Now Doppelpunkt: Jetzt geht's los!...
Now, Jetzt, Nun.
"Nunc, quid est Ambach?" fragt Caesar im Asterix-Band: Zoff im Pott.
Now, wow, nyn, koh, in diesem Augenblick, that's it, yeah, superoberaffentittengeil.
Now Doppelpunkt.
Ein magischer Moment wird beschworen.
Da wird etwas auf den Punkt gebracht.
Und indem es auf den Punkt gebracht ist, ist es verschwunden.
Now Doppelpunkt.
Da geht's um Gegenwart, "ein vielfach merkwürdiges Wort" (DWb 5, 2281), wie die Gebrüder Grimm in ihrem Wörterbuch der deutschen Sprache vermerken.
Da wartet etwas mir gegenüber. Mir wartet etwas entgegen.
Gegenwart - Gegenwert - Gegenwirt - Gegenwort - Gegensatz. All dies ist belegt für das, was wir mit now: augenfällig machen. Gegenwart ist widerwärtig.
Die Gegenwart eines Gegenstandes - hier kommen wir merkwürdig zu stehen.
Wer wartet wen oder was - und wer lässt wen oder was warten?
Now Doppelpunkt.
Da geht's ums Praesens, um das, was vor dem Sinn da ist,
um das, was vor den Sinnen liegt - prae-sens.
Und es geht um Präsenz derjenigen, die performen.
Surprise the audience - Grund- und Vor-Satz aller gelungenen Präsentation.
Now Doppelpunkt.
Wie auch immer man dieses Phänomen beschreibt,
es ist das, worauf alles ankommt,
das, was die Sache entscheidet,
das, worauf alle gewartet haben.
Now Doppelpunkt.
Du kannst es nicht herstellen. Es stellt sich ein.
Du kannst es nicht festhalten. Es ist flüchtig.
Diesem flüchtigen Phänomen, das die Fülle schlechthin ist, denke ich in einem Dreisprung theologisch nach Now - Wow - Genau. Zunächst stelle ich einige grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis von Popkultur und Theologie an: now. In einem zweiten Punkt werde ich unterschiedliche Zeitvorstellungen aus der Geschichte der Theologie präsentieren: wow. Und schließlich stelle ich 2 Theologien vor, die dem now: in besonderer Weise verpflichtet sind: eine Theologie der Ahnung und eine Theologie der Unterhaltung - genau.
Theologie und Popkultur haben sich lange Zeit schwer miteinander getan. Für viele schienen sie zu weit auseinander zu liegen, doch das ist weit gefehlt. Vielmehr scheint die gegenseitige Ignoranz wohl eher daran gelegen zu haben, dass Theologie und Popkultur viel zu eng zusammen liegen. Daher werde ich zunächst einige Pro-Thesen zum Verhältnis von Popkultur und protestantischer Theologie aufstellen, die ihre geschwisterliche Nähe aufzeigen. Unter Geschwistern ist es üblich, sich zunächst einmal abzugrenzen, daher beginne ich mit einem grundlegenden Unterschied zwischen Popkultur und Theologie.
I. NOW: 6 Pro-Thesen zum Verhältnis von Popkultur und protestantischer Theologie
1. Popkultur funktioniert - Theologie nicht.
1.1. Popkultur funktioniert. Dies macht ihr Geheimnis aus. Mein Paderborner Amtsvorgänger Hans-Martin Gutmann hat dies auf den Punkt gebracht: "Das »Populäre« an der populären Kultur ist, dass sie »funktioniert«, dass sie hier und jetzt wirksam ist und nicht erst durch nachträgliche Interpretation."[2] Was toppt oder floppt, ist immer erst nachträglich feststellbar. "Die Hälfte unseres Werbeetats ist rausgeschmissen Geld", so ein Werbemanager von Coca-Cola. "Leider wissen wir nicht, welche Hälfte." Was toppt oder floppt, ist immer erst nachträglich feststellbar. Popkultur übt daher Nachsicht.
1.2. Theologie hingegen kann nicht funktionieren, weil sie immer unter dem Vorbehalt steht: "Der Geist weht, wo er will." (Joh 3,8). Theologie reflektiert, denkt nach, kommt daher immer zu spät. Gegenüber allen totalisierenden systemtheoretischen Integrationsversuchen markiert Theologie daher immer eine Grenze. Sie kommt zu spät. Weil sie sich deswegen auch nicht mehr hetzen muss, kann sie vorsichtig denken. Gegenüber der nachsichtigen Popkultur ist Theologie daher eher vorsichtig. Indem sie nachdenkt, vermag sie vorauszudenken.
2. Popkultur und Christentum sind grenzüberschreitend und globalisieren gleichermaßen.
2.1. Zum einen lebt die Popkultur von einer Globalisierung, die keinen Winkel der Welt unberührt sein lässt. Sie bildet damit ein Pendant zum missionarischen Charakter des Christentums.
2.2. Zum anderen popularisiert Popkultur alle Formen elitärer Kultur, was die Eliten, deren Notwendigkeit unbestritten ist, zumeist als Verfalls- und Verlustgeschichte wahrnehmen.
2.3. Drittens individualisiert Popkultur, weil sie vor die Wahl stellt, sich dem Trend anzuschließen oder nicht. Zugleich basiert Popkultur auf ihrer massenhaften Verbreitung. Auch diese Ambivalenz der Entscheidung teilt Popkultur strukturell mit dem Christentum, das ebenso individualisiert wie es auch als Massenverband, z.B. in einer Kirche als Institution, existiert.
