Über das Wesen und den Nutzen exotheologischer Reflexionen

Benedikt Paul Göcke


Abstrakt: Obwohl extraterrestrische Lebensformen in allen Variationen längst zum festen Bestandteil unserer kulturellen Lebenswelt geworden sind, ist ihre Existenz wissenschaftlich weitaus weniger unproblematisch: bis dato gibt es keinen einzigen wissenschaftstheoretisch verwertbaren Beweis ihrer Existenz. Wir können mit Sicherheit nur Eines sagen: die uns bekannten physikalischen und biologischen Naturgesetze schließen die Existenz extraterrestrischer Lebensformen nicht aus, und je nachdem wie man sie interpretiert, lassen sie es mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen, dass es im physikalischen Kosmos extraterrestrisches Leben gibt. Da die Möglichkeit einer Sache aber Grund genug ist, sich ihrer wissenschaftlich anzunehmen und die Konsequenzen ihrer potentiellen Tatsächlichkeit durchzudenken, wird im Folgenden untersucht, welchen Einfluss die Existenz extraterrestrischen Lebens auf die theologischen Wissenschaften haben würde. Es zeigt sich, dass die Existenz extraterrestrischen Lebens keine gravierenden Auswirkungen auf das theologische Leben haben würde. Trotz einiger populärer Befürchtungen, dass der Kontakt mit extraterrestrischen Zivilisationen (wieder einmal) das Ende der verschiedenen Theologien und ihrer Religionen bedeuten würde, besteht der Nutzen sogenannter exotheologischer Fragestellungen schlicht darin, die eigenen weltanschaulichen Grundannahmen genauer zu explizieren.

Theologie als Weltanschauung

Extraterrestrische Lebensformen sind längt zum festen Bestandteil unseres Alltags geworden. Kaum ein Kinosommer vergeht, in welchem sich die Menschheit nicht gegen zunächst überlegene und meist böswillige Aliens zur Wehr setzen muss; kaum ein Monat vergeht, in welchem sich nicht irgendwo in der westlichen Hemisphäre Star-Trek oder Star-Wars-Fans zum kollektiven Austausch in angemieteten Kongress- oder Hotelhallen treffen und verkleidet als Jedis, Romulaner oder Klingonen intergalaktische Politik treiben; kaum ein Tag vergeht, an dem im Internet nicht über neue UFO-Sichtungen oder mehr oder weniger invasive Entführungen durch Außerirdische berichtet wird. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive sind extraterrestrische Lebensformen unlängst auf der Erde angekommen und mitten unter uns.

Obwohl sie, in allen denkbaren Gestalten und mit allen denkbaren Fähigkeiten und Vermögen ausgestattet, längst zum kulturellen Alltag gehören, ist die Frage nach der eigentlichen Existenz extraterrestrischer Lebensformen aus wissenschaftlicher Perspektive alles andere als entschieden. Die gegenwärtigen kosmologischen und biologischen Theorien gehen basierend auf neuen Erkenntnissen über die Größe und Entstehung des Universums und die Entstehung des Lebens auf der Erde zwar davon aus, dass es naturwissenschaftlich möglich ist, dass sich auf anderen Planeten im Universum Leben in den uns bekannten Formen entwickelt (oder schon entwickelt hat oder noch entwickeln wird), bis heute gibt es aber keinen einzigen wissenschaftstheoretisch belastbaren Beweis für die Existenz einer extraterrestrischen Lebensform, deren Existenz zweifelsfrei unabhängig von der biologischen Evolution auf der Erde ist.

Da alleine die Möglichkeit der Existenz extraterrestrischen Lebens die wissenschaftliche Neugierde beflügelt und weil Möglichkeiten immer auf ihre vermeintliche Tatsächlichkeit und deren Implikationen befragt werden können, ist es legitim zu fragen, welchen Einfluss die Möglichkeit extraterrestrischen Lebens auf gegenwärtige theologische Diskurse hat. Um diese Frage zu beantworten, wird zunächst geklärt, was eigentlich gemeint ist, wenn wir von Theologie reden. Der Ausdruck „Theologie“ bezieht sich seinem etymologischem Ursprung nach zwar auf die griechischen Wörter theos und logos und bezeichnet das vernünftige Sprechen von Gott, doch ist die etymologische Wortbedeutung in unserem Fall nicht hinreichend präzise. Sie spezifiziert nicht, welche Art des vernünftigen Sprechens vom Göttlichen gemeint ist. Um dies zu klären, ist ein Blick auf die gegenwärtige Karte der Wissenschaften vonnöten. Dort finden wir drei verschiedene Lager, die sich allesamt in der einen oder anderen Form als vernünftiges Sprechen von Gott verstehen lassen. Erstens: Mit dem Anspruch auf argumentative Gültigkeit verhandelt die Religionsphilosophie allein aufgrund allgemeinverbindlicher Annahmen Fragen wie die nach der Existenz Gottes und die nach der Beschaffenheit des ersten und letzten Grundes der Wirklichkeit. Zweitens: Die Religionswissenschaft untersucht als empirische oder kognitionswissenschaftlich arbeitende Disziplin die verschiedenen Religionen der Welt und – sofern vorhanden – ihre Gottesvorstellungen und Kosmogonien, ohne dabei den Inhalt der untersuchten Religionen normativ zu evaluieren. Drittens: Die verschiedenen religionsgebundenen Theologien operieren nicht nur unter Einbezug allgemein verbindlicher Annahmen, sondern gehen davon aus, dass sie als wesentliches inhaltliches Fundament über eine jeweilige Offenbarung des Göttlichen verfügen, in der fundamentale Wahrheiten über das Universum und den Menschen ausgedrückt werden. [1] Den drei abrahamitischen Religionen ist dabei gemein, dass sie das Universum und die Existenz der Menschheit aufgrund göttlicher Offenbarung als das Ergebnis eines intentionalen Schöpfungshandelns eines zumindest auch transzendent gedachten Gottes erachten, der sich der Menschheit bzw. einem Teil der Menschheit historisch offenbart hat. Christliche Theologie stützt sich in diesem Zusammenhang auf die Schriften des Alten und Neuen Bundes, islamische Theologie auf den Koran und die jüdische Theologie auf den Tanach. Obwohl die Frage nach der Relevanz extraterrestrischen Lebens sowohl für die Religionsphilosophie als auch für die Religionswissenschaft interessant ist, konzentrieren wir uns im Folgenden auf die dritte Art der Rede von Gott und nehmen an, dass Theologie vernünftige Rede von Gott ist, die auf einer religionsgebundenen Offenbarung Gottes basiert.

