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Authentizitätskultur? - Videoclips XXIXBesprechungen ausgewählter MusikclipsAndreas Mertin
Und trotzdem will einem die jugendbewegte Absage an das Authentizitäts-Konzept nicht ganz und gar einleuchten. Denn seitdem Madonna das Authentizitäts-Konzept der alten Avantgarden a la Rolling Stones oder Bon Jovi in ein variables Stil-Konzept überführt hat, ohne es gleich der Beliebigkeit preiszugeben, muss Authentizität heute als Stimmigkeit beurteilt werden. Und da lässt sich zeigen, dass die wenigsten Pop-Künstler auf das Konzept des Stils oder der Stimmigkeit verzichten. Einen Videoclip von Katy Perry, der Goodwill-Ikone der Mittelschicht, wird man immer wieder erkennen. Sie kann die Themen wechseln sooft sie will, aber der Stil bleibt doch kenntlich, die angedeutete Grenzüberschreitung die deutlich vor der Grenze bleibt. Ein Video von Pink zeichnet die gleiche Charakteristik aus, der beschwingte Aufstieg aus schlechten Vorausetzungen und ungünstigfen sozialen Gegebenheiten, der gegen eine We3lt durchgesetzt wird, die sich an anderen Idealen orientiert. F**ckin’ Perfect eben. Katy Perry könnte F**ckin’ Perfect nicht machen schon gar nicht mit diesen Bildern. Und Pink wäre Friday night einfach nur peinlich. Wenn das aber so ist, dann sind Restelemente des Konzeptes Authentizität doch noch vorhanden. Und sie gehen über die bloße Inszenierung hinaus. Jugendliche als taffe Medienkonsumenten zu charakterisieren, die die Inszenierungen der Medienwelten durchschauen, weil sie sich selbst inszenieren und die Inszenierung inzwischen universal geworden ist, bringt einen nicht wirklich weiter. Denn die gleichen Jugendlichen nutzen das Zeichensetting trotzdem als Empowerment im Rahmen eines Stil-Konzeptes.
Die Kritik ist angesichts der fehlenden Kategorisierbarkeit der Absolventin der London School for Performing Arts & Technology gelinde gesagt irritiert: Music critic Matthew Perpetua of Pitchfork Media compared Jessie J to her peers Adele and Amy Winehouse, but admitted she was missing something: "Whereas Adele and Winehouse also have powerhouse voices, they fit into clear aesthetic niches and invest their songs with depth and humanity. Jessie J doesn't have even a fraction of their restraint." Perpetua added: "Her idea of showcasing her gift is to shoot for a blaring melisma on "Mamma Knows Best" that makes Christina Aguilera seem as subtle as Joni Mitchell by comparison." Ailbhe Malone of the music magazine NME also recognized Cornish's "undeniably potent voice". However, she pointed out the possible "identity crisis" that might have been caused by Jessie's songwriter past: "This is an album of singles for other artists. There’s Rihanna Jessie (‘Do It...’), Perry Jessie (‘Abracadabra’), Pixie Jessie (‘Mamma Knows Best’), Ellie Jessie ('Big White Room')." (Wikipedia)
*** Hinweisen möchte ich noch auf zwei Clips, die ich eher zufällig bei der kursorischen Lektüre meines Videoclip-Streams von Google+ entdeckt habe und an denen mein Auge dann hängen geblieben ist. William Shatner Bohemian RhapsodyEs ist irgendwie komisch, als Captain Kirk fand ich William Shatner immer ziemlich affig und überhaupt nicht kultig. Schätzen gelernt habe ich den 1931 geborenen Kanadier erst mit der Rolle des Denny Crane in der Serie Boston Legal, die zwischen 2004 und 2008 gedreht wurde.
Der Clip ruft zum einen durch die Untertitelung den Liedtext von Bohemian Rhapsody in Erinnerung, positioniert das Ganze in eine kitschige Liebesszene vor Weltraumhintergrund und lässt ansonsten Shatner als Schemen vor dem Universum vor sich hin brabbeln. Das ist sicher urkomisch, erfüllt aber keinerlei Ansprüche an Qualität oder Stimmigkeit, sondern ist eher schon burlesk. Ein Blog titelte: That ... Was Painful: William Shatner Covering Queen's 'Bohemian Rhapsody' (Terribly). Wie wahr. Anschauen kann man es sich trotzdem. Hold your horses - 70 MillionDieses Video reinszeniert einige der so genannten Meisterwerke der Malerei in videoästhetischer Form. Das hat seit bald 20 Jahren eine gewisse Tradition in der Popkultur und wurde schon von Gruppen wie R.E.M. in „Losing my religion“ (Hommage an Caravaggio), Metallica in „Until it sleeps (Hommage an Hieronymus Bosch) oder Michael & Janet Jackson in „Scream“ (Hommage an die jüngere Kunstgeschichte) eingesetzt. Bei Hold your horses ist nun in „70 Million“ ein heiteres Gemälde-Raten daraus geworden. Jeder kann am Videoclip seine Grundkenntnisse abendländischer Kunstgeschichte überprüfen. Fans haben als Video-Response selbstverständlich längst eine Fassung erstellt, die die verwendeten Gemälde decouvriert. Aber schauen und raten Sie selbst: |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/74/am372.htm
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