Oktober 2009

Liebe Leserinnen und Leser,

dies ist ein ganz besonderes Heft des Magazins für Theologie und Ästhetik. Das Verhältnis von Theologie und Film bzw. Kino ist eines der ganz wenigen kulturellen Felder, auf denen die christlichen Kirchen seit Jahrzehnten auf der Höhe der Zeit und auf Augenhöhe mit den Verantwortlichen sind. Man könnte am Beispiel der Arnoldshainer Filmgespräche zeigen, wie dieser offene Dialog von Film- und Religionskultur auf hohem Niveau geschaffen und gepflegt wurde. Diese Gespräche, die längst auch an anderen Orten und anderen Akademien geführt werden, sind ein Pfund theologischer Kulturarbeit, mit dem es auch in Zukunft zu wuchern gilt. In einer Zeit, in der alles nur instrumentalisiert und ökonomisiert wird, sind diese Begegnungen unersetzlich.

Einem solchen Gespräch verdankt sich auch dieses Heft, das auf eine Veranstaltung der Katholischen Akademie Hamburgs und der Evangelischen Akademie der Nordelbischen Kirche zurückgeht und von Jörg Herrmann redaktionell betreut wurde.

„Die Gegenwart der Vergangenheit. Filmische Formen der Inszenierung von Geschichte“

war das Thema der Veranstaltung. Nähere Informationen zur Genese vermittelt das Vorwort zu diesem Heft von Jörg Herrmann und Hans-Gerd Schwandt.

Unter VIEW finden Sie zunächst die Einleitung in die Thematik des Heftes von Jörg Herrmann. Cristina Nord setzt sich in ihrem Beitrag zur Darstellung deutscher Geschichte in jüngeren Kinofilmen mit dem Baader-Meinhof-Film und dem Film "Der Untergang" und dem Dokumentarfilm „Im toten Winkel – Hitlers Sekretärin“ auseinander. Martin Bauer analysiert Geschichte und Erinnerung in Claude Lanzmanns Filmästhetik. Kay Hoffmann untersucht Neue Formen der filmischen Inszenierung von Geschichte. Hans J. Wulff setzt sich unter dem Titel "Der Schock des Realen" mit der ästhetischen und politischen Wirkungsdramaturgie von Ari Folmans "Waltz with Bashir" auseinander. Reinhold Zwick eröffnet eine filmtheologische Perspektive auf memoria passionis im Film. Hans Gerhold schließlich unternimmt einen Streifzug durch Widersprüche in Filmen mit historischer Ikonographie.

Unter RE-VIEW haben wir noch einmal für die Leserinnen und Leser die bisherigen thematischen Beiträge zu Film und Kino im Magazin für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik übersichtlich zusammengestellt. Youtube ermöglicht uns einen Blick in die ästhetischen Experimente des frühen Kinos, hier Walter Ruttmanns "Opus 1" aus dem Jahr 1921. Gerade an der Person von Walter Ruttmann könnte man noch viel zum Verhältnis von Film und Geschichte schreiben. Dazu weiter unten mehr. Andreas Mertin stellt die schwergewichtige Arbeit von Thomas Kroll über Wim Wenders Himmel über Berlin vor. Horst Schwebel rezensiert einen neuen Kommentar zur Poetik des Aristoteles. Andreas Mertin stellt ein jüngst erschienes Buch zur Popkultur vor.

Unter POST stehen kritische Interventionen von Andreas Mertin zur neuen Leitbildkultur des Protestantismus.

[Update April 2022: Ursprünglich enthielt diese Ausgabe des Magazins für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik auch einen Text über den Umgang einen konservativen katholischen Theologen mit der gendergerechten Sprache und hier insbesondere in der Bibel für gerechte Sprache. Auf Wunsch des Betroffenen haben wir diesen Text nun entfernt, auch wenn wir an der dargestellten Bewertung festhalten. Aber da das Internet die Eigenschaft hat, auch Texte, die schon Jahrzehnte alt sind, präsent zu halten, wirken Bewertungen, die man 2009 vorgenommen hat, auch auf Menschen weiter, die vielleicht / hoffentlich 2022 ganz andere Einstellunggen zum Sachverhalt haben. Dann ist so eine alte Auseinandersetzung ein dunkler Schatten, den man mitschleppt. Das muss nicht sein. In der Sache werden wir uns freilich, weil es ein so ungewöhnlicher Fall ist, im Magazin noch einmal damit beschäftigen. A.M.]


Mit herzlichen Grüßen

Andreas Mertin, Horst Schwebel und Karin Wendt