Dem eigenen Anspruch nach werden in den verschiedenen Theologien jeweils Grundzüge einer fundamentalen und allumfassenden Weltanschauung erarbeitet, die als Antwort auf die bleibenden grundlegenden metaphysischen und existenziellen Fragen der Menschheit verstanden werden können. Die Art und Weise der Auseinandersetzung mit der eigenen religiösen Traditionen ist dabei in den meisten Fällen konstitutiv von kritischen Komponenten geprägt, wobei es nützlich ist hier zwischen interner und externer Theologiekritik zu unterscheiden. Interne theologische Kritik bezieht sich auf die jeder Wissenschaftlichkeit zugrundeliegende Methode der kritischen Distanzierung und Hinterfragung der jeweils eigenen Annahmen, hier also der jeweils eigenen religiösen Tradition. Sie überprüft diese auf interne Kohärenz und Konsistenz, zeichnet mit den Mitteln der kritischen Exegese die Entwicklung der Heiligen Schriften aus ihrem Sitz im Leben nach und darf sich auch nicht scheuen, den Finger in die Wunde zu legen, sobald Widersprüchliches gefunden wird, das mit den verschiedenen der Theologie zur Verfügung stehenden Interpretations- und Deutungsmethoden nicht einzufangen ist.[2] Eine Theologie, die sich interner Kritik verweigert, nimmt sich unmittelbar selbst aus dem Spiel rational nachvollziehbarer Weltdeutung und gehört in den Bereich subjektiv-fideistischer Geschmacksfragen.

Externe Theologiekritik kann von allen Seiten menschlicher Welterfahrung ausgehen und stellt aus der Außenperspektive sowohl die Rechtfertigung als auch die Wahrheit religiöser und theologischer Aussagen an sich in Frage. So wird beispielsweise aus philosophischen Gründen argumentiert werden, dass es in Anbetracht des Bösen in der Welt keinen allmächtigen, allwissenden und allgütigen Schöpfer der Welt geben kann und somit jede Religion, die von einem solchem spricht, notwendigerweise auf einer falschen Annahme aufbaut und vor dem Forum der Vernunft verworfen werden sollte. Jede Theologie ist aufgefordert, sich mit externer Kritik zu beschäftigen und diese Ernst zu nehmen, da sie sich sonst ähnlich der Verweigerung interner Kritik aus dem Spiel der Wissenschaften nimmt und zum rein subjektiven Glaubensbild wird. Gelingt es einer Theologie durch die Aufarbeitung der internen und externen Kritik ihre Plausibilität und Widerspruchsfreiheit zu verteidigen, bietet sie für ihre Anhänger eine Weltanschauung, die eo ipso am momentanen Stand der Forschung angeschlossen ist. Eine solche Theologie hat gezeigt, dass das Weltganze in seinen fundamentalen Aspekten so verstanden werden kann, wie es in ihr und ihrer zugehörigen Religion zum Ausdruck gebracht wird.[3]

Gegen das skizzierte Theologieverständnis lassen sich zwei Einwände erheben, die uns zur weiteren Klärung des Theologiebegriffs als Weltanschauung auffordern und gleichzeitig für die spätere Bewertung extraterrestrischen Lebens bedeutsam sind. Der erste Einwand basiert auf der Prämisse, dass jede religiöse und somit auch jede theologische Weltanschauung auf der Annahme bestimmter Glaubenssätze beruht, welche nicht allgemeinverbindlich sind und nur von denjenigen als wahre Sätze angenommen werden, welche sich zu einer bestimmten Religion zugehörig fühlen: „Jesus Christus ist der Sohn Gottes, der von den Toten wieder auferstanden ist“, „Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet“, „Ich glaube mit voller Überzeugung an das dereinstige Kommen des Messias, und ob er gleich säume, so harre ich doch jeden Tag auf sein Kommen“ – diese Aussagen werden jeweils und in dieser Reihenfolge nur von Christen, Muslimen und Juden angenommen. Die Aussagen der übrigen Religionen werden aufgrund des eigenen Glaubens verneint. Christen glauben nicht, dass der Messias noch kommen wird (er war schon da) und Muslime glauben nicht, dass Jesus Christus der Sohn Gottes gewesen ist (er war ein Prophet). Wenn es aber nun der Fall ist, dass die grundlegenden Annahmen und Axiome einer Weltanschauung auf reinen Akten des Glaubens und Für-wahr-haltens beruhen, dann, so das Argument, entziehen sie sich einer intersubjektiven Kritisierbarkeit und stehen außerhalb des Raums vernünftiger Gründe. Religiös-theologische Weltanschauungen sollten daher verworfen oder dezidiert in den Bereich privaten Vergnügens verschoben werden.[4]