2.4. Schließlich ist nicht alles, was Pop ist, immer und überall pop. Bei aller Globalisierung existiert Popkultur nur als Popkulturen, die sich zum einen durch einen Mix ihrer globalisierten und regionalisierten Erscheinungsformen gestalten (Mix it, baby)[3] und die zum anderen von den unterschiedlichen Milieus in einer Gesellschaft abhängen.[4]
3. Popkultur wie Christentum sind sich in der Theorie darin einig: "Alles ist erlaubt." (1. Kor 6,12 + 10,23)
3.1. Während die meisten Institutionen des Christentums aber sofort warnend zum paulinischen "Aber (es frommt nicht alles)" ansetzen und damit meinen, Beliebigkeit begrenzen zu sollen, agiert die Popkultur in umgekehrter Perspektive. Sie weiß, dass es Beliebigkeit nur als Liebe, als das, was beliebt, gibt. Es kann daher keine unbegrenzte Beliebigkeit geben. Davon zeugen die unaufhörlichen Abgrenzungen, mit denen Popkultur agiert. Hier existiert daher durchaus ein Wissen davon, dass nicht alles frommt bzw. zum Guten dient. Aber nicht diese Grenze wird beschworen, sondern die Grenzüberschreitung, dass es nämlich manchmal der Fall sein kann, dass alles frommt. Damit stößt die Popkultur in eine Lücke, die ein zumeist spiel- und spaßverderbendes Christentum verheißungslos (und daher verheißungsvoll) hinterlassen hat. In der Kraft ihrer Verheißung von Freiheit ist die Popkultur mitunter protestantischer als das Christentum.
3.2. Christentum wie Popkultur ist das Wissen darum gemeinsam, dass der Zugang zum Glauben im Erlebnis liegt. Beiden geht es um eine Frömmigkeit, die sich nicht privatisieren lässt, sondern die das jeweils Gute, wovon ihr Herz voll ist, in die Welt trägt, um diese zu begeistern. Beiden geht es daher um Rechtschaffenheit, was bisweilen auf den Geist geht.
4. Popkultur ist oberflächlich. Die Theologie hat von dieser Oberflächlichkeit zu lernen.
4.1. Popkultur ist glänzend. Sie spiegelt unser Begehren an der Oberfläche. Popkultur ist daher oberflächlich. Aber gerade in, mit und unter dieser Oberflächlichkeit bringt Popkultur zur Darstellung, dass alle Bedürfnisbefriedigung durch ein unstillbares Begehren gekennzeichnet ist, welches uns allererst leben lässt: Alle Lust will Ewigkeit (Friedrich Nietzsche).[5] Popkultur macht uns in diesem Zusammenhang klar: Du willst immer etwas anderes. Dieses Begehren gilt es, theologisch nicht als Schwäche, sondern als Stärke der Menschen wahrzunehmen.
4.2. Die Würdigung der Oberfläche durch die Popkultur zeigt die unhintergehbar semiotische Strukturierung unserer Wirklichkeit, hinter der kein Wahres oder Eigentliches festzustellen ist. Dieses Wahre existiert vielmehr so, dass es sich immer erst im Prozess herausstellt. Existenz und Ekstase gehören daher zusammen.
4.3. Religion, Kirche und Theologie bleiben selten an der Oberfläche, sondern gehen zumeist in die Tiefe. Die Betonung der Tiefe als Unterwanderung von Oberfläche birgt jedoch die Gefahr der Leibfeindlichkeit in sich. Denn durch diese Tiefe wird das, was vor Augen ist, verneint, so dass das, was zu tun ist, liegen bleibt und der Schein, den wir zum Leben brauchen, verteufelt wird. In der Theologie Martin Luthers gibt es die unhintergehbare Denkfigur des Christenmenschen als simul iustus et peccator: Ein Christenmensch ist immer zugleich Gerechter und Sünder. Man könnte es auch anders wenden: Wir brauchen Oberflächlichkeit und Tiefe, Sein und Schein. Eine protestantische Theologie der Popkultur bringt die theologische Berechtigung der Oberflächlichkeit im Rahmen des simul iustus et peccator der Rechtfertigungslehre zur Darstellung: Pecca fortite, sed crede fortiter! Sündige kräftig, aber glaube kräftiger!
5. Popkultur und Theologie spielen mit allem, was den Menschen heilig ist.
5.1. Popkultur spielt mit allem, was ihr unter die Augen, in die Finger und in den Computer kommt. Dieses Spiel, insbesondere das Augenzwinkern, welches dem popkulturellen Umgang mit dem Heiligen eigen ist, ist von einer Theologie der Popkultur zu würdigen.[6] Dabei kommt der protestantischen Einsicht, dass es nach Kreuz und Auferstehung keine verdammenswerte Blasphemie mehr geben kann,[7] grundlegende Bedeutung zu für das Wahrnehmen als auch für das Handeln von Kirche im Bereich von Popkultur.
5.2. Popkultur setzt sich selbst und das, was ihr heilig ist, aufs Spiel. Diese missionarische Qualität, sich dem Fremden, der Gefahr, dem Verbotenen auszusetzen, um damit in Kontakt zu kommen, macht ihre Begeisterung aus. Dieses Spiel ist ergebnisoffen. Niemand weiß im Vorhinein, ob und wie wer in diesem Spiel dran glauben muss.
5.3. Die Popkultur macht der Theologie bewusst, dass es in der durch die Popkultur erhoffte Erleichterung um Erlösung geht. Eine Theologie der Popkultur hat daher solche Formen zu entwerfen, die die Erleichterung nicht als seicht diffamieren, sondern als einen Modus von Erlösung wahrnehmen lehren. Eine Theologie der Popkultur ist daher als Theologie des Glücks[8] zu entwerfen.
