Wozu geht der Theologe ins Kino?


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Dezember 2013

Liebe Leserinnen und Leser,

nicht erst seit den Zeiten der Dialektischen Theologie gibt es eine Kontroverse darüber, welche Bedeutung die Kultur für die Theologie, für die Religion und den Glauben hat. Unbestreitbar haben religiöse Kulturwerke das Gesicht der Erde verändert. Am Beispiel der Kunst: Mit der Darstellung der Maße des Menschlichen durch Giotto, mit der Darstellung Marias anstelle des Weltgerichts am Tympanon der mittelalterlichen Kathedralen, mit der Entdeckung der Landschaft als religiösem Bedeutungsträger durch Caspar David Friedrich wurde auch die Theologie verändert. Die Frage ist, inwiefern die Kultur nur akzentuierte, was vorher schon in den Heiligen Schriften angelegt war (Menschlichkeit, Gnade, Gefühl) oder ob sie auch religionsproduktiv ist. Waren früher die theologischen Fronten im Gegensatz von liberaler und dialektischer Theologie noch übersichtlich, so herrscht heute eher eine Art von neuer Unübersichtlichkeit. Quer durch alle theologischen Strömungen werden inzwischen Kunst- und Kulturprojekte betrieben, während der genaue theologische Gewinn weiterhin umstritten ist. Was erkennen wir in der Auseinandersetzung mit Werken der Kultur? Ist es nur das Eigene im Fremden? Ist es das Fremde als bleibend Fremdes? Ist es etwas Fremdes, das zum Eigenen wird?

Wir haben daher einige an dieser Diskussion Beteiligten und Interessierten gefragt: Warum machen wir das – uns mit dem Kino, der Literatur, der Bildenden Kunst, der Musik, der Oper, dem Theater auseinanderzusetzen? Weil wir uns für Kultur interessieren – oder weil es einen theologischen Mehrwert gibt? Und wie lässt sich dieser gegebenenfalls beschreiben und klassifizieren?

Das aktuelle Heft des Magazins für Kunst | Kultur | Theologie | Ästhetik dokumentiert die Antworten auf diese Fragestellung unter dem Titelzitat „Wozu geht der Theologe ins Kino?“ Ein Zitat ist das insofern, als vor gut 20 Jahren die Pastoraltheologie ein Heft veröffentlichte unter dem Titel „Kirche geht ins Kino“ und Hans Jürgen Benedict darin einen Text publizierte mit dem Titel „Der Theologe geht ins Kino“. Wir fragen heute: Warum und wozu? Geantwortet haben Autoren mit unterschiedlichen kulturellen Anbindungen und theologischen Perspektiven. Nicht nur das Kino war Anknüpfungspunkt, wenn auch die Mehrzahl der Beiträge sich genau darauf bezieht.

Das Heft wird eröffnet von zwei Beiträgen von Autoren, deren kontroverse Diskussion auf einer Tagung den Anlass geboten hat, dieses Heft in Angriff zu nehmen: Jörg Herrmann bietet vorläufige Thesen zum Erkenntniswert theologischer Kulturhermeneutik und Werner Schneider-Quindeau entgegnet mit Thesen in polemischer Absicht zur theologischen Interpretation des Kinos als Imaginationsraum und Affektmaschine. Dem schließen sich in Folge weitere Positionen an: Wolfgang Vögele schreibt „ungeordnete Betrachtungen eines Kinogängers, der gelegentlich auf der Kanzel steht“, Harald Schröter-Wittke „bezichtigt“ sich, vor allem aus Spaß- und Unterhaltungsgründen ins Kino zu gehen und Hans-Jürgen Benedict beharrt darauf, auch als „alter“ Theologe immer noch das Kino zu besuchen. Andreas Kubik und Stefan Schütze erweitern den Blick im Anschluss an Paul Tillich ins Grundsätzliche. Horst Schwebel exemplifiziert die Frage am Beispiel der Bildenden Kunst. Andreas Mertin hat zwei Ausstellungen zum Kino und zur Kunst besucht und fragt sich: Was bringt mir das nun als Theologe?

Für die Leserinnen und Leser liegen damit ziemlich genau 100 Seiten Diskussion zum Stellenwert theologischer Auseinandersetzung mit der Kultur vor.

Unter RE-VIEWs gibt es eine Skizze von Georg Büchners Auseinandersetzung mit den biblischen Hoffnungen und der Gottesfrage durch Hans-Jürgen Benedict und eine Rezension zur Religion der Immanenz von Stefan Schütze.

Unter POST finden sich vier Beiträge von Andreas Mertin: ein visueller Einblick in die Kultur des Entertainments, ein Rekurs auf die Diskussion um Hochkultur und Schlager, die Vorstellung ausgewählter Videoclips und die Blognotizen.


Zu den kommenden Heften:

Heft 87 soll sich in der Konsequenz des aktuellen Heftes mit den Kompetenzen beschäftigen, die ein Umgang mit der Gegenwartskultur voraussetzt.

Heft 88 setzt die Reihe zu den Paradigmen theologischen Denkens fort.

Heft 89 trägt den vielleicht etwas überraschenden Titel Exotheologie.

Heft 90 beschäftigt sich mit dem aktuellen Stand von Theologie und Kirche.

Heft 91 trägt den Titel Vorschlag zur Ungüte und setzt sich mit der neuen kirchlichen Liebe zur Trivialkultur auseinander.

Leserinnen und Leser, die Beiträge zu einzelnen Heften einreichen wollen, werden gebeten, sich mit der Redaktion in Verbindung zu setzen. Die Abgabetermine für die fertigen Texte ist dann jeweils spätestens 2 Wochen vor dem jeweiligen Erscheinungstermin.

Wir wünschen eine angenehme und erkenntnisreiche Lektüre!


Andreas Mertin, Jörg Herrmann und Horst Schwebel