Das Argument ist aus zwei Gründen nicht überzeugend. Erstens: Wer gegen theologische Weltanschauungen argumentiert und sich dabei darauf stützt, dass religiöse und theologische Grundannahmen nicht intersubjektiv kritisierbar sind und aufgrund mangelnder Allgemeinverbindlichkeit nicht von allen angenommen werden müssen, der übersieht, dass jede Weltanschauung je immer schon im Lichte vorgängiger hermeneutischer Annahmen operiert und somit – sei sie nun religiös oder areligiös motiviert – selbst auf Annahmen fußt, die von menschlichen Subjekten angenommen werden können, oder eben nicht: „Dass es eine vom Beobachter unabhängige Außenwelt gibt“, „Dass es genuine Kausalrelationen in der Welt gibt“ und „Dass Zeit fließt und Gegenstände sich ändern“ können durchaus als atheologische weltanschauliche Grundannahmen verstanden werden, die nicht allgemeinverbindlicher Natur sind, aber in der weltanschaulichen Alltagspsychologie westlicher Zivilisationen durchweg eine tragende Rolle spielen, ohne dass sie selbst an der Wirklichkeitserfahrung abzulesen sind.[5] Dass die Grundannahmen einer religiösen und theologischen Weltanschauung epistemologisch nicht allgemeinverbindlich sind und auf Akten des Glaubens basieren, ist also kein Makel genuin religiös-theologischer Weltanschauung, sondern konstitutives Merkmal jeder Weltanschauung.[6] Zweitens scheint das Argument von einem objektiven und eindeutigen Vernunftverständnis auszugehen, dem gegenüber sich jede weltanschaulich relevante Annahme auf ihre intersubjektive Verbindlichkeit hin untersuchen lassen können müsste und dann entweder als allgemeinverbindlich oder nicht allgemeinverbindlich klassifiziert werden würde. Auch wenn es ein oft genutztes Mittel der Philosophie ist, in verschiedenen Diskussionen ein eindeutiges Vernunftverständnis zugrunde zu legen, ist die Situation vertrackter: sowohl historisch als auch systematisch gibt es verschiedene Vernunftverständnisse, die den Rahmen dessen, was vernünftig ist, und was nicht, zwar nicht vollständig disjunkt, aber doch hinreichend unterschiedlich bestimmen. Für Aristoteles und Thomas war es beispielsweise unvernünftig von einer aktuellen Unendlichkeit auszugehen, während Leibniz dies für vernünftig hielt; Thomas, aber nicht Kant, sah es in den Bereich der Vernunft fallend, die Existenz Gottes erkennen zu können; Descartes schloss aus der Vorstellbarkeit einer Sache auf ihre Möglichkeit, Mill sah darin einen Ausdruck unvernünftigen Denkens.[7] Dass bestimmte weltanschaulich relevante religiöse Annahmen also nicht gleichermaßen allgemeinverbindlich sind, ist aufgrund der Faktizität unterschiedlicher Vernunftbegriffe kein Argument gegen religiös-theologische Weltanschauungen per se, sondern drückt eine gewisse hermeneutische Verlegenheit in Bezug auf die Logik philosophischer Weltanschauungen im Allgemeinen aus.

Der zweite Einwand gegen Theologie als Weltanschauung problematisiert den absoluten und exklusiven Wahrheitsanspruch einer jeweiligen Religion und ihrer Theologie.[8] Da aus der Binnenperspektive einer jeden Religion und ihrer Theologie die je eigene Offenbarung als absolute Wahrheit verstanden wird, folgt, dass aus der Perspektive dieser Religion andere Weltanschauungen, seien sie nun religiös oder areligiös, als schlichtweg falsch, ergänzungsbedürftig oder inadäquat erscheinen. So hat beispielswiese die christliche Theologie einen absoluten Wahrheitsanspruch in Bezug auf die Inkarnation und Auferstehung Jesu Christi als Sohn Gottes, welche als historisches Ereignis verstanden wird.[9] Ein solch absoluter Wahrheitsanspruch unterstellt allerdings – je nach Religion – Millionen oder Milliarden von Menschen, die diese Annahme nicht teilen, dass ihre Weltsicht falsch oder ergänzungsbedürftig oder zumindest in großen Zügen inadäquat ist. Daher sollten theologische Weltanschauungen auf ihren absoluten Wahrheitsanspruch verzichten.

Allein aus philosophischen Gründen ist dieser Einwand kein Grund zur Aufregung. Er beschreibt schlicht die Logik von Weltanschauungen, die durch den Begriff der Wahrheit notwendigerweise zu erwarten ist, und das ganz unabhängig von religiösen oder theologischen Annahmen: Jede Person, die behauptet, dass ein bestimmter Sachverhalt besteht, dass es sich in der Welt so-und-so verhält, setzt sich damit in den Raum der Gründe und schließt eo ipso die Situation aus, in der dieser Sachverhalt nicht besteht, und damit wiederum unterstellt er denjenigen, die dennoch davon ausgehen, dass sie falsch liegen mit ihrer Wirklichkeitsbeschreibung. Die einzige prima facie konsistente Möglichkeit diese Situation zu vermeiden ist die Aufgabe eines objektiven Wahrheitsbegriffs, die zwar aus postmoderner Beflissenheit angedacht werden kann, sich aber als inkonsistent erweist.

