Im Labyrinth XXXII

Moderne virtuell

Karin Wendt

Nun schon seit längerem präsentieren Museen mindestens einen Teil ihrer Sammlung auf den hauseigenen Internetseiten. Die mediale Präsenz dient der Werbung für aktuelle Ausstellungen und bietet Kurzinformationen für Besucher. Das seit kurzem im Netz eröffnete und noch im Aufbau befindliche virtuelle museum moderne nrw versteht sich dagegen im eigentlichen – und zwar in einem doppelten – Sinne als ein virtuelles Museum. Es ist ein Zusammenschluss von derzeit vierzehn Museen in Nordrhein-Westfalen, die ihre Bestände zur Kunst der Moderne dort sammeln. Der so entstehende Verbundkatalog enthält seinerseits alle touristischen Dienste vom Routenplaner bis zur Hotelinfo und er bietet zudem die Möglichkeit, sich seine eigene „Sammlung“ zusammenzustellen. Zur Begründung des Sammlungsschwerpunkts heißt es:

„Das virtuelle museum moderne nrw widmet sich einem speziellen Bereich der Kunst – jenem facettenreichen Phänomen der Moderne, dem die nordrhein-westfälischen Museen mit ihren Sammlungen so umfassend und konstant nachgegangen sind. Die künstlerische Moderne berührt ein Geflecht historischer und aktueller Ereignisse, Lebenszusammenhänge und Sichtweisen [...]. Sie umfasst kontroverse Positionen, umschließt ebenso individuelle, künstlereigene Perspektiven wie kultur- oder kunsthistorische Bestimmungen, die im Blick auf die Kunst und Ästhetik der Zeit, ihre politischen und gesellschaftlichen Bezüge, ihre Verfahren und Techniken gewonnen wurden.“

Das systematische Interesse gilt also auch der Genese von Sammlungen der modernen Kunst. Wann wurde wo wer und wie gesammelt? Welche Schwerpunkte sind erkennbar, gibt es Wechselwirkungen? Was sind die zeitgeschichtlichen und was sind die kunsthistorischen Impulse?  Was haben die Sammlungen mit dem Selbstverständnis der jeweiligen Institution und was mit ihren jeweiligen Leitern zu tun? Einen Einstieg empfehle ich über den Link „Sitemap“. Dort kann man sich den Aufbau vergegenwärtigen und nach und nach erschließen. Die Selbstbeschreibung des Projekts, das „wie ein realer Museumsraum“ funktionieren soll, finde ich jedoch nur bedingt zutreffend. Es entsteht eher ein museales Mapping, kein realer Raum. Die Kunstwerke sind mehrfach rubriziert, so kann man unter den Stichworten „Künstler“, „Museen“, „Orte“ und „Themen“ darauf zugreifen. Interessant finde ich die thematische Kategorisierung. Wählt man diesen Suchbegriff, so ergeben sich ungewohnte Konstellationen, mitunter auch Einordnungen, die man selbst vielleicht anders gewählt hätte. Die thematischen Begriffe beschränken sich jedoch  auf stilistische Merkmale wie „Gestisches“, „Licht“, „Farbe/Modulation“ oder „Performance“. Hier hätte ich mir eine weitere stärker inhaltliche Zuordnung gewünscht, gerade bei den ja fast ausnahmslos nicht figurativen Werken der Moderne. Fast fünfzig Jahre nach der Zweiten Moderne der 60er Jahre geht es heute auch darum, die Argumente der künstlerischen Moderne kennenzulernen und zu verstehen und nicht nur ihre Stilgeschichte zu schreiben.

Das Meta-Museum kann man weiter nutzen, indem man alle die Kunstwerke, über die man Informationen gesammelt hat, gesondert speichert. Das ist nicht uninteressant, denn es zeigt, nach welchen Gesichtspunkten man selbst bestimmte Arbeiten auswählt und konstelliert, je nachdem welche konzeptuellen Voraussetzungen man wählt. Aber auch hier ist es schade, dass auf eine 3-D-Präsentation und sogar auf eine Funktion, die die gesammelten Werke auf einer Seite darstellen würde (!) ganz verzichtet wird. Gerade für die eigene Sammlung wäre es schön, wenn man sie als temporäre Ausstellung auch „hängen“ könnte, mindestens aber optisch vereinen könnte. Diese Möglichkeit bleibt gleichsam ausgelagert und den Softwaremöglichkeiten der Nutzer überlassen. So bleibt alles insgesamt sehr unsinnlich.  Dass die interaktive Funktion für den Aufbau eigener Datenbanken genutzt wird, glaube ich deshalb nicht, weil die Auflösung der Bilder nicht gerade hoch ist. Hier hat die Webgallery of Art Standards gesetzt, hinter denen das Virtuelle Museum Moderne NRW dann doch bis jetzt zurückfällt. Einer der Gründe dafür dürfte natürlich in den Bildrechten für moderne Kunst liegen, die deren Reproduktion ja streng limitieren.

Was die Plattform leistet, ist eine sukzessive Inventarisierung der modernen Sammlungen in NRW. Für Besucher ist sie so etwa bei der Reiseplanung und der gezielten Suche nach Informationen zu Künstlern, Werken und den Gegebenheiten in den Museen vor Ort sicher ab und an nützlich.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/64/kw65.htm
© Karin Wendt, 2010