Exotheologie |
There could be: Heaven for everyoneVorstellungen ausgewählter Videoclips XLIIAndreas Mertin Schwer, beim Thema Exotheologie an diesem Videoclip vorbeizukommen. Nimmt man die von Christian Weidemann in diesem Heft vorgestellte Frage des Unbekannten nach der Erlösungsfähigkeit der vernünftigen Wesen auf anderen Planeten auch aktuell Ernst, dann lässt sie sich gesellschaftspolitisch und aktuell kirchenpolitisch re-formulieren als jenes Anliegen, das die Gruppe Queen 1995 in Erinnerung an Freddie Mercury so aufgriff, dass sie als Frage auch jener Menschen erschien, die im Kosmos der Normal-Christen bis dato nicht aufgetaucht waren: nach der Erlösungsfähigkeit der nicht „Normalen“ und Unkonformen. Die Genese des Clips ist dabei überaus komplex. Die Geschichte beginnt mit der Band The Cross des Queen-Schlagzeugers Roger Taylor, der für das Album Shove It alle Stücke schrieb, darunter auch Heaven for everyone. Gesungen wurde das Lied im Studio einmal von Roger Taylor selbst mit Freddie Mercury als Backing Vocal, einmal von Freddie Mercury als Lead Vocal. Veröffentlicht wurde dann die Version mit der führenden Stimme von Roger Taylor. Der Videoclip zu diesem Stück aus dem Jahr 1988 zeigt den singenden Taylor und eine Reihe von Menschen, die nach einer gewissen Zeit versuchen, über eine Leiter in den Himmel zu gelangen, der aber eher eine erhöhte Plattform darstellt, auf der sich die Protagonisten dann tummeln - ein ebenso wörtliches wie ironisches „Stairway to heaven“ sozusagen (und eine Art Gegenstück zu John Lennons Imagine there‘s no heaven ... Imagine all the people Living for today). Die Ästhetik des Clips ist sehr simpel und nicht besonders ideenreich. Sie unterschreitet bei weitem die Möglichkeiten des Themas wie des Genres. Nach dem Tod von Freddie Mercury beschlossen Queen ein posthumes Album zu fabrizieren und darin u.a. Heaven for everyone als Queen-Song aufzunehmen. Das Album bekam den Titel Made in Heaven und erschien 1995. Zu dieser Wiederveröffentlichung des Stückes wurde ein Musikvideo unter der Regie von David Mallet produziert (der auch verantwortlich war für die Videos zu Bicycle Race, Radio Ga Ga, I want to brake free, Who wants to live forever, I want it all der Gruppe Queen und zahlreiche Musikvideos von AC/DC, David Bowie, Scorpions, Billy Idol, Tina Turner und anderen). Mallet greift zur Umsetzung des Clips auf Werke der Stummfilmzeit zurück und zwar auf drei Arbeiten des französischen Filmpioniers Georges Meliès:
Assoziativer Verbindungspunkt sind jeweils die Gestirne bzw. der Mond, die in allen drei Filmen eine Rolle spielen. Selbstverständlich sind bei den alten Filmen alle fremden Welten schon von mehr oder weniger vernünftigen Menschen bewohnt, was dann zu entsprechenden Verwirrungen führt. Alle drei Werke wirken nicht nur aus der Distanz von über 100 Jahren komisch und ironisch, sondern waren damals schon so angelegt. Etwa wenn in L'éclipse du soleil en pleine lune Sonne und Mond es miteinander treiben. Oder wenn in Anspielung auf Thales von Milet der die Gestirne beobachtende Professor vor Begeisterung aus dem Fenster in einen Bottich mit Wasser fällt. Diese Ironie, die ja auch insgesamt das Auftreten und die Musik von Freddie Mercury auszeichnet, greift David Mallet in seinem Gedächtnisvideo auf. Eingangs werden Graffitis von Fans gezeigt, die schwören, Freddie Mercury niemals zu vergessen. Dann werden Zitate aus den Filmen von Georges Meliès mit vagen Szenen aus Konzerten von Queen kombiniert. Sinn macht diese Kombination historischer Versatzstücke mit der Erinnerung an Freddie Mercury aber nur, wenn dem die eingangs erwähnte Fragestellung zugrunde liegt: gibt es einen Himmel für jedermann? Weniger im Sinne der theologischen Allversöhnungslehre als vielmehr im Blick auf die Anderen, Fremden und von der Norm Abweichenden. An dieser Fragestellung hat sich trotz aller Fortschritte in Sachen Weltraum bis heute wenig geändert. Und hier nun das Video von Queen: |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/89/am468.htm
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