Fassen wir kurz zusammen: Theologie ist die durch interne und externe Kritik hindurchgehende reflektierte Aufnahme einer bestimmten religiösen Offenbarung, die zu einer allumfassenden Weltanschauung ausdifferenziert wird, und zumindest in Bezug auf die abrahamitischen Religionen davon ausgeht, dass die Existenz des Universums und der Menschheit Ergebnis eines intentionalen göttlichen Schöpfungshandelns ist. Jede religionsgebundene Theologie geht dabei von je nach Religion unterschiedlichen Grundannahmen aus und interpretiert das Gesamt der Wirklichkeitserfahrung im Lichte ihrer Offenbarung und mit der Verpflichtung auf absoluten Wahrheitsanspruch.

Argumente für die Möglichkeit extraterrestrischen Lebens

Exotheologie ist keine unabhängige und neue Form theologischen Denkens, sondern bezeichnet eine bestimmte Art und Weise theologischen Fragens: Exotheologische Fragestellungen beschäftigen sich mit den Implikationen extraterrestrischen Lebens für ihre jeweilige religiös-theologische Weltanschauung. Der Begriff Exotheologie (manchmal auch Astrotheologie) ist zwar erst in den 1970er Jahren eingeführt worden, der Sache nach ist die Idee der Möglichkeit extraterrestrischen Lebens und die Frage nach dessen Implikationen für theologische Weltanschauungen allerdings nichts Neues. Sie wurde im Lauf der Jahrhunderte immer wieder vereinzelt diskutiert.[10]

Um den Gegenstandsbereich exotheologischen Fragens als wissenschaftlich ernst zu nehmenden Gegenstandsbereich auszuweisen, muss gezeigt werden, dass es hier um eine prinzipiell relevante Angelegenheit geht. Da es bisher keinen einzigen, wissenschaftlich stichhaltigen Nachweis der Existenz extraterrestrischen Lebens gibt, müssen uns an dieser Stelle die aus den Naturwissenschaften, der Philosophie und der Theologie stammenden Möglichkeitsargumente für die Existenz extraterrestrischen Lebens reichen.

Theologische Argumente für die Existenz extraterrestrischen Lebens basieren auf der Analyse des Gottesbegriffs und versuchen zu verstehen, was aus dem Wesen Gottes über die Existenz extraterrestrischer Lebensformen gefolgert werden kann. Obwohl es verschiedene Formen extraterrestrischen Lebens geben kann, wird im Folgenden angenommen, dass theologisch relevante Formen extraterrestrischen Lebens intelligente Lebensformen sind.[11] Das populärste theologische Argument für ihre Existenz geht davon aus, dass ein allmächtiges Wesen dafür Sorge trägt, dass auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben entsteht. Die modal stärkste Ausprägung hat die folgende Form:

  1. Wenn Gott allmächtig ist, dann wird er auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben erschaffen.
  2. Gott ist allmächtig.
  3. Also: Gott wird auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben erschaffen.[12]

Obschon das Argument deduktiv gültig ist, scheitert es an der Interpretation des Allmachtsbegriffs. Es impliziert, dass Gott notwendigerweise allein aufgrund seiner Allmacht intelligentes Leben auf anderen Planeten erschaffen muss. Da es keinen begrifflichen oder logischen Widerspruch impliziert, dass ein allmächtiges Wesen nur auf einem einzigen Planeten intelligentes Leben erschafft, ist die erste Prämisse des Argumentes zurückzuweisen und damit der Schluss auf die Konklusion. Wird der Allmachtsbegriff abgeschwächt, dann ergibt sich folgende, modal schwächere Version des Argumentes:

  1. Wenn Gott allmächtig ist, dann ist es möglich, dass er auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben erschafft.
  2. Gott ist allmächtig.
  3. Also: Es ist möglich, dass Gott auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben erschafft.

Da es konsistent ist anzunehmen, dass ein allmächtiges Wesen auf anderen Planeten intelligentes Leben erschaffen kann, ist dieses Argument unter der Voraussetzung der Allmacht Gottes ein logisch gültiges und korrektes Argument.

Ein weiteres und verwandtes Argument basiert auf der Annahme, dass ein allmächtiger und seine Schöpfung liebender Gott auf mehr als einem Planeten Leben erschaffen wird:

  1. Wenn Gott allmächtig und liebend ist, dann wird er auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben erschaffen.
  2. Gott ist allmächtig und liebend.
  3. Also: Gott wird auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben erschaffen.

Ähnlich wie beim ersten Argument kann allerdings allein aufgrund begrifflicher Analyse des liebenden und allmächtigen Wesens Gottes nicht gefolgert werden, dass Gott notwendigerweise auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben erschafft. Auch hier ist die schwächere Version die überzeugendere:

  1. Wenn Gott allmächtig und liebend ist, dann ist es möglich, dass er auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben erschaffen wird.
  2. Gott ist allmächtig und liebend.
  3. Also: Es ist möglich, dass Gott auf mehr als einem Planeten intelligentes Leben erschaffen wird.

