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Imprimatur

Eine Glosse

Andreas Mertin

Ein katholischer Geistlicher, der gegenüber Andersdenkenden schon mal gerne in der Jungen Freiheit mit verzerrenden Argumenten austeilte, hat nun vom Augsburger Bischof Zdarsa ein Schreibverbot – wohl insbesondere für die Junge Freiheit – auferlegt bekommen. Alle öffentlichen Schriften muss er, wie verlautet, künftig den Vorgesetzten vorlegen.

Eine nähere Begründung gab es für die Publikationseinschränkung nicht. Das ist bedauerlich, wie Gerd Häfner in seinem Blog Lectio brevior betonte: „ … auch als Nichtbetroffener hätte ich gern erfahren, warum das Veröffentlichungsverbot ausgesprochen wurde. Hat der Bischof Bedenken, dass ein Amtsträger seines Bistums regelmäßig in einer Zeitung publiziert, der »Scharnierfunktion zwischen dem rechtskonservativen und dem rechtsextremen Spektrum« zugeschrieben wird? Wenn es sich so verhält, wäre es gut, dies auch auszusprechen. Dann ergäbe sich eine politische Positionierung, die dem Vorwurf die Grundlage entziehen könnte, es solle einfach eine unliebsame Stimme zum Schweigen gebracht werden. Denn eigentlich verdient ein von oben verordnetes Publikationsverbot keine Sympathie. Darüber muss man nicht viele Worte verlieren.“ Da hat Häfner wirklich Recht. Eine deutliche Positionierung des Bischofs wäre hilfreich gewesen. Und ich finde es schon befremdlich, wie viele konservative religiöse Menschen in einem Blatt schreiben, in dem auch NPD-Funktionäre und Antisemiten zu Wort kommen. Hier wäre eine klare Begründung, dass dies nicht dem Willen der Amtskirche entspricht, hilfreich gewesen. Vielleicht wäre es noch besser gewesen, Bischof Zdarsa hätte die Publikationstätigkeit scharf kritisiert – ohne sie einzuschränken.

Für mich ist das Lustigste am ganzen Vorgang, dass die Mehrzahl der nun empört Zensur! Schreienden zu den vehementen Kritikern des II. Vatikanums gehören. Dabei war es ausgerechnet dieses Reformkonzil, das das nihil obstat weitgehend eingeschränkt hat: „Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil brauchte jede Buchveröffentlichung von Lehrern der katholischen Theologie, Priestern und Ordensangehörigen das Imprimatur.“ [wikipedia] Man muss sich schon entscheiden, was man will: die Freiheit in der Kirche und damit das II. Vatikanum oder die altgläubige Treue zu den Vorgesetzten. Da besteht ein Widerspruch in der Sache.

Dieser Vorfall ist beileibe kein spezifisches Charakteristikum der katholischen Kirche. Die aktuellen Auseinandersetzungen um die Berner Pfarrerin Christine Dietrich, die lange Zeit führend im Blog Politically Incorrect aktiv war und dafür von der reformierten Kirchenleitung gerügt wurde, zeigen, dass keine Konfession vor Auswüchsen in die rechten Ränder gefeit sind.

Es besteht daher für beide großen Konfessionen die Notwendigkeit, deutlich zu sagen und zu zeigen, wo ihre Grenzen nach Rechts sind.

[Update 04.05.2023:
Dies ist eine überarbeitete und gekürzte Version des ursprünglichen Artikels.]

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/75/am381.htm
© Andreas Mertin, 2012