6. Eine Theologie der Popkultur braucht Ritual- und Körpertheorien.
6.1. Die Wirkung populärer Kultur hat sich immer durch Rituale entfaltet. Ritualforschung gehört daher zu den grundlegenden Aufgaben einer Theologie der Popkultur. Dabei hat sich in den letzten Jahrzehnten insbesondere das Ritualkonzept von Victor Turner mit seinen zentralen Begriffen Liminalität, Liminoidität, flow-experience und communitas als hilfreich erwiesen.[9] Rituale werden demnach nicht mehr als Zwangshandlungen verstanden, sondern ihnen wohnt als Prozessen von Umordnung ein Potential inne, durch das notwendige Veränderungen im Alltag allererst möglich werden. Wichtig ist dabei, dass Rituale in der Gegenwart durch ein hohes Maß an Freiwilligkeit, Selbstbestimmung und Mitgestaltung gekennzeichnet sein müssen, wenn sie ihre Wirkung entfalten wollen.
6.2. In einer Zeit, in der Körper zunehmend der Vorgegebenheit entzogen und plan- und machbar werden, verkörpert sich Individualität durch (zunehmend schmerzhafte) Gestaltung des Leibs und seiner Glieder - bis hin zu seiner Zerstückelung.[10] Eine Theologie der Popkultur wird daher eine Kulturtheologie des Körpers sein, die den Körper als dramatische Bühne des Lebens würdigt. Dabei muss die Inszenierung des Körpers als Faktum, Fiktion und Fake zwischen individueller Gestalt und sozialer sowie historischer Prägung sichtbar werden. In der unauflösbaren Dialektik von individueller Freiheit und unhintergehbarem Geprägtwerden ist es eine religions-, musik- und medienpädagogische Aufgabe, die Subjekte als Unterworfene zu ermutigen und zu ermuntern, ihr Leben in seinen Verletzungen und Vernetzungen, soweit dies menschenmöglich ist, selbst in die Hand zu nehmen und so zu lernen, sich und andere gehen lassen zu können.
II. WOW: Zeitverständnisse in der Theologie[11]
Wenn wir nach dem Wow im Now fragen, dann müssen wir uns Gedanken machen über das, was man erfüllte Gegenwart nennen könnte. Dies ist von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Ich möchte Ihnen daher zwei Zeitmodelle vorstellen, die sich in der Bibel finden. Sie lehren uns die kulturelle Verflochtenheit unserer Wahrnehmungen von Zeit, die sich ja seit den naturwissenschaftlichen Paradigmenwechseln zu Beginn des 20. Jh. mit der Einsteinschen Relativitätstheorie und der Heisenbergschen Unschärferelation revolutioniert haben.[12]
In der Bibel begegnen zwei große Kulturen, die sich in den beiden Sprachen der beiden Testamente niederschlagen. Während das Alte Testament vorwiegend hebräische Texte enthält, ist das Neue Testament in Koine-Griechisch geschrieben, auch wenn Jesus selber wahrscheinlich kein oder nur sehr schlechtes Griechisch konnte. Er sprach aramäisch, eine weiter entwickelte Variante des Hebräischen. Wenn Sprache ein grundlegender Vorgang ist, der alles prägt, was wir als je unsrige Kultur ansprechen, dann ist die Kenntnis der Denkstruktur dieser Sprachen sehr wesentlich für die Entwicklung einer sachgerechten Theologie. Nun ist es so, dass das Hebräische und das Griechische sehr unterschiedliche Sprachen sind, was sich sogleich an deren Zeitverständnis festmachen lässt.
In der hebräischen Sprache gibt es nämlich die drei Zeitformen Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft nicht, sondern nur zwei Verbformen: Perfekt und Imperfekt, also abgeschlossene und nicht abgeschlossene Vorgänge. Im Hebräischen kann man nicht in die Zukunft schauen, weil es gar keine Zukunft gibt. Deswegen konnten die Propheten der hebräischen Bibel auch keine Zukunft vorhersagen. Was sie getan haben, war eine Ansage von Konsequenzen aufgrund dessen, was geworden ist. Im Hebräischen schaut man immer auf das, was geworden ist. Dort kann man erkennen, ob etwas abgeschlossen ist oder nicht. Ist etwas nicht abgeschlossen, dann wirkt es bis heute. In westlichen Sprachen ist es so, dass wir der Zukunft entgegensehen, dass wir also in die Zukunft, in das, was auf uns zukommt, schauen können. Dies ist im Hebräischen gar nicht möglich. Dort liegt die Zukunft im Rücken der Personen. Das, was auf uns zukommt, vollzieht sich hinter unserem Rücken.
Wie aber wird in einem solchen System so etwas wie Gegenwart gedacht und erfahren? Es wird als erfüllte Zeit erfahren, als Zeit, die vonwoanders herkommt und nun als voll erfahren wird. Diese Fülle aber ist eine Form von Heil oder Unheil, man könnte auch sagen von Glück oder Unglück, von Segen oder Fluch. Zeit bemisst sich im Hebräischen daher nicht nach einer Quantität, sondern nach einer erlebten Qualität. Wow oder Nicht-Wow, das ist hier die Frage, das ist es, worauf es beim Now mit Doppelpunkt allein ankommt. Erst im Laufe der Theologiegeschichte der Hebräischen Bibel entstand dann ein Nacheinander von bestimmten erfüllten Zeiten, die sich als Festkalender etablierten.[13] Es entstehen dann in der Apokalyptik Zeitalter, Äonen mit unterschiedlichen Qualitäten. In den Psalmen wird Gott bisweilen gelobt von olam zu olam, Luther übersetzt: von Ewigkeit zu Ewigkeit[14]. Das ist nicht Unendlichkeit zum Quadrat, sondern die Aufeinanderfolge verschiedener qualitativ bestimmter und erfüllter Zeiten. Entscheidend ist, dass die Qualität der entsprechenden Zeit bzw. der Olam im Hier und Heute erfahren und gelebt wird. So schreibt z.B. der hebräisch denkende Jude Paulus an die Korinther: "Als Mitarbeiter ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt. Denn Gott spricht (Jes 49,8): »Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.« Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Herrn. (2. Kor. 61f.)
Im Griechischen gibt es also Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Aber Paulus insistiert hier auf dem now mit Doppelpunkt, auf dem nyn, auf dem "koh amar Jahwe" der Propheten, auf dem: So bzw. nun, jetzt spricht Gott. Und wenn der Prophet dann etwas sagt, dann spricht Gott selbst.
Das Griechische kennt zwei sehr unterschiedliche Begriffe für das, was wir Zeit nennen: In unserem Text steht das Wort kairos: idou, nyn kairos.
Kairos meint genau diesen erfüllten Augenblick,
- diese Zeit, die aufgrund ihrer Fülle stehen zu bleiben scheint, die von oben unseren Zeitstrahl durchbricht, so dass die Zeit still steht,
- die rechte Zeit, der rechte Zeitpunkt, an dem es klug ist, dieses oder jenes zu tun oder auch zu lassen.
Alles hat seine Zeit (Qoh 3,1), alles hat seinen Kairos, alles seine Eigenzeit[15]. Neben diesem Kairos gibt es eine ganz andere Zeit, den chronos. Das ist der Zeitstrahl, der unerbittlich eines nach dem anderen quantitativ aufzählt, die sog. Chronologie oder das Chronometer. Chronos zwingt alles in seine Funktion, in seine Rationalität, frisst seine Kinder, während Kairos die gewichtigen Momente benennt, seien es die glücklichen, die uns etwa durch den Tag tragen, oder uns bei schwerer Krankheit nicht aufgeben lassen, seien es die katastrophalen, die einen ganzen Epochenwandel bezeichnen können, z.B. 09/11
Die Sehnsucht nach dem now mit Doppelpunkt, die sich bes. in der Popkultur global und massenhaft verbreitet hat, hängt zusammen mit unserer westlichen Gesellschaft, in der der Chronos in allen Systemen unerbittlich herrscht.[16] Welche Theologien gibt es, die für diese popkulturelle Sehnsucht anschlussfähig sind?
III. Genau: Ahnung und Unterhaltung - 2 popkulturelle Theologien:
1. Theologie der Ahnung[17]
Die Ahnung beschreibt einen flüchtigen Vorgang, der für popkulturelle wie für theologische Prozesse gleichermaßen bedeutsam ist. Wer sich mit dem Phänomen Ahnung beschäftigt, gerät in einen undeutlichen Bereich, dem es an Klarheit mangelt. Ahnung hat es nach dem Grimmschen Wörterbuch[18] zunächst mit "Vorgefühl, Vermutung, vage[r] Vorstellung" und "Andeutung" (89) zu tun. Ahnung lässt sich weder sprachlich noch emotional klar eingrenzen. Der Ahnung entspricht nicht die Definition, sondern die Transfinition. Wer sich auf Ahnungen einlässt, überschreitet Grenzen. Wer dies nicht tut, hat weder den Hauch noch den Schimmer einer Ahnung, hat noch nicht einmal eine blasse Ahnung von der Sache. Ahnungen sind Mutmaßungen des Verstehens, Visionen des Gefühls, Erinnerungen der Zukunft. Ahnung ist praesensio.[19] Die Breite und Vielfalt der Phänomene, die sich sprachlich in der Ahnung äußern, werden in ihrem Wortfeld deutlich, welches ich unter 3 Aspekten reflektiere.
Ein erster Bedeutungskomplex des Verbums ahnen - ich nenne ihn den adventlichen Aspekt - bezieht sich auf dessen Grundbedeutung "eine vage Vorstellung von etwas haben, [...] gefühlsmäßig vermuten". Ahnen ist von der Präposition "an." abzuleiten. Deren Ausgangsbedeutung ist: "einen ankommen" (79). Ahnung ist adventlich. Sie kommt uns an. Ahnung wird daher auch zunächst passivisch gedacht: Mir bzw. mich ahnt etwas. Erst seit dem 18. Jh. wird ahnen gehäuft aktivisch gedacht mit persönlichem Subjekt: Ich ahne etwas. Mit der Aufklärung macht das Subjekt den Versuch, über die Ahnung zu herrschen. Es stellt sich die Frage, wer Subjekt der Ahnung ist und wie dieses zu denken sei.
Ein zweiter Bedeutungskomplex des Verbums ahnen - ich nenne ihn den analogen Aspekt - hat die Ahnen, die Vorfahren zum Thema. Ahnen heißt, jemandem nachgeraten, jemandem ähnlich sein. Methode der Ahnung ist daher die Analogie. In der Analogie nämlich kommt Identität als Kontinuität und als Differenz zur Geltung. Wenn wir z.B. sagen: Das sieht dir mal wieder ähnlich!, dann erkennen wir etwas von einer Person Differentes als mit dieser zusammengehörig. Analoge Didaktiken sind sich der personalen Dimension des Lehrens und Lernens bewusst und räumen der Nachahmung ebenso ihren Stellenwert ein wie der Vorahmung[20].
Ein dritter Bedeutungskomplex des Verbums ahnen - ich nenne ihn den suspekten, den unheimlichen Aspekt - resultiert aus der Beobachtung, dass bis in die Mitte des 19. Jhs. hinein ahnen auch ahnden heißen kann. Sprachgeschichtlich besteht eine Verwandtschaft zur lateinischen anima, so dass dem Ahnden die Vorgänge atmen und hauchen zugrundeliegen. Ahnden hat zunächst die Bedeutung von "in heftige Gemütsbewegung geraten, sich ereifern". Weil der Anlass dieses Sich-Ereiferns aber immer stärker negativ gedacht wird, bekommt ahnden ab dem 13. Jh. die Hauptbedeutung von "etwas tadeln, rügen" und "etwas bestrafen" (76f), was heute nur noch in offiziellen Verlautbarungen oder bei Fußballübertragungen eine Rolle spielt.[21]
Ahnden heißt in selteneren Fällen aber auch "kränken, ärgern" bzw. "Sehnsucht haben" oder "schmerzlich beklagen" (79f), was mich zu einer doppelten Frage führt:
- Wenn Ahnung der legitime Zugangsweg ist zu dem, was die Kreativitätspsychologie Inkubations- bzw. Frustrationsphase genannt hat, dann wird der Aspekt des Geärgertwerdens, des Ärgerlich- vielleicht sogar Wütendseins bzw. des Gekränktseins wesentlich. Denn hier ist das umschrieben, was den Frust als kreatorischen Grund dieser Phase ausmacht - zumal wenn wir bedenken, dass frustra Zweckfreiheit bedeutet.
- Mir stellt sich hier die Frage nach den Verbindungen zu einem Verständnis von Theologie in der Mehrdeutigkeit des Alltags, wie es Henning Luther mit den Phänomenen Schmerz und Sehnsucht beschrieben hat. Luthers Theologie[22] widmet sich diesen alltäglichen Grenzüberschreitungen, Übergängen, Passagen und Schwellen, die uns beunruhigen "durch die - wie blass auch immer aufscheinende - Ahnung, dass es anders - und besser - sein könnte"[23]. Luther fasst daher mit einem Zitat Heinrich Bölls zusammen: "Schmerz und Sehnsucht sind einander verschwistert. In beiden kommt die Ahnung zu Bewusstsein, dass »wir uns auf dieser Erde nicht ganz zu Hause fühlen«."[24]
Die Ahnung ist in den 90er Jahren als Thema der philosophischen Erkenntnistheorie wiederentdeckt worden, nachdem es noch 1971 im Historischen Wörterbuch der Philosophie resümierend geheißen hatte: "Als philosophischer Terminus hat der Begriff seine Relevanz verloren."[25] Diesem Zustand hat 1996 der Philosoph Wolfram Hogrebe mit seiner Skizze "Ahnung und Erkenntnis. Brouillon zu einer Theorie des natürlichen Erkennens"[26] Abhilfe geschaffen. Grundlegend ist bei ihm die Einsicht, dass Ahnungen "sich" einstellen, "ebenso wie Gedanken und Ideen, die uns kommen" (14).[27] Ahnungen gehen dabei jeweils aufs Ganze, wobei das Ganze eben immer nur geahnt werden kann, also "sich nicht mehr durch ein Wissen über unsere Ahnungen hinaus erfüllen läßt" (18f). Denn sobald ein Ganzes gewusst ist, wird es zu einem Teil und tilgt sich als Ganzes. Erkenntnistheoretisch lässt sich hinter die Ahnungen nicht zurückgehen. Ahnungen reißen uns aus unseren Standardbezügen und lassen uns so überhaupt erst offen werden für Neues. Ahnungen sind die "höchst fragilen Eingangsorte für Ideen" (7), die kein Vorbild haben.[28] Jedoch stellen sie sich als Gedanken zumeist nur in der harten Arbeit des Denkens ein, wobei Hogrebe insbesondere für die Wissenschaft feststellt: "Das Faszinierende im Geschehen unserer Gedankenarbeit hängt ja gerade daran, daß es trotz unserer angestrengten Bemühungen unwahrscheinlich ist, daß der Gedanke sich überhaupt einstellt. Forschung und Wissenschaft ist ja in ihren bei weitem größten und quälendsten Teilen immer Geschichte des ausbleibenden Gedankens. Nur daher rührt ja die Unsäglichkeit des seltenen Gefühls, etwas erkannt zu haben." (35f)
In seiner kurzen Philosophiegeschichte der Ahnung würdigt Hogrebe Schleiermachers eigenständige Theorie der "Andeutung und Ahnung" als "die Geburt des Zeichens" (69). Für Schleiermacher sind Ahnungen der Vorgang, durch den sich der Raum unserer Interpretationen allererst öffnet. Denn erst wenn wir die Ahnung haben, dass ein Geräusch etwas bedeuten könnte oder dass etwas, was sich in unserem Blickfeld befindet, Sinn machen könnte, kann der Prozess der Signifikation und der Interpretation beginnen. Damit bleibt die Ahnung ein dem Verstehen gegenüber eigenständiger Bereich, denn: Ahnungen sind Divinationen.[29] Hogrebe fasst zusammen: "In der Ahnung konstituiert sich [...] die Signifikanz der Welt. Es ist nicht alles Zeichen, aber alles kann Zeichen werden, wenn wir ahnen, daß es etwas, unbestimmt was, bedeutet. [...] Nach Schleiermacher schlägt der Geist in der Ahnung die Augen auf." (74)
Popkultur und Theologie sind begeisterte und begeisternde An-Deutung, nicht mehr und nicht weniger. Wären sie eindeutig, wären sie total und würden den Hörenden die Freiheit ihrer Gedanken bestreiten. Ahnung geschieht allein im verunsichernden Terrain der Freiheit, wo kreative Spielräume eröffnet werden. Die ahnungsvolle Genese kreativer Phänomene realisiert sich in einer Atmosphäre der Zweckfreiheit. Sie ist zwecklos, weil sie nicht vom Subjekt beherrscht werden kann. In einer solchen Spiritualität der Ahnung lassen sich kreative Produzenten wie Rezipienten auf Inspiration ein. Die Zwecklosigkeit der Ahnung frustriert aber auch. Daher gehören Inspiration und Transpiration zusammen. Wer keine Ideen hat, kommt ins Schwitzen - wegen der Angst. Wer hingegen Ideen hat, kommt auch ins Schwitzen - wegen der Arbeit.
2. Theologie der Unterhaltung
Wer von Popkultur redet, redet von Unterhaltung. Mit diesem Phänomen hatte die Theologie ebenso wie die Hochkultur immer schon Probleme. Ich will mich hier in den sehr interessanten Unterhaltungsdiskurs der verschiedenen Disziplinen[30] einschalten, indem ich eine Theologie der Unterhaltung[31] als Angebot meiner Disziplin anbiete und zur Diskussion stelle. Kriterium für gute Unterhaltungsmusik ist dabei für mich die Frage, ob Musik unterhält oder unterdrückt. Unterhaltung besteht theologisch aus drei Dimensionen, der nutritiven, der kommunikativen und der delektarischen Dimension:
1. Unterhaltung ist nutritiv. Sie gewährt Unterhalt. Dieser Aspekt ist insbesondere in der protestantischen Orthodoxie theologisch bedacht worden. Paul Gerhardt z.B. kann davon ein Lied singen: "Was sorgst du für dein armes Leben, wie du's halten wollst und nähren? Der dir das Leben hat gegeben, wird auch Unterhalt bescheren. Er hat ein Hand, voll aller Gaben, davon sich See und Land muß laben. Gib dich zufrieden!" (EG 371, Strophe 7) Gott unterhält die Welt. He's got the whole world in his hands. Indem Gott aber die Welt unterhält, unterhält er auch sich mit der Welt. D.h., Gott liebt diese Welt. Er hat Wohlgefallen an ihr. Sie bereitet ihm Lust. Und: Gott redet mit der Welt, wenn er sich mit ihr unterhält. Nach protestantischem Verständnis geschieht dies v.a. im Gottesdienst, wo nach Luthers berühmter Definition Gott mit uns redet und wir ihm antworten durch Gebet und Lobgesang. Deswegen kann Luther Unterhaltung ebenso wie den Gottesdienst auch als öffentliche Reizung zum Glauben verstehen. Gute Unterhaltung gewährt uns Unterhalt. Schlechte Unterhaltung hingegen ist nutritiver Betrug. Gute Unterhaltungsmusik im Gottesdienst z.B. bringt daher das zu Gehör, was die Menschen, deren Lebensgeschichte den Anlass für einen Kasualgottesdienst bildet, unterhält und ihnen vorübergehend Halt gibt. Gute Unterhaltung heißt daher aber auch: Halt gibt es immer nur vorübergehend.
2. Unterhaltung ist kommunikativ. Zwei oder mehr Menschen unterhalten sich miteinander, oft frei assoziierend. Gute Unterhaltungen sind meist lose, oft eignet ihnen eine lockere Atmosphäre. Gute Unterhaltung sucht das partnerschaftliche Gespräch unter Gleichberechtigten. Als erster hat der Pietismus die aufkommende bürgerliche Gesprächskultur auch zu einer kirchlichen Kultur gemacht. Jedoch verfolgte er dabei von Anfang an, also schon in Speners Frankfurter Collegium pietatis, das Interesse einer Verkirchlichung und damit einer Hierarchisierung der Gespräche vom Predigtamt bzw. von der Bibel her. Erst Schleiermacher hat mit seiner Theorie der freien Geselligkeit, die in der liberalen Salonkultur Berlins um 1800 wurzelt, der kommunikativen Dimension von Unterhaltung auch in der Kirche den gebührenden Raum bereitgestellt. Gute Unterhaltungsmusik lebt also auch vom partnerschaftlichen Gespräch über sie. In dem Augenblick, wo wem auch immer Musik aufgedrückt wird, kann sie nicht mehr unterhalten. Dies gilt für alle Beteiligten: Weder dem Pfarrer noch der Kirchenmusikerin, weder dem Posaunenchor noch den Kasual-Betroffenen darf eine Musik aufoktroyiert werden. Sie ist vielmehr zwischen allen Beteiligten auszuhandeln.
3. Unterhaltung ist delektarisch. Sie macht Spaß. Sie amüsiert uns. Sie berührt uns, ist rührend. Sie erheitert und erleichtert. Das lateinische Wort für Unterhaltung heißt delectare und spielt in der antiken Rhetorik eine große Rolle. Delectare gehört neben dem docere, dem Lehren, und dem movere, dem Bewegen, zu den 3 Grundaufgaben jeder Rede in der Antike. Jede Rede hat zu lehren, zu unterhalten und zu bewegen: docere - delectare - movere. Während das docere als Lehre auf die intellektuelle Einsicht zielt, sprechen das delectare als Unterhaltung und das movere als Pathos die Affekte an. Dabei bedient das delectare die sanften Affektstufen, denn es soll der Übermüdung durch Lehre und Pathos vorbeugen. Das delectare berührt die Menschen und erleichtert sie so. Die Erleichterung als Erlösung von der Erlösung steht bei ihr im Vordergrund. Sie erleichtert, manchmal beschwingt sie sogar. Oft rührt sie zu Tränen. Genau dies aber wären auch die Aufgaben guter Unterhaltungsmusik in der Kirche.
Now mit Doppelpunkt: Das ist eine starke Ansage, die wir nicht begreifen können, die wir nicht zu packen kriegen. Und dennoch - oder vielleicht gerade deswegen bewegt sie uns. Ein letztes zentrales Beispiel aus der christlichen Tradition soll dies zur Geltung bringen: Ich meine die Geschichte von den Emmaus-Jüngern aus dem letzten Kapitel des Lukasevangeliums (Luk 24,13-35).[32]
Nachdem Jesus gekreuzigt wurde und die Hoffnung aller Jünger zu Grabe getragen wurde, gehen zwei Jünger frustriert und zutiefst verunsichert nach Hause. Auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus werden sie von einem Fremden begleitet. Es ist der auferstandene Jesus. Die Jünger erkennen ihn aber nicht. Er bleibt ihnen fremd und fern. Jesus fragt sie nach dem Grund ihrer Traurigkeit und erklärt ihnen, warum dies alles so kommen musste. Aber selbst der Hinweis, dass Jesus nach drei Tagen auferstehen würde, hilft nichts. Wegen der hereinbrechenden Nacht bitten die beiden Männer den Fremden in ihr Haus, damit er dort übernachte. Vor dem Essen bricht der Fremde das Brot. Now mit Doppelpunkt. Jetzt erkennen ihn die Emmaus-Jünger. Im selben Augenblick, als sie ihn erkennen, ist er jedoch verschwunden. Eine Geschichte, die die Dialektik von Anwesenheit und Abwesenheit im now mit Doppelpunkt zur Geltung bringt. Statt diesem now mit Doppelpunkt seine Freiheit zu lassen, sind viele Theologien entstanden, die die Gegenwart des Auferstandenen im Abendmahl[33] festhalten wollten. Jedoch haben alle Versuche, die Gegenwart des Auferstandenen endgültig und exklusiv zu fixieren, nur zu Kirchenspaltungen geführt. Das dürfte popkulturellen Theorien bei dem Versuch, das now exakt zu bestimmen, ähnlich gehen. Wer Popkultur und Theologie aus ihren Akten herausholt und ex-akt bestimmen will, wird daran scheitern. Stattdessen sollten wir uns diese Prozesse genau ansehen und uns an den Lebenskräften dieses unterhaltenden Now: ergötzen.
Anmerkungen
- Vorgetragen am 2.11.2005 im Rahmen des interdisziplinären Projektes NOW: des Studiengangs Populäre Musik und Medien der Universität Paderborn.
- Hans-Martin Gutmann: Populäre Kultur im Religionsunterricht; in: Peter Biehl / Klaus Wegenast (Hg.): Religionspädagogik und Kultur. Beiträge zu einer religionspädagogischen Theorie kulturell vermittelter Praxis in Kirche und Gesellschaft, Neukirchen-Vluyn 2000, 179.
- e-on - Werbung mit Arnold Schwarzenegger.
- Zu diesem Themenkomplex vgl. die vielen Arbeiten von Eberhard Hauschildt zur praktisch-theologischen Rezeption der Erlebnisgesellschaft sowie ders.: Die Globalisierung und Regionalisierung der Praktischen Theologie; in: PrTh 29 (1994), 175-193.
- Aufgrund dieses Sachverhalts hat Bernd Beuscher eine tragfähige Religionspädagogik entwickelt: Leistungskurs Religion. Vorlesungen zur Kunst der Religionspädagogik, Norderstedt 2000.
- Vgl. dazu Hartmut Meesmann (Hg.): Spiel und Religion, Waltrop 2003.
- Vgl. Harald Schroeter: Das geht zu z/weit. Frömmigkeit und Blasphemie als Problem theologischer Ästhetik; in: Friedrich Wintzer / Henning Schröer / Johannes Heide (Hg.): Frömmigkeit und Freiheit. FS Hans-Dieter Bastian, Rheinbach 1995, 93-116.
- Vgl. Uwe Gerber: Glück haben - Glück machen? Stuttgart 1991; sowie Martin Bock u.a. (Hg.): Un-verschämtes Glück, Gütersloh 2002.
- Vgl. Harald Schroeter-Wittke: Übergang statt Untergang. Victor Turners Bedeutung für eine kulturtheologische Praxistheorie; in: ThLZ 128 (2003), 575-588.
- Hier zeigen sich interessante Parallelen zur Körpertheologie im Mittelalter; vgl. Caroline Walker Bynum: Fragmentierung und Erlösung. Geschlecht und Körper im Glauben des Mittelalters, Frankfurt/M. 1996.
- Vgl. dazu Hans-Martin Gutmann: Die Wahrnehmung der Gegenwart. Zeit als Problem in der praktisch-theologischen Reflexion kirchlicher Handlungsfelder; in: Christoph Bizer / Jochen Cornelius-Bundschuh / Hans-Martin Gutmann (Hg.): Theologisches geschenkt. FS Manfred Josuttis, Bovenden 1996, 94-107.
- Vgl. dazu Peter Rusterholz / Rupert Moser (Hg.): Zeit. Zeitverständnis in Wissenschaft und Lebenswelt, Bern u.a. 1997.
- Dabei wurden festliche Anlässe einer sesshaften Agrarbevölkerung mit geschichtlichen Heils-Erinnerungen verbunden, vgl. dazu Gerhard von Rad: Theologie des Alten Testament Band 2: Die Theologie der prophetischen Überlieferungen Israels, München 91987, 108-134.
- Vgl. dazu Otfried Reinke (Hg.): Ewigkeit? Klärungsversuche aus Natur- und Geisteswissenschaften, Göttingen 2004.
- Helga Nowotny: Eigenzeit. Entstehung und Strukturierung eines Zeitgefühls, Frankfurt 1989.
- Dabei stehen wir z. Zt. an einer Schwelle, die noch unübersehbare Konsequenzen haben wird: Es gibt mittlerweile mehr lebende Menschen auf dieser Erde als es jemals Menschen seit Adam und Eva gegeben hat; vgl. dazu Bernd Guggenberger: Unterwegs im Nirgendwo. Von der Raum- zur Zeitordnung; in: Martin Bergelt / Hortensia Völckers (Hg.): Zeit-Räume. Zeiträume - Raumzeiten - Zeitträume, München/Wien 1991, 45-73.
- Vgl. dazu Harald Schroeter-Wittke: Ahnung von der Predigt. Konturen homiletischer Didaktik, Waltrop 2000.
- Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung. 2. Band, Stuttgart/Leipzig 21998.
- So Immanuel Kant; nach W. Nieke: Art. Ahnung; in: HWP 1 (1971), 115.
- Vgl. dazu Monika Schmitz-Emans: Spiegelt sich Literatur in der Wirklichkeit? Überlegungen und Thesen zu einer Poetik der Vorahmung. Antwort auf die Preisfrage der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vom Jahr 1992, Göttingen 1994.
- Für Immanuel Kant etwa, der die Ahnung für den "Tod aller Philosophie" (Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie (1796); Akademie-Ausgabe 8, 398) hielt, ist dieser Zusammenhang von Ahnen und Ahnden noch völlig einleuchtend: "Man hat neuerlich zwischen etwas Ahnen und Ahnden einen Unterschied machen wollen; allein das erstere ist kein deutsches Wort, und es bleibt nur das letztere. Ahnden bedeutet so viel als Gedenken. Es ahndet mir heißt: es schwebt etwas meiner Erinnerung dunkel vor; etwas ahnden bedeutet jemandes Tat ihm im Bösen gedenken (d.i. bestrafen). Es ist immer derselbe Begriff, aber anders gewandt." (Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798). Akademie-Ausgabe 7, 187) Herder, Campe und Jean Paul plädieren hingegen für eine strikte Trennung beider Begriffe, was der Ahnung jedoch ihren suspekten Charakter nimmt. Ahnung wird zu einer wissenschaftlich nicht ernstzunehmenden Vorhersage reduziert. Demgegenüber verfolge ich hier eine andere Spur, wenn ich mehr Gewicht auf die Nebenbedeutungen des unheimlichen Aspekts der Ahndung lege.
- Vgl. dazu Henning Luther: "Grenze" als Thema und Problem der Praktischen Theologie. Überlegungen zum Religionsverständnis; in: ThPr 19 (1984), 221-239.
- Henning Luther: Schmerz und Sehnsucht. Praktische Theologie in der Mehrdeutigkeit des Alltags; in: Ders.: Religion und Alltag. Bausteine für eine Praktische Theologie des Subjekts, Stuttgart 1992, 247.
- Ebd., 250.
- W. Nieke: Art. Ahnung; in: HWP 1 (1971), 117.
- Wolfram Hogrebe: Ahnung und Erkenntnis. Brouillon zu einer Theorie des natürlichen Erkennens (stw 1294), Frankfurt 1996. Die Seitenzahlen im laufenden Text beziehen sich auf diese Ausgabe.
- Hogrebe unterscheidet 5 Gestalten der Ahnung, "sensorische, diagnostische, explanatorische, kontextuelle und prognostische Ahnung" (20).
- Mit Hölderlin macht Hogrebe deutlich, dass wir allenfalls "Resonanzkörper jener Ahnung" sind, "die uns aus unseren Standardbezügen losreißt, um für Neues offen zu sein, für Botschaften, die schon in natürlichen Konfigurationen schlummern" (81). Mit Novalis schließlich plädiert er für ein tagträumendes Sehen, welches zu Szenen führt, "in denen sich gleichsam automatisch Gedanken und Sichtweisen einstellen, ohne dass wir epistemisch aktiv sind, sondern nur Medien eines epistemischen Geschehens" (85) sind. Schon Leonardo da Vinci sah in der Dämmerung und Absenz des Tagtraumes eine heuristische Methode.
- Vgl. Friedrich D.E. Schleiermacher: Hermeneutik und Kritik (hg. von Manfred Frank), Frankfurt 1977, 93f, wo Schleiermacher den Vorgang des Verstehens mithilfe des Moments der divinatorischen Ahnung als einer Kunst beschreibt: "Die Kunst kann ihre Regeln nur aus einer positiven Formel entwickeln und diese ist »das geschichtliche und divinatorische (profetische) objektive und subjektive Nachkonstruieren der gegebenen Rede«. 1. Objektiv geschichtlich heißt einsehen, wie sich die Rede in der Gesamtheit der Sprache und das in ihr eingeschlossene Wissen als ein Erzeugnis der Sprache verhält. Objektiv divinatorisch heißt ahnden, wie die Rede selbst ein Entwicklungspunkt für die Sprache werden wird. Ohne beides ist qualitativer und quantitativer Mißverstand nicht zu vermeiden. 2. Subjektiv geschichtlich heißt wissen, wie die Rede als Tatsache im Gemüt gegeben ist, subjektivisch divinatorisch heißt ahnden, wie die darin enthaltenen Gedanken noch weiter in dem Redenden auf ihn fortwirken werden. Ohne beides ebenso Mißverstand unvermeidlich." Vgl. dazu auch Stefan Alkier: Verstehen zwischen Rekonstruktion und Schöpfung. Der hermeneutische Ansatz Friedrich Schleiermachers als Vorlage einer Praktisch-theologischen Hermeneutik; in: Dietrich Zilleßen / Stefan Alkier / Ralf Koerrenz / Harald Schroeter (Hg.): Praktisch-theologische Hermeneutik. Ansätze - Anregungen - Aufgaben. Henning Schröer zum 60. Geb., Rheinbach-Merzbach 1991, 3-22.
- Vgl. dazu Hans-Otto Hügel (Hg.): Handbuch Populäre Kultur, Stuttgart/Weimar 2003; sowie Gotthard Fermor / Kristian Fechtner / Uta Pohl-Patalong / Harald Schroeter-Wittke (Hg.): Handbuch Religion und Populäre Kultur, Stuttgart 2005.
- Vgl. dazu Harald Schroeter-Wittke: Unterhaltung. Praktisch-theologische Exkurse zum homiletischen und kulturellen Bibelgebrauch anhand der Figur Elia, Frankfurt/M. 2000.
- Vgl. dazu die kleine ästhetische Phänomenologie von Lk 24,13-35 bei Albrecht Grözinger: Praktische Theologie und Ästhetik. Ein Beitrag zur Grundlegung der Praktischen Theologie, München 1987, 99-102.
- Dass wir mit der Abendmahlsthematik mitten in den ontosemiologischen Fragen der drei abendländischen Leitmedien sind, hat Jochen Hörisch in seiner wegweisenden Trilogie gezeigt: Brot und Wein. Die Poesie des Abendmahls, Frankfurt 1991; Kopf oder Zahl. Die Poesie des Geldes, Frankfurt 1996; Ende der Vorstellung. Die Poesie der Medien, Frankfurt 1999.
© Schroeter-Wittke 2006
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Magazin für Theologie und Ästhetik 40/2006 https://www.theomag.de/40/hsw4.htm
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