Ein letztes theologisches Argument gründet sich auf die Größe des Universums und die Annahme, dass Gott alles zu einem bestimmten Zweck erschafft:

  1. Wenn das Universum sehr groß ist und Gott alles für einen bestimmten Zweck erschafft, dann ist das Universum sehr groß, weil Gott auf anderen Planeten intelligentes Leben erschaffen hat.
  2. Das Universum ist sehr groß
  3. Gott erschafft alles für einen bestimmten Zweck
  4. Also: Das Universum ist sehr groß, weil Gott auf anderen Planeten intelligentes Leben erschaffen hat.[13]

Das Argument ist zwar deduktiv gültig, allerdings sind die Prämissen nicht überzeugend, da auch argumentiert werden kann, dass ein sehr großes Universum notwendig gewesen ist, um alleine auf unserem Planeten intelligentes Leben hervorzubringen und Gott in seiner Intention Leben auf der Erde zu erschaffen somit keine andere Wahl gehabt hatte, als dieses sehr große Universum zu erschaffen. Wiederum zeigt das Argument nur die unbestimmte Möglichkeit extraterrestrischen Lebens, nicht dessen Tatsächlichkeit.[14]

Im Gegensatz zu den theologischen Argumenten gründen sich naturwissenschaftlich inspirierte Argumente nicht auf begriffliche Überlegungen das Wesen Gottes betreffend, sondern extrapolieren von unserer Kenntnis über die Größe und Entstehung des Universums sowie über die Entstehung der verschiedenen Lebensformen auf der Erde. Sie werden in unterschiedlicher modaler Stärke vertreten und versuchen zu zeigen, dass es naturwissenschaftlich notwendig, bzw. möglich oder wahrscheinlich ist, dass sich auf anderen Planeten im Universum intelligentes Leben entwickelt (oder schon hat oder noch wird). Sie haben die folgende Form:

  1. Wenn ein Planet die Kriterien K1, ..., Kn erfüllt, dann ist es naturwissenschaftlich notwendig/naturwissenschaftlich möglich, dass sich auf diesem Planeten intelligentes Leben entwickelt.
  2. Es gibt Planeten, die die Kriterien K1, ..., Kn erfüllen.
  3. Also: Es ist naturwissenschaftlich notwendig/naturwissenschaftlich möglich, dass sich auf diesem Planeten intelligentes Leben entwickelt.

Je nachdem, welche Kriterien festgelegt werden, und je nachdem wie die relevanten biologischen Theorien über die Entstehung des Lebens interpretiert werden, ergibt obige Argumentform eine große Variation an modal unterschiedlich starken Argumenten für die Existenz extraterrestrischen Lebens. Die größte Schwierigkeit dieser Argumente besteht darin, dass es unter Wissenschaftlern keine hinreichende Einigkeit in Bezug auf die für die Argumentform wesentlichen Annahmen gibt.

Erstens ist weder eine eindeutige Anzahl an Kriterien festgelegt, die ein Planet erfüllen muss, um Leben zu ermöglichen, noch ist sicher, wie viele Planeten es gibt, die eine veranschlagte Anzahl an Kriterien erfüllen. Nimmt man an, dass alle Planeten, auf denen sich Leben entwickeln kann, erdähnliche Planeten sind, dann kommen einige Schätzungen auf eine sehr hohe Zahl an Planeten im Universum, auf denen Leben zumindest möglich ist: „Wenn wir nun alle diese Überlegungen zusammen betrachten, kommen wir auf Grund dieser statistischen Betrachtungen auf 1017 erdähnliche Planeten im Universum. Es ist wichtig klarzustellen, welcher Art diese Schlussfolgerung ist. Sie basiert auf einer Mischung aus wissenschaftlichen Fakten und vernünftigen Schätzungen, die ihrerseits auf wissenschaftlichen Fakten basieren“ (Coyne 2005: 180). Andere wiederum gehen von einer geringeren Zahl relevanter Planeten aus, ohne das im Einzelnen klar wäre, worauf sich die jeweiligen Schätzungen stützen: „In Anbetracht der ungeheuer großen Anzahl von Sternen können wir nicht ausschließen, dass es [geeignete Planetenkandidaten] gibt. Auch wenn ich der Meinung bin, dass George Coynes Schätzung von 1017 erdähnlichen Planeten in seinem Essay „Der Gott der Außerirdischen“ zu hoch gegriffen ist“ (Bonting 2005: 194).

Zweitens wäre es, selbst wenn wir uns auf eine feste Anzahl an Kriterien und die korrespondierende Zahl der Planeten einigen könnten, immer noch unklar, welche Modalität wir der Entstehung von intelligentem Leben dort zuordnen können: Ist es notwendig oder nur möglich, dass sich auf den Planeten, die geeignet wären, wirklich Leben entwickelt? Da es bisher keine zufriedenstellende Erklärung über die Entstehung des Lebens auf der Erde gibt und ob diese aus naturwissenschaftlicher Perspektive notwendig oder bloß wahrscheinlich war, stoßen wir hier schnell an unsere epistemologischen Grenzen und sehen uns verschiedenen Meinungen gegenübergestellt.[15] Während einige Wissenschaftler davon ausgehen, dass sich unter bestimmten Bedingungen leben nur möglicherweise entwickelt, gehen andere davon aus, dass sich Leben früher oder später notwendigerweise entwickelt, wenn die Bedingungen stimmen: „Dass es keinen direkten Zugang zur Frage nach außerirdischem Leben gibt, ist vor allem auf die unter Geologen und Biologen immer noch bestehenden erheblichen Zweifel an unserem naturwissenschaftlichen Wissen über die Ursprünge des Lebens auf der Erde zurückzuführen“ (Conye 2005: 181).[16]

