April 2007
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Liebe Leserinnen und Leser, |
diese Augabe des Magazins für Theologie und Ästhetik beschäftigt sich wieder einmal mit dem Thema Kunst und Kirche. Während die Rede von der Kultur in der Kirche inflationär und damit beliebig geworden ist, droht der direkte Kontakt mit der Kunst verloren zu gehen. Die Wahrheit der Kunst interessiert in den christlichen Kirchen anscheinend niemanden mehr in einem substantiellen Sinne. Lieber bleiben die Vertreter der Betriebssysteme Kunst und Kirche unter sich. Nun braucht die Kunst die Kirche sicher nicht (auch wenn die alte Zeitschrift "Kunst und Kirche" mit dieser verstaubten Formulierung gerade ein Heft gestaltet hat), aber die Kirche ist zur Gewinnung einer qualifizierten Geistesgegenwart dringend auf die Begegnung mit der zeitgenössischen Kunst angewiesen. Statt den Dialog mit den Künsten und den KünstlerInnen zu suchen und der Wahrheit der Kunst nachzugehen, träumen die kirchenleitenden Vertreter lieber davon, im Jahr 2030 der Kultur die Themen wieder vorzugeben. Wer auch nur etwas Einblick in die kulturelle Verfasstheit der Kirchen hat, kann diese Vision nur als Alptraum bezeichnen. Denn faktisch droht in der Kirche schon lange das, was man kulturpolitisch in der DDR den Bitterfelder Weg nannte: die Bindung der Kultur an die eigene Ideologie. Das Ergebnis in der DDR ist bekannt. Auch die Evangelische Kirche übt sich wieder in dieser Form der Auftragskunst: Aus Anlass des Paul-Gerhardt-Jubiläums wurden Künstler zur Jubiläumsgestaltung eingeladen, oder wie es in der Formuliering der EKD so schön heißt: "Paul Gerhardt wird von bildenden Künstlern entdeckt. Seine Texte und Metaphern werden zu Impulsgebern autonomer Bilder." Diese Formulierung ist schon in sich widersprüchlich und fragwürdig. Als wenn Harald Gnade, Arnulf Rainer, Volker Stelzmann, Michael Triegel und Robert Weber von sich aus Paul Gerhardt entdeckt hätten - so wie andere Künstler van Gogh, Grünewaldt oder Picasso entdeckt und bearbeitet haben. Davon kann keine Rede sein. Der "Impuls" der Kirche war eine schlichte Anfrage an Künstler und das Ergebnis daher auch schlicht nur Design oder religiöses Kunsthandwerk. Wenn man das präsentiert hätte, was Künstler in den letzten 10 Jahren von sich aus zu Paul Gerhardt geschaffen haben, hätte man eine leere Ausstellung präsentieren müssen. So aber wird eine künstliche Nachfrage geschaffen, die dann stolz als Beschäftigung der Kultur mit religiösen Themen präsentiert wird. Ridicules! Dieses Modell der post-autonomen Auftraggeberschaft der Kirche für die Künste wurde schon vor 20 Jahren als Irrweg erkannt. Dieses Heft versucht deshalb in einigen Aufsätzen noch einmal zu benennen, was auf dem Spiel steht und worin die Perspektive liegen könnte. |
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In der Rubrik ARTIKEL setzt sich Andreas Mertin mit einem Positionspapier des Leiters der Abteilung "Verkündigung, Kirchliche Dienste und Werke" der EKD, Thies Gundlach, auseinander. Darin hat dieser "Das kulturelle Engagement der EKD in pragmatischer Absicht" dergestalt dargelegt, dass Kunst in der Kirche künftig unmöglich wird. Von Horst Schwebel veröffentlichen wir einen Text aus dem Jahr 1989, in dem er präzis die Herausforderung benennt: "Jeder Versuch einer Zuordnung von Kunst, Religion und christlichem Glauben muss sich darüber im klaren sein, dass er an der Autonomie der Kunst nicht vorübergehen kann." Von Henner Herrmanns publizieren wir einen Text, den er auf dem Koblenzer Baukolloquium gehalten hat. Er fordert einen Codex, "der als architektonische Leitlinie klar definiert, welche Gotteshäuser, deren sakrale Bestimmung man nicht mehr aufrecht erhalten kann, verändert, umgebaut oder abgerissen werden dürfen." Hans-Willi Weis setzt sich in seinem Text mit dem Verhältnis von Frühromantik und aktueller Erlebnisspiritualität auseinander. Stefan Budian beschreibt seine Reiseeindrücke aus Rom. Karin Wendt wirft einen Blick auf drei ästhetische Positionen, die in spezifischer Weise für die Freiheit der Kunst stehen: Fritz Winter, Gerhard Richter und Tadao Andō: "Dass die Absage der Moderne aber auch jedem Versuch einer inhaltlichen Funktionalisierung von Kunst galt und gelten muss, scheint mir heute fast schwerer vermittelbar als man sich dies in Deutschland unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vorstellen mag". In der Rubrik REVIEWS wirft Jörg Herrmann einen Blick auf Gregor Schneiders lange Zeit umstrittenen schwarzen Kubus, der nun einen Platz in Hanburg gefunden hat. Christoph Fleischer rezensiert Wilhelm Gräbs jüngst erschienenes Buch "Sinnfragen". Andreas Mertin rezensiert eines der vielen Bücher mit Bildern zur Bibel. Unter MARGINALIEN findet sich eine kurze Stellungnahme zum Streit um die Bibel in gerechter Sprache. Die SPOTLIGHTS enthalten Hinweise auf die verschiedenen Weblogs des Magazins. |
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Wie bereits im letzten Editorial angekündigt, wird sich künftig die Grundstruktur dieser Zeitschrift ändern. Das Magazin für Theologie und Ästhetik wird demgegenüber in Zukunft als Magazin für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik verstärkt seinen Fokus auf die produktive Auseinandersetzung mit der freien, autonomen Kunst gegen ihre innerkirchlichen Vereinnahmer richten. ta katoptrizomena wird sich im documenta-Jahr 2007 mit der Ausgabe 47 als kirchen-unabhängiges Kulturmagazin zu Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik in neuer Gestalt vorstellen. Seien Sie gespannt! |
Mit herzlichen Grüßen Andreas Mertin und Karin Wendt |