Juni 2007

Liebe Leserinnen und Leser,

mit dieser Ausgabe von tà katoptrizómena positioniert sich das Magazin tà katoptrizómena neu. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben nicht nur eine optische Überarbeitung notwendig gemacht, sondern auch eine inhaltliche Neu-Fokussierung.

Gleichzeitig begrüßen wir als neuen Mitherausgeber des Magazins Prof. Dr. Dr. h.c. Horst Schwebel, einen der renommiertesten Fachleute im Bereich von Kunst, Architektur und Religion. Den Lesern und Leserinnen von tà katoptrizómena ist er durch mehrere Beiträge und Rezensionen im Magazin bereits bekannt. Sein Buch "Die Kunst und das Christentum. Geschichte eines Konflikts" ist ein Standardwerk für die Auseinandersetzung mit den Fragen, die das Magazin bewegen. Wir sind seit längerem Horst Schwebel freundschaftlich verbunden und freuen uns, dass er zugestimmt hat, dieses Magazin mit seinen Erfahrungen und Impulsen dauerhaft zu begleiten und mit zu gestalten. In Zeiten, in denen die evangelische Kirche sich offiziell von der autonomen Kunst verabschiedet, ist es um so wichtiger, dass die Vertreter "Autonomer Kunst im Raum der Kirche", zu deren Avantgardisten Horst Schwebel gehört, zusammen diese Position verteidigen und fortschreiben. Es geht um nichts weniger als um die Verteidigung der Freiheit. Es geht um die Differenzierung des Kulturbetriebs gegen die vorherrschende In-Differenz, um die Sicherung der Existenz auch der abweichenden Meinung: "Das ‚verheißene Land’ des Individuums ist der Unterschied, die Differenz. Die extreme Differenz, die durch die einzelne, unwiederholbare Existenz bestimmt wird und die aus jedem einen Dissidenten macht, frei, sich selbst zu entwerfen. Das Individuum ist einzigartig, oder es ist nicht. Das Individuum ist autonom oder es dankt ab. Es gibt kein autonomes Subjekt dort, wo die Existenz sich in vorgegebenen Rollen erschöpft" (Paolo Flores d'Arcais).

Inhaltlich konzentriert sich das Magazin künftig verstärkt auf die Künste, also auf Bildende Kunst, Architektur, Literatur und Musik. Die bisher parallel betriebene Auseinandersetzung mit der Populärkultur wird dagegen etwas in den Hintergrund treten - ohne allerdings ganz aufgegeben zu werden. In den letzten Jahren ist programmatisch von einigen Teilen der Kirche, aber auch der Kulturwissenschaften vertreten worden, es mache keinen Unterschied, ob man sich mit Trivialkultur oder Hochkultur beschäftigt. Auch in der Kulturdenkschrift der EKD lassen sich diese Töne vernehmen. Diese Ansicht teilen wir nicht (mehr). Angesichts der Vergleichgültigung der Kultur ist es an der Zeit, verstärkt das Augenmerk wieder jenen kulturellen Sektoren zuzuwenden, die uns produktiv zu einer „Neu-Kartierung menschlicher Fähigkeiten" (G. Steiner) führen. Es kann nicht sein, dass eine künstlerische Arbeit von Jochen Gerz auf derselben Ebene verhandelt wird wie ein Konzert der Kelly-Family: nämlich als bloßes Event. Es macht einen Unterschied aufs Ganze aus, dass hier künftig differenziert wird. Das beinhaltet keine Absage an die kulturwissenschaftliche Analyse der Populärkultur, nur muss diese sich an den Maßstäben der kulturwissenschaftlichen Analyse von Hochkultur messen lassen. Alles andere wäre Trug und wird uns täglich im Fernsehen vor Augen geführt: die Trivialisierung von Kultur.