Drittens ist es unklar, ob uns intelligentes extraterrestrisches Leben ähneln würde: Je nach Auffassung über grundlegende Beschaffenheiten des Universums und evolutionäre Mechanismen finden wir auch hier unterschiedliche Einstellungen zum Thema. Zum einen die Hypothese derjenigen, die davon ausgehen, dass uns intelligentes extraterrestrisches Leben ähneln würde und zum anderen die Auffassung derjenigen, die davon ausgehen, dass der evolutionäre Prozess, der zur Entstehung unserer Spezies führte, extrem unwahrscheinlich ist. Bonting (2005: 195) argumentiert wie folgt: „Zieht man all das in Betracht, ist es wahrscheinlich, dass höherentwickelte außerirdische Wesen (falls sie existieren) sich in Physiologie und Biochemie nicht gravierend vom Homo sapiens unterscheiden.“ Dagegen schätzt Simpson (1963: 267) die Lage wie folgt ein: „Die von Astronomen, Physikern und einigen Biochemikern aufgestellte Behauptung, dass, wenn das Leben irgendwo einen Anfang nimmt, schließlich unweigerlich auch Menschenarten auftauchen werden, ist einfach falsch.“[17]

Insgesamt sind die verschiedenen naturwissenschaftlichen Argumente mit enormen wissenschaftlichen Problemen belastet und können aufgrund dessen nur als naturwissenschaftliche Möglichkeitserweise in einem sehr schwachen Sinne gelten: soweit wir wissen, können wir nur annehmen, dass aus naturwissenschaftlicher Perspektive nichts dagegen spricht, dass es intelligentes extraterrestrisches Leben gibt. Die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, sollte aus Klugheitsgründen solange zurückgestellt werden, bis unser Wissen über das Universum und die Entstehung des Lebens auf der Erde verlässlichere Angaben ermöglicht.

Eine dritte Gruppe von Argumenten basiert auf persönlichen Berichten über den Kontakt mit extraterrestrischen intelligenten Lebewesen. Berichte über UFO-Sichtungen und Kontakte mit sowie Entführungen durch Außerirdische gehören zu dieser Gruppe an Argumenten. Sie haben die folgende Form:

  1. Wenn es vertrauenswürdige Berichte über den direkten Kontakt mit extraterrestrischen Leben gibt, dann existiert extraterrestrisches Leben.
  2. Es gibt vertrauenswürdige Berichte über den direkten Kontakt mit extraterrestrischen Leben.
  3. Also: Extraterrestrisches Leben existiert.

Obwohl auch hier die logische Struktur des Argumentes formale Gültigkeit sichert, scheitert es aufgrund der fehlenden Vertrauenswürdigkeit der zahlreich vorliegenden Berichte über den visuellen oder persönlichen Kontakt mit extraterrestrischen Lebensformen. Kreiner (2011: 56-99) untersucht verschiedene Berichte über UFO-Sichtungen, Kontakte mit und Entführungen durch Außerirdische und kommt zu folgendem Schluss: „Als ernst zu nehmende Indizien für die Existenz Außerirdischer kommen die angeblichen Kontaktaufnahmen nicht in Frage. ...Die gesamte Thematik fällt in den Zuständigkeitsbereich der Psychologie“ (Kreiner 2011: 39-40).

Fassen wir kurz zusammen: Es gibt eine naturwissenschaftlich und theologisch nicht näher bestimmte Möglichkeit, dass auf anderen Planeten im Universum extraterrestrisches intelligentes Leben beheimatet ist. Wir können nicht präzise angeben, wie hoch diese Wahrscheinlichkeit ist, da uns die dafür nötigen Informationen fehlen. Kreiner ist zuzustimmen, wenn er sagt: „Nüchtern betrachtet, scheint die Wahrscheinlichkeit weder exorbitant hoch noch verschwindend gering zu sein“ (Kreiner 2011: 135).

Christlich-Exotheologische Fragestellungen

Die Meinungen darüber, welche Folgen die Existenz von außerirdischen Lebensformen für die christliche Theologie hätte, decken ein breites Spektrum ab. Die eine Seite argumentiert, dass ihre Existenz das Ende uns bekannter christlicher Theologie und Religion wäre: „The existence of extra-terrestrial intelligences would have a profound impact on religion, shattering completely the traditional perspective on God’s relationship with man. The difficulties are particularly acute for Christianity, which postulates that Jesus Christ was God incarnate whose mission was to provide salvation for man on Earth“ (Davies 1983: 71). Die andere Seite hingegen sieht keinen Grund zur Sorge: „Although there are partial grounds for thinking the Christian faith is so earth-centrist that it could be severely upset by confirmation of the existence of ETI, an assessment of the overall historical and contemporary strength of Christian theology indicates no insurmountable weakness. [...] Christian theologian’s have routinely found ways to address the issue of Jesus Christ as God incarnate and to conceive of God’s creative and saving power exerted in other worlds“ (Peters 1994: 1).[18]

Um die Relevanz der möglichen Existenz intelligenten extraterrestrischen Lebens zu bewerten, wenden wir uns zunächst der externen Theologiekritik und anschließend der internen Theologiekritik zu. Externe Theologiekritik versucht in ihrer stärksten Ausprägung zu zeigen, dass die christlich-theologische Weltanschauung mit der möglichen Existenz intelligenter extraterrestrischer Lebewesen inkonsistent ist und daher verworfen werden sollte. Sie hat die folgende argumentative Form:

  1. Christliche Theologie impliziert, dass Lehrsatz X wahr ist.
  2. Wenn Lehrsatz X wahr ist, dann ist die Existenz extraterrestrischen Lebens nicht möglich.
  3. Extraterrestrisches Leben ist möglich/tatsächlich.
  4. Also: Lehrsatz X ist falsch
  5. Also: Christliche Theologie ist falsch.[19]

