Religiöse Räume |
Interreligiöse GastfreundschaftOffene Angebote in ZürichAndreas Mertin Die Bahnhofkirche ZürichDie Symbole der Weltreligionen sind unübersehbar in der Bahnhofskirche von Zürich präsent. Das überrascht zunächst, ist der Gestus des Christentums gegenüber anderen Religionen in der letzten Zeit keinesfalls der der offenen Einladung. Klarheit und Abgrenzung ist eher angesagt. Vielleicht liegt es daran, dass in der Schweiz die Uhren anders ticken, dass hier offener und kosmopolitischer mit den Menschen umgegangen wird. Wer auf die Seiten bundesdeutscher Flughafenkapellen geht, der wird von Kreuzen nur so zugepflastert. Ganz anders in Zürich. Der Raum in der Zwischenebene ist äußerst reduziert, architektonisch und künstlerisch sicher wenig anspruchsvoll, sondern aufs Elementare beschränkt. Die Bahnhofskirche in Zürich wurde 2001 eingerichtet und kann auf einen regen Zuspruch verweisen. Laut Jahresbericht 2007 kommen täglich zwischen 300 und 500 Personen in die Kapelle, eine Zahl, auf die die Mehrzahl aller Kirchen in der Welt vermutlich außerordentlich stolz wäre. Die Menschen kommen aber nicht aus touristischen Gründen, sondern suchen Ruhe in der Hektik des Alltags, kommen mit konkreten Anliegen und Sorgen. Offenkundig entspricht die Gesamtinszenierung diesen Bedürfnissen. Besondere Aufmerksamkeit wurde auf die persönliche Geste (Kerzen) gelegt, auf die Meditation und das Eingedenken. Das Angebot zur Lektüre der Heiligen Schriften und zum persönlichen Gebet ist entsprechend akzentuiert. Die Sihlcity-KircheEin vergleichbares Angebot gibt es seit März 2007 nun auch im neu entstandenen Zürcher Einkaufszentrum Sihl, indem unter ähnlichen Vorzeichen das Angebot zur Besinnung und zum Gebet gemacht wird. Auch hier die Symbole der Weltreligionen, auch hier mit aller erfrischenden Selbstverständlichkeit der Gebetsteppich für die Muslime samt Markierung der Ausrichtung nach Mekka. Wo in anderen Ländern kirchliche Verlautbarungen herausgegeben werden, man dürfe auf keinen Fall mit sondern nur neben Muslimen beten, herrscht in der Schweiz offenkundig ganz selbstverständlich interreligiöse Gastfreundschaft. Und dass auf diese auch zurückgegriffen wird, zeigen die Berichte über das Projekt. (NZZ-Online *** SF 1) Die Gestaltung des gesamten Angebotes ist aufwändiger als in der Bahnhofkirche. Das Architekturbüro hat 2008 einen Preis für die Sihlcity-Kirche bekommen. Nicht ganz so überzeugend ist die Glasgestaltung der Kapelle, die dem Konventionellen nicht entkommen kann und entsprechende Erwartungen befriedigt. Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Sihlcity-Kirche Flughafenkapelle ZürichDas dritte und älteste Element neben Bahnhofkirche und Kapelle im Einkaufszentrum ist die Flughafenkapelle in Zürich. Zur Entstehung und Konzeption heißt es auf der Webseite: „Im Sommer 1996 fanden die ersten Gespräche über die Errichtung einer Flughafenseelsorge zwischen der Flughafendirektion Zürich und dem Reformierten Kirchenrat statt … Bei allen Beteiligten stand der Wunsch im Mittelpunkt, eine Seelsorgestelle zu schaffen, die ihren Dienst in "ökumenischem Geist" wahrnimmt … Die Seelsorger stehen allen Menschen - unabhängig von Glaube, Religion und Weltanschauung - für Gespräche und Begegnungen zur Verfügung. Sie wollen sich für eine zeitgemässe Seelsorge einsetzen, die sich am Evangelium Jesu orientiert und wo die Wertschätzung jedes Menschen, zu jeder Zeit, im Zentrum steht. Das anvisierte Ziel dieses kirchlichen Handelns ist die neue Haltung, nämlich von einer "Komm her-Kirche" zu einer "Geh hin-Kirche" zu gelangen.“ KommentarDas Besondere an den Angeboten in Zürich ist sicher ihre konsequente Interreligiosität. Auch wenn es erkennbar ein christliches Angebot ist, so überzeugt es doch in der Einladung an alle. Mit diesem Modell ist ein erster notwendiger Schritt hin zur gemeinsamen Besinnung der Religionen vollzogen. Dass es um etwas Gemeinsames geht, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, dass es wichtiger ist, dem Menschen zu dienen, statt interreligiöse Grenzen zu ziehen, wird in Zürich deutlich. Die Resonanz zeigt, dass dieses Modell nicht nur ein bloßes Angebot ist, sondern von Angehörigen anderer Religionen tatsächlich auch genutzt wird. Der nächste Schritt wäre dann ein Seelsorge- und Raum-Angebot, dass von verschiedenen Religionen getragen und betrieben wird. Und es müsste ein räumliches Angebot sein, dass sich auch raumästhetisch in diese Richtung bewegt. |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/54/am251.htm
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