Landschaften |
Dezember 2009 Liebe Leserinnen und Leser, Das vorliegende Heft des Magazins behandelt das Thema Landschaften. Wir greifen damit einen Begriff auf, der seine europäisch vertraute Prägung durch die Kunst der Renaissance erfahren hat. Für das Titelbild des Hefts haben wir daher ein Gemälde ausgewählt, das eine solche klassische Renaissance-Landschaft zeigt und sie zugleich bis heute rätselhaft verschlüsselt: „Das Gewitter“ (ca. 1508) des venezianischen Malers Giorgione da Castelfranco (1478-1510), das sich heute in der Accademia in Venedig befindet. Das kleinformatige Ölbild gehört zu den „poesie“ genannten Bildern, die für einen engen Kreis von Sammlern entstanden sind. Der Venezianer Marcantonio Michiel beschreibt es seinen „Notizie d'opere di disegno“ (1530) als „kleine Landschaft mit dem Sturm, der Zigeunerin und dem Soldaten [...]“.
Im Begriff der Landschaft spielen ästhetische, philosophische und ideologische Aspekte nicht nur eine je mehr oder weniger konkrete Rolle, sondern sie spielen auf komplexe Art und Weise ineinander. „Landschaften“, so könnte man frei formulieren, sind nicht nur einfach da, so dass wir sie aufsuchen oder auf sie zeigen können, sondern sie sind bereits das Ergebnis eines langen Symbolisierungsprozesses, der auf die Geschichte ihres Gewordenseins verweist. Nun könnte man dies vielleicht von jedem im weitesten Sinne kulturgeschichtlich geprägten Begriff sagen. Gleichwohl lässt sich anhand der Befragung von Landschaften besonders gut veranschaulichen, wie unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit eben von dieser doppelten Perspektive bestimmt ist. Diese kulturelle Scharnierfunktion der Landschaft fächern die hier versammelten Beiträge in vielfältiger Weise auf. Unter VIEW finden Sie einen einleitenden Text zur Heftthematik von Karin Wendt. David Ganz liefert eine umfangreiche Studie zur Geschichte visionärer Sehräume am Beispiel der Insel Patmos. Der Text von Norbert Fischer geht dem postmodernen Landschaftswandel des Hamburger Umlands zur Metropolregion nach. Frauke Kurbacher befasst sich mit dem Begriff der „Seelenlandschaft“. Ausgehend von der Analyse eines Cranach-Bildes diskutiert Andreas Mertin Formen der (protestantischen) Landschaftspflege als symbolische Akte. Unter RE-VIEW finden Sie die Aufzeichnung eines Interviews, das Horst Schwebel Ende der 70er Jahre mit Dieter Wellersdorf geführt hat. Im engagierten Gespräch erörtern beide das Für und Wider einer Welt ohne Religion. Zur Vorweihnachtszeit stellt Christoph Fleischer verschiedene Bücher vor. Unter POST kommentiert Andreas Mertin die Reaktionen der EKD nach Herta Müllers Dankesrede in der Frankfurter Paulskirche anlässlich der Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreis. Außerdem stellt er das neue Internetportal der EKD vor und erschließt die visuelle Botschaft eines Medienbildes vom Einführungsgottesdienst der neuen Bischöfin. Mit herzlichen Grüßen Andreas Mertin, Horst Schwebel und Karin Wendt |