Gäbe es einen solchen Lehrsatz der christlich-theologischen Weltanschauung, dann wären gravierende Folgen für eine christliche Weltanschauung in der Tat unausweichlich und sie müsste in wesentlichen Aspekten verändert werden. Das Problem für diese Art externer Theologiekritik besteht allerdings darin, dass es schlichtweg nicht der Fall ist, dass es einen solchen Lehrsatz X in der christlich-theologischen Weltanschauung gibt: Kein Lehrsatz christlicher Theologie und kein Satz der Bibel schließt die mögliche oder tatsächliche Existenz extraterrestrischen Lebens aus. Obwohl angenommen wird, dass Gott das Universum und im Besonderen den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat, sind nirgendwo in der christlichen Theologie und in der Bibel Sätze der Form zu finden „Und Gott hat kein intelligentes extraterrestrisches Leben erschaffen“ oder „Gottes Heilsgeschichte ist ausschließlich auf den Menschen“ beschränkt.[20] Intelligentes extraterrestrisches Leben kann daher als solches prinzipiell keine externe Widerlegung christlich religiöser oder christlich-theologischer Sätze mit sich bringen, was bedeutet, dass die in der christlichen Theologie ausgearbeitete Weltanschauung konsistent ist mit der möglichen Existenz extraterrestrischen intelligenten Lebens. Da es selbst aus den Reihen theologischer Reflexionen Argumente für die mögliche Existenz intelligenter Außerirdischer gibt, sollte dieses Ergebnis nicht allzu sehr verwundern.

Ein zweites Argument der Kategorie externer Theologiekritik nimmt an, dass nicht die Tatsache der bloßen Existenz extraterrestrischen Lebens ein Problem für die christliche Weltanschauung ist, sondern vielmehr das philosophische Gespräch mit Außerirdischen zu einem enormen Problem werden könnte. Unter der nicht gerade unproblematischen Voraussetzung, dass tatsächlich eines Tages eine philosophisch-theologische Auseinandersetzung mit intelligenten extraterrestrischen Lebensformen möglich ist, findet man in der Literatur folgende externe Theologiekritik:

  1. Christliche Theologie ist auf die Wahrheit des Satzes X verpflichtet.
  2. Extraterrestrische Lebensformen sagen uns, dass Satz X falsch ist.
  3. Also: Christliche Theologie sollte verworfen werden.[21]

Das Argument ist wenig überzeugend. Wenn es intelligente extraterrestrische Lebensformen gibt, die mindestens über einen uns ähnlichen Intellekt verfügen, dann werden auch sie philosophische Weltanschauungen entwickelt haben und sich mit ähnlichen wissenschaftstheoretischen und skeptischen Problemen herumschlagen, wie wir Menschen es tun. Sie werden wissen, dass bestimmte Fragen de facto wissenschaftlich und philosophisch nicht in einer Weise zu beantworten sind, die alle am Diskurs teilnehmenden restlos überzeugt, und sie werden wissen, dass es bestimmte Sätze gibt, die die Tiefengrammatik weltanschaulicher Überzeugungen ausmachen, die aber frei angenommen oder zurückgewiesen werden können.[22] Ein Gespräch mit Außerirdischen über zentrale weltanschauliche Annahmen verliefe daher nicht wesentlich anders als ein gutes Gespräch unter Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen oder Religionen: In der Hoffnung, den Anderen zu überzeugen, würden Argumente für und wider bestimmte weltanschauliche Annahmen ausgetauscht, empirische und metaphysische Adäquatheit, sowie logische Konsistenz und Kohärenz überprüft werden. Nicht mehr, nicht weniger. Da Intelligenz und skeptischer Zweifel oft proportional sind, ist es zudem wahrscheinlich, dass uns intellektuell überlegene Außerirdische im Diskurs als philosophische und theologische Agnostiker erscheinen würden, die sich hüten, von definitiver Falschheit oder Wahrheit einer weltanschaulich grundlegenden Annahme zu sprechen.

Im Gegensatz zu der ins Leere greifenden externen Theologiekritik gibt es auf der Seite der internen Theologiekritik prima facie größere Probleme zu diskutieren. Obwohl die (mögliche) Existenz intelligenten extraterrestrischen Lebens nicht im Widerspruch zur christlichen Weltanschauung steht, stellt sie die Theologen doch vor die Schwierigkeit bestimmte christliche Lehrsätze im Angesicht der möglichen Existenz außerirdischen Lebens neu zu motivieren und zu plausibilisieren. Der Grund hierfür besteht darin, dass die Existenz Außerirdischer auf der einen Seite zwar nicht der christlichen Lehre widerspricht, auf der anderen Seite aber die christliche Weltanschauung in die Schwierigkeit bringt, diese in ihr Weltbild zu integrieren. Aus der Perspektive der internen Theologiekritik werden zwei Punkte diskutiert: die Gottesebenbildlichkeit des Menschen und die Inkarnation Gottes in Jesus von Nazareth.

Das Problem der Gottesebenbildlichkeit hat die folgende argumentative Form:

  1. Christliche Theologie ist nur plausibel, wenn Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat.
  2. Wenn Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat, dann kann es kein oder zumindest kein vom Menschen verschiedenes extraterrestrisches intelligentes Leben geben.
  3. Es kann vom Menschen verschiedenes extraterrestrisches intelligentes Leben geben.
  4. Also: Es ist nicht der Fall, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat.
  5. Also: Christliche Theologie ist nicht plausibel.

