gläubige zusammengeströmt, um eine 'göttliche' Antwort auf die in Europa veröffentlichten Karikaturen des Propheten Mohammed zu bestaunen. Bei dem Bauern Mohammed(!) Abu Dif im Dorf Tunis 500 Kilometer südlich von Kairo sei angeblich ein Kalb geboren worden, dessen Hautfalten die Schriftzeichen 'Es gibt nur einen Gott'(!!) bildeten, berichtete ein Polizeisprecher. Die Polizei sah sich nach eigenen Angaben gezwungen, den Menschenauflauf zu kanalisieren. Insgesamt 20.000 Menschen ließen sich bereits anlocken, um das Kalb zu sehen und zu berühren.
Ob es sich um einen Hoax handelt, wird nicht überliefert. Falls ja, ist er genial konstruiert. Das Goldene Kalb lässt grüßen!
[Red.; nach einem Hinweis von J.M.]

Öffentlich rechtliche Sprachverwirrung

12.02.2006
In einer Story der Tageschau zu den afrikanischen Kinderarmeen, die schildert, wie die Kinder rekrutiert werden, dass sie lernen, zu töten, um zu töten und ihren Führern bedinhungslos zu folgen, steht folgender Satz: "Konys Ideologie ist eine wirre Mischung aus alttestamentarischem Christentum, Islam und afrikanischen Naturglauben." - Alttestamentarisches Christentum - geht es noch dümmer? Soweit ich es sehe, kommt die Bezeichnung "alttestamentarisches Christentum" direkt aus dem Nationalsozialismus und ist ein Kampfbegriff, der dem Christentum unterstellte, zwischenzeitlich wieder zum Judentum geworden zu sein. Es ist schon grotesk, wie sprachlos Journalisten heute sein können.
[Red.]

Our own medial Jesus

[27.12.2006]
Das aktuelle Heft der Zeitschrift Ästhetik & Kommunikation beschäftrigt sich mit dem Thema "Religion und Visual Culture". In der Einleitung schreiben die Herausgeber: "Wenn man über das Verhältnis von Religion und visueller Kultur spricht, gerät man schnell auf vermintes Gelände. Ehe man sich versieht, ist man in einen Streit um Deutungshoheiten verwickelt, der schnell erahnen lässt, dsas das Streiten um Bilder keine Geschmacksfrage ist und das Nachdenken über Religion offenbar nicht der Vergangenheit angehört."
[Red.]