Re-Lektüre: Belphegor

Oder das Geheimnis des Louvre

Andreas Mertin

Info Andreas MertinEs gibt Bilder, die prägen sich dauerhaft im Gedächtnis ein, so dass man sie nie mehr vergisst. Frühe Fernsehbilder etwa, wenn man als 11-Jähriger die Mondlandung, vor allem aber auch die Live-Berichterstattung im Fernsehen verfolgen durfte. In die gleiche Zeit datiert eine Fernsehserie, die ich trotz des damals in unserem Hause herrschenden Fernsehverbots – eine Ausnahme bildeten nur herausragende Ereignisse und die Tagesschau – verfolgt habe. Sie ist als quasi mythisches Ereignis in meinem (Bilder-)Gedächtnis hängen geblieben, als etwas ebenso nervenaufreibendes wie geheimnisvolles Geschehen. Die Serie lief, wenn mich meine Erinnerungen nicht trügen, im Vorabendprogramm des Ersten Deutschen Fernsehens, das jeweils von den lokalen Sendern gestaltet wurde – in meinem Fall also vom WDR. Ich habe jede Sendung verfolgt. Es war wirklich etwas kultisches.

In der Erinnerung habe ich sicher nicht mehr alle Handlungsstränge präsent gehabt: die Liebesbeziehungen des Journalisten Bellegarde z.B. haben mich noch nicht interessiert. Das abgebildete Bild von Belphegor war mir dagegen immer präsent. Und dass Juliette Greco eine tragende Rolle in der Serie hatte. Dass das Ganze zu nächtlicher Stunde im Louvre spielte gehörte ebenso zum Erinnerten. Viel präziser war meine Erinnerung nicht. Aber regelmäßig kam später im Freundeskreis unter Gleichaltrigen die Rede auf diese legendäre Fernsehserie, die offenkundig eine ganze Generation beeindruckt hat. Und wir bedauerten alle, dass sich kein Fernsehsender fand, der Belphegor wieder ausstrahlte. Anfang 2008 saß ich nun nach einem Tagungs-Workshop mit Teilnehmern zusammen und wir kamen wieder auf das Thema „Belphegor“. Ein Teilnehmer sagte, dass er als Junge auch diese Serie verfolgt habe und er nun glücklicherweise im Besitz einer DVD sei, auf der er nun die ganze Serie erneut sehen könne. Sein Geburtsjahrgang war wie der des Verfassers 1958. Ich habe mir gleich nach der Rückkehr die DVD bestellt.

Belphegor oder das Geheimnis des Louvre ist eine spannende und sehr erfolgreiche, französische Fernsehserie aus dem Jahre 1965. In Frankreich wurde sie in vier Blöcken gezeigt, in Deutschland wurde das Ganze auf 13 Sendungen mit jeweils knapp 25 Minuten aufgeteilt. Unter der Regie von Claude Barma („Die Pariserinnen“) und nach einem Drehbuch von Jaques Armand und Claude Barma spielten in den Hauptrollen Yves Rénier („Der Graf von Monte Christo“, Paul Crauchet („L' Armée des ombres“, „Le Cercle rouge“), René Dary („Kommissar Cabrol ermittelt“, Juliette Gréco („Onkel Toms Hütte“, „Der eiserne Handschuh“, Christine Delaroche („Mit Schirme, Charme und Melone“) und Sylvie („Le Corbeau“). In der Internet-Movie-Database wird die Serie mit 8,3 von 10 Punkten bewertet (s. o. Abb.). Offenkundig ist die Serie vor allem etwas für männliche Fernsehzuschauer. 

Ich habe mir, um die Bedingungen der früheren Wahrnehmung der Serie zu reproduzieren, die 13 Folgen über einen längeren Zeitraum angesehen, nie mehr als eine Folge am Abend. Der erste Eindruck war etwas anders als der, der sich in der Erinnerung festgesetzt hatte. Man muss sich an die Filme der 60er-Jahre erst wieder gewöhnen, man muss zum Beispiel realisieren, wie viel damals noch über weitschweifige Dialoge und wie wenig über Bildinszenierungen vermittelt wurde. Das Bild dient weitestgehend nur als Transportmittel. Nur an wenigen Stellen – viel weniger als ich es in Erinnerung hatte – bekommt das Bild eine eigene Bedeutung. Vor allem in den Inszenierungen im Louvre selbst, wenn Schatten und Licht, Auftritt und Verschwinden des Phantoms eine Rolle spielen. Dann ist selbst für Kino- und Fernseh-verwöhnte Augen des 21. Jahrhunderts noch Spannung im Bild.

Die Handlung selbst erscheint mir aus heutiger Perspektive etwas langatmig und sprunghaft zu sein, insbesondere für die damaligen deutschen Zuschauer, die ja nicht vier abendfüllende Filme hatten, sondern nur 25-Minuten-Episoden. Auch wird das Genre immer wieder gebrochen, etwa wenn slapstickartig zwei Wärter im Louvre sich darum streiten, wer die Venus von Milo einer Intimwäsche unterziehen darf. Dennoch ist die Re-Lektüre überaus interessant und sie ist nicht nur als Re-Lektüre interessant. Der Stoff selbst wurde 2001 von Jean Paul Salomé fürs Kino adaptiert, nicht ohne liebevolle Anspielungen auf den Vorgänger aus den 60er-Jahren.

Wer sich nicht gleich die DVD kaufen will, um sich die Abende vom Geheimnis des Louvre verzaubern zu lassen, der kann auf der folgenden Webseite sich visuelle Inspirationen holen:

http://www.dunwich.org/tv/belphego/album/fullindex.html

Oder er kann sich folgende gute Zusammenfassung der Spannungsmotivik der Serie anschauen, die ich auf Youtube fand:

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/52/am242.htm
© Andreas Mertin