Obwohl formal gültig, entpuppt sich das Argument schnell als Ausdruck eines Scheinproblems: Da wohl nur in fundamentalistischen oder evangelikalen Kreisen angenommen wird, dass sich die Gottesebenbildlichkeit des Menschen auf seine besondere biologische Verkörperung bezieht, und da es da es aus christlicher Perspektive ohnehin plausibler ist anzunehmen, dass sich die Gottesebenbildlichkeit auf im weitesten Sinne mentale Vermögen wie Intelligenz, Emotionalität und Spiritualität bezieht, kann christliche Theologie ohne Weiteres zugestehen, dass Gott intelligente extraterrestrische Lebensformen erschaffen hat, die sich in ihrer Verkörperung genetisch von der des homo sapiens unterscheiden.[23]

Das zweite Problem ist das der in der Inkarnation mündenden Heilsgeschichte Gottes mit dem Menschen. Die christliche Theologie behauptet, dass Jesus Christus der Sohn Gottes gewesen ist und durch seine Kreuzigung und Auferstehung Gott und die Menschen heilsgeschichtlich versöhnt hat. Dieses zentrale Diktum christlicher Theologie führt im exotheologischen Zusammenhang aber zu folgenden Fragen: Wenn aufgrund der Erbsünde die Kreuzigung und Auferstehung des Gottessohnes soteriologisch notwendig ist für die Versöhnung Gottes mit dem Menschen, müssen wir dann annehmen, dass der Sohn Gottes von Planet zu Planet springt, sich immer wieder kreuzigen lässt und nach der Auferstehung weiter zum nächsten Planeten hüpft – solange bis alle extraterrestrischen Zivilisationen versöhnt sind? Paine drückt die vermeintliche Absurdität dieser Vorstellung folgendermaßen aus:

[Would the creator neglect] the care of all the rest and come to die in our world? […] Are we to suppose that every world in the boundless creation had an Eve, an apple, a serpent, and a redeemer? In this case the person who is irreverently called the Son of God, and sometimes God himself, would have nothing else to do than to travel from world to world, in an endless succession of deaths, with scarcely a momentary interval of life. (Paine 1974: 90)

Obwohl dieses Problem in der Literatur oft emotional diskutiert wird, ist es nüchtern betrachtet wenig spektakulär. Erstens widerspricht die Behauptung der Inkarnation Gottes in Jesus Christus keinesfalls der möglichen Existenz extraterrestrischen Lebens. Zweitens scheint dieser Teil der exotheologischen Diskussion anzunehmen, dass die Inkarnation Gottes im Menschen Jesus von Nazareth an sich ein intellektuell einleuchtendes und unproblematisches Ereignis sei – solange man nur die Möglichkeit extraterrestrischen Lebens einklammert. Es wird übersehen, dass alleine die Behauptung der Inkarnation Gottes in Jesus von Nazareth immer noch ein intellektuelles Skandalon und schlichtweg ein Mysterium des Glaubens ist, welches sich – auch ohne auf Außerirdische zu rekurrieren – unserem diskursiven Verständnis entzieht. Es ist also nicht so, dass erst durch den Gedanken an außerirdische Lebensformen das Christusereignis zur intellektuellen Herausforderung werden würde.[24] Das eigentliche Problem der exotheologischen Debatte über die Inkarnation Gottes kann daher auch ohne Rekurs auf extraterrestrische Zivilisationen in folgenden Fragen ausgedrückt werden: Können wir davon ausgehen, dass andere (oder alle) Zivilisationen erlösungsbedürftig sind? Können wir davon ausgehen, dass Gott sich zum Zwecke der Erlösung einer Zivilisation mehr als einmal inkarnieren kann?

Die Antworten auf diese Fragen hängen vom zugrunde gelegten Verständnis der Erlösungsbedürftigkeit der Schöpfung sowie von der Interpretation der Inkarnation Gottes ab und können hier nur kurz angedeutet werden. Erstens: In Bezug auf die Erbsünde ist es dogmatisch plausibel, nicht davon auszugehen, dass sie auf ein historisches Ereignis zurückgeht, sondern die generelle ontologisch-existentielle Dimension der Schuldigkeit geschöpflichen Seins ausdrückt: Es gehört zum Wesen intelligenten und freien Lebens, dass es in existentiellen Verhältnissen der Schuldigkeit steht und daher erlösungsbedürftig ist. Jedes freie und intelligente Wesen (außer Maria und Jesus) ist erlösungsbedürftig. Hierüber würde sich mit extraterrestrischen Lebewesen keine wesentlich andere weltanschauliche Diskussion als mit Muslimen oder Buddhisten ergeben. Zweitens: In Bezug auf die Inkarnation hat schon Thomas von Aquin argumentiert, dass es aufgrund der Unendlichkeit Gottes möglich ist, dass er sich erneut in einer menschlichen Natur inkarniert. Wie Kreiner argumentiert: „Auch wenn Thomas zeitbedingt nur an die menschliche Natur denkt, spricht nichts dagegen, diese Möglichkeiten auch auf extraterrestrische intelligente Naturen auszuweiten“ (Kreiner 2011: 151). Wir können aus theologischer Perspektive also nicht ausschließen, dass es auf anderen Planeten tatsächlich weitere Inkarnationen Gottes gibt und Gott die biologische Natur der dortigen Wesen annimmt.[25] Auch wenn diese Vorstellung neu oder absurd klingen mag, spricht sie nicht gegen die weltanschauliche Grundannahme des Christentums, um die es hier geht: dass Gott sich auf der Erde in Jesus Christus inkarniert hat.

Über das Wesen und den Nutzen exotheologischer Reflexionen

Christliche Theologie ist eine unter vielen religiös-theologischen Weltanschauungen. Da die Existenz extraterrestrischer intelligenter Lebensformen aus theologischer und naturwissenschaftlicher Perspektive betrachtet möglich ist, beschäftigen sich christlich-exotheologische Diskurse mit den Konsequenzen und Implikationen für die christliche Theologie. Wir haben gesehen, dass die mögliche Existenz intelligenter extraterrestrischