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Videoclips XXXFuckin’ perfect - StereoAndreas Mertin Unterschiedlicher könnten die Videos, die ich heute vorstellen möchte, kaum sein. Ein Video, das nahezu perfekt menschliches Empowerment betreibt und eines, das mit klassischen Vorurteilen aus dem 19. Jahrhundert operiert und auf der Klaviatur gesellschaftlicher „Stereotypen“ spielt und letztlich in alte Rollenklischees zurückfällt. Pink: Fuckin’ perfectWie häufig bei Pink ist das Musikvideo sehr zugespitzt, aber auch beeindruckend. In diesem Falle geht es im Rückblick um die Biographie einer jungen Frau vom kleinen Mädchen bis zu ihrem aktuellen Weg zum Erfolg. In die Zuspitzung ist das Video streckenweise schwer auszuhalten, aber es ist für die Auseinandersetzung auch sehr lohnend. Das Online-Lexikon Wikipedia fasst die Story des Videoclips so zusammen:
Theatralisch ist das Ganze relativ klassisch nach dem Fünf-Akte-Schema des Regeldramas aufgebaut, von der Exposition über die Steigerung/Komplikation zur Peripetie und zurück über die Retardation zur Lysis. Das ist ein für Videoclips mit narrativem Gehalt häufig verwendeter Aufbau. Mit Lessing kann man davon ausgehen, dass er vor allem auf das Mitleid des Zuschauers zielt und auf dessen Katharsis zielt: „Durch das Mitfühlen solle im Zuschauer eine Wandlung vor sich gehen, die ihn tugendhafter mache.“ (Wikipedia, Hamburgische Dramaturgie) „Tugendhafter“ wäre hier aber moderner zu übersetzen mit (weiblichem) Empowerment im Sinne der Beschreibung die John Fiske dem Phänomen in seinen „Lesarten des Populären“ am Beispiel von Madonna gegeben hat.[1] Danach werden Rollenmodelle akzentuiert, die Nutzerinnen und Nutzer reflektieren und gegebenenfalls übernehmen können. Anna Abreu StereoNach dem ersten Betrachten des Videos zu „Stereo“ von Anna Abreu kann man nur feststellen: Da hat wohl jemand zu viel Sister Act gesehen und gedacht, das machen wir auch, packen noch ein paar scheinbare Verruchtheiten wie lesbische Liebe und Zigaretten rauchende und Karten spielende Nonnen oben drauf und hoffen dann, damit öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Aber so geht das nicht, der Funke springt nicht über (im doppelten Wortsinn) und das Ganze ist nur peinlich. Ein Studienobjekt für misslingende und klischeehafte Inszenierungsstrategien. Wenn man sich fragt, warum religiöse Menschen manchmal religionskritische Menschen belächeln, dann sollte man auf solche Produkte schauen, da findet man die Ursache. Eine Ansammlung von Klischees macht noch keine spannende Story. Der Plot: Ein Mädchen wird in ein karges Frauenkloster gebracht und trifft dort auf eine Gruppe gelangweilter und daher zu diversen Sünden bereiter Nonnen. Nach ein paar Tanzbewegungen und ein paar heißen Küssen flieht Frau mit einer neu gefundenen Partnerin aus dem Kerker der Religion in die Freiheit. Das Lied ist samt visueller Umsetzung dem Musikantenstadl verwandter als irgendeiner kritischen Aufklärung in Sachen Religion. In einem englischsprachigen Blog fand ich folgende Ankündigung: Want to see lesbian nuns kung-fu kicking a church bell? Well, we just happen to have the video for you. Und genau so ist es dann auch. Nun ist die Sängerin Anna Abreu aus Finnland, das, wie wir ja alle wissen, voll von derartigen merkwürdigen katholischen Frauenklöstern ist. 78% der Finnen gehören der ev.-luth. Kirche an, 1,1% der orthodoxen Kirche. Die Zeugen Jehovas haben 19.00 Anhänger. Und die römisch-katholische Kirche? Nun ganze 10.00 Mitglieder, vor allem Einwanderer aus Polen. 0,2 % der Bevölkerung sind also katholisch. Wie soll man also ein Video nennen, das mit derartigen Klischees operiert? Verhetzend? Dumm? Auf billige Reflexe spekulierend? Der Schaden, der hier angerichtet wird, trifft ja weniger die Religion. Nur außerordentlich dumme Menschen halten das für ein Abbild dessen, was in einem Frauenkloster normalerweise passiert. Der Schaden betrifft die Kultur an sich, die Standards, auf die wir uns in der (visuellen) Kommunikation einlassen. Nun kann man sagen, von einem Teilnehmer eines finnischen Idol-Wettbewerbs (also der deutschen Variante von DSDS) würde man eh’ nicht mehr erwarten. Aber das heißt, von vornherein auf jeden kulturellen Anspruch zu verzichten. Dirk Käsler schrieb 1995 angesichts eines ähnlichen Spektakels: ‘Wer unbekanntes und unpraktiziertes Christentum zur Theaterkulisse für harmonische Abendunterhaltung verkommen lässt, dem droht religiöser Analphabetismus, er wird Opfer der völligen Entsakralisierung des Lebens. Genau wie diejenigen, die Karneval und Fasching als Dauerparty missverstehen und nicht um den inneren Zusammenhang von Aschermittwoch und Fastenzeit wissen. Den Preis dafür zahlen wir, nicht die Religion’. [2] So ist es. Anmerkungen |
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Artikelnachweis: https://www.theomag.de/75/am378.htm
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