Optisch wechselt das Magazin vom bestechenden Grau der Theorie der bisherigen Ausgaben zu einem helleren weißen Design, das der aktuellen Tendenz in der Präsentation künstlerischer Inhalte im Netz entspricht (White Space). Zugleich wird das Magazin etwas lesefreundlicher, weil nicht mehr der gesamte Bildschirm mit Text ausgefüllt wird (als das Magazin erstmals erschien, waren 12- oder 15-Zoll-Bildschirme Standard und das Lesen schon aus technischen Gründen einfacher; heute dominieren 19- bis 22-Zoll-Monitore den Markt und machen die Lektüre über die Bildschirmbreite beschwerlich). Das Erscheinungsbild des Magazins ist seit seinen Anfängen im Dezember 1998 nahezu unverändert geblieben. Zwar gab es immer wieder neue Kolumnen und neue inhaltliche Impulse, aber die äußere Erscheinung blieb nahezu gleich. Nach knapp acht Jahren schien uns nun eine neue Gestaltung sinnvoll zu sein.

Neben der inhaltlichen Fokussierung und der optischen Neugestaltung gibt es auch neue Rubriken:

VIEW gibt Einblicke in aktuelle Entwicklungen im kulturellen Bereich, stellt Künstler vor und nimmt zu gesellschaftlichen, theologischen und ästhetischen Fragen Stellung.

RE-VIEW bietet Rezensionen, Ausstellungsbesprechungen, Kritiken und kleinere Notizen zu kulturellen Ereignissen.

POST enthält Textbeiträge, die unabhängig von der jeweiligen Heftthematik an die Redaktion geschickt wurden. Darüber hinaus gibt es hier Impulse, Interventionen und Stellungnahmen.

POST IT ist quasi der gelbe Haftnotiz-Zettel der Redaktion, die in ihren Weblogs auf Veranstaltungen, Ausstellungen und Ereignisse verweist und diese kommentiert. Interessante Ereignisse im Bereich von Theologie und Ästhetik, Kunst und Kirche, Film und Kino und Kunstnotizen aus der Presse werden hier aufgeführt.


In der aktuellen Ausgabe von tà katoptrizómena stellen wir Ihnen einige Kunstpositionen vor, die während der documenta XII in Kassel im Rahmen der kirchlichen Begleitausstellung gezeigt werden. Die Ausstellung in Kassel heißt VISION | AUDITION und beschäftigt sich vor allem mit Medienkunst, Videokunst und Klanginstallationen. Kurator der Ausstellung ist der verantwortliche Herausgeber von tà katoptrizómena, Andreas Mertin. Sein einführender Text gibt Auskunft über Intention und Anlage der Ausstellung - zumindest soweit, wie sich dies aus der Perspektive des Kurators ergibt. Ob die evangelische Kirche in Kurhessen-Waldeck diese Perspektive teilt, muss sich erst noch zeigen. Vorgestellt werden dann von Andreas Mertin und Karin Wendt einige der Künstler der Ausstellung. Horst Schwebel steuert einen Beitrag über die Geschichte der kirchlichen Begleitaussstellungen zur documenta seit 1982 bei. (Nebenbei bemerkt: Mit Horst Schwebel, Andreas Mertin und Karin Wendt sind nun alle verantwortlichen Kuratoren der kirchlichen Begleitausstellungen zur documenta als Herausgeber von tà katoptrizómena tätig!)

Unter RE-VIEWS finden Sie Vorstellungen verschiedener Neuerscheinungen bzw. Bücher zur Thematik von Kunst und Religion.

POST beinhaltet eine wichtige Vorstellung von Projekten zum Kirchenumbau von Henner Herrmanns. Dieses Thema soll auch künftig von tà katoptrizómena kontinuierlich bearbeitet werden. Andreas Mertin gibt noch eine Resonanz auf den Artikel zur Bibel in gerechter Sprache aus der letzten Ausgabe und reagiert auf eine Äußerung einer Bischöfin.

Mit herzlichen Grüßen

Andreas Mertin, Horst Schwebel und Karin Wendt