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Magazin für Theologie und Ästhetik


Lektüren XXVII

Aus der Bücherwelt

Andreas Mertin

Gottesfragen - Eine Buchvorstellung

In einer Reihe von Fragen ist das Forschungsinstitut für Philosophie Hannover in seiner Ringvorlesung 2005 unter dem Titel "Als gäbe es Ihn nicht - Vernunft und Gottesfrage heute" der Theo-Logie der Gegenwart nachgegangen. Was haben Theologen, Philosophen, Religionswissenschaftler, Kulturwissenschaftler, Sozioogen zur Gottesfrage heute zu sagen? Und man fragt sich ja wirklich: Gibt es das heute noch - die öffentlich erörterte Gottesfrage, gibt es Gott in unserer Gesellschaft, in der Philosophie, der Kunst, der Kirche. Oder stellen wir die Gottesfrage gar nicht mehr, weil nach 2000 Jahren alle Fragen beantwortet oder als unbeantwortbar erkannt sind. Aber dann erinnert man sich an die öffentliche Diskussion nach dem Tsunami, an die Kontroversen um religiöse Symbole in der säkularen Gesellschaft, an erregte Debatten um Blasphemieverbote und ähnliches. Und man merkt: unter der dünnen Oberfläche einer nur scheinbar durch und durch säkularisierten Gesellschaft brodelt die Gottesfrage weiter und viele gesellschaftliche Ereignisse können die Gottesfrage wieder zu einem zentralen Thema werden lassen. So viel Gottesdiskussion war nie - könnte amn etwas flapsig angesichts der öffentlichen Diskussionen der letzten 5 Jahre sagen.

Und trotzdem stimmt es natürlich, was die Herausgeber des Buches im Vorwort schreiben, dass nämlich die modernen Gesellschaften das Zusammenleben ihrer Menschen ohne Gott zu regeln scheinen. "Viele Menschen führen ihr Leben so, als gäbe es Ihn nicht. Doch die Frage nach Ihm drängt sich immer wieder auf. Und es gibt Momente, in denen eine Ahnung davon spürbar wird, dass das Menschsein des Menschen auf dem Spiel stünde, wenn diese Frage abgewiesen würde oder sich nicht mehr stellen ließe."

Im Buch finden sich Beiträge von Gerhard Kruip, Michael Fischer, Günther Mensching, Saskia Wendel, Gerhard Schwarz, Lukas H. Meyer, Julius H. Schoeps, Heinz-Jürgen Görtz, Magnus Striet, Peter Antes, Elysayed Elshahed, Andreas Mertin, Michael Eckert, Horst Hirschler, Nikolaus Schwerdfeger, Helmut Pape, Hans-Joachim Sander, Christian Gremmels und Dirk Steinfort.

Natürlich durchzieht die Beiträge ein gewisser apologetischer Grundton, dser durch den Konjunktiv im Titel ja auch schon angedeutet ist. Den pragmatischen Atheismus, den viele Menschen pflegen und wenige aktiv verteidigen (und der ja die Voraussetzung der Fragestellung der Ringvorlesung war), erreichen die hier versammelten Reflexionen vermutlich nicht. Gewünscht hätte man sich im Blick auf diese Pragmatik des Alltags auch eine explizite Thematisierung des Zusammenhngs von Leid und Gottesfrage, also die Aktualität der Frage der Theodizee, die breitenwirksam vermutlich immer noch die größte Aktualität besitzt.

Aber dennoch versammelt die in diesem Buch dokumentierte Ringvorlesung ein breites Spektrum an wissenschaftlichen Gottes-Fragen und ganz unterschiedlichen Akzentuierungen und Antworten. Das ist hoch interessant und bereichernd zu lesen.


Wörterbuch der Religionen. Ein-Blick

Überblick über den aktuellen Forschungsstand in der Wissenschaft von den Religfionen verspricht das von Christoph Auffarth, Hans G. Kippenberg und Axel Michaels herausgegebene Wörterbuch der Religionen, das das einschlägige gleichnamige Wörterbuch von Bertholet ersetzt. Das war nicht zuletzt deshalb nötig, weil sich in den letzten 50 Jahren das Selbstverständnis der Religionswissenschaft gewandelt hat, wie die Herausgeber im Vorwort betonen. Als derartige grundlegende Veränderungen, die die neue Arbeitsweise des Wörterbuchs bestimmen, benennen sie 1. das Selbstverständnis der Religionswissenschaft als Kulturwissenschaft; 2. den Anspruch, Religionen auf Augenhöhe zu begegnen. Zur Konzeption heißt es: „Das vollständig neu verfaßte Wörterbuch der Religionen orientiert mit rund 2600 Stichwörtern über die Manifestationen des Religiösen – in Gesellschaft und Wirtschaft, im privaten Verhalten, im Umgang mit dem Tod, in der Erfahrung des Göttlichen, in religiösen Gruppierungen und Festen, in Theologie, Dogma und Kritik sowie in religiösen Symbolen. Es informiert über die wichtigsten Namen und Sachbegriffe der Religionen der Welt. Zugleich weist es in die Betrachtungsweise der modernen Religionswissenschaft ein, die christlich oder antichristlich geprägte Grundbegriffe kritisch überprüft und die Religionen außereuropäischer Kulturen deren eigenem Verständnis entsprechend zu erfassen sucht. Siebzig speziell für die einzelnen Religionen zuständige Autorinnen und Autoren garantieren für zuverlässige Information aus erster Hand. Literaturhinweise und ein Glossar bieten zusätzliche Orientierungshilfe.“

Dies auf 584 Seiten zu schaffen, ist eine besondere Herausforderung. Mehr als eine schnelle Informations- und Überblickshilfe kann das Wörterbuch angesichts der Komplexität des Themenfeldes daher auch nicht sein, zumal andere Lexika zur selben Thematik in der Regel viele Bände umfassen. Überrascht hat den Rezensenten, dass trotz der Begrenztheit des Buchumfangs dennoch auch ganz elementare und für ein Wörterbuch der Religionen eigentlich unspezifische Stichworte abgehandelt werden. Das gilt z.B. für Dekonstruktion/Dekonstruktivismus, Demokratie, Hermeneutik u.ä. Auch die Vielzahl an Personenvorstellungen überrascht. Manche Sachartikel hätte man sich dagegen umfassender gewünscht. Dass ein Stichwort wie Theater bzw. Schauspiel fehlt, ist angesichts der engen Verbindung von Religion und Theater erklärungsbedürftig. Insgesamt aber ist dieses einbändige Wörterbuch für die erste Begegnung mit dem komplexen Arbeitsfeld gut geeignet. Es gehört als erste Informationsquelle auf den Schreibtisch des an der Vielfalt der Religionen interessierten Lesers.


© Andreas Mertin 2006
Magazin für Theologie und Ästhetik 43/2006
https://www.theomag.de/43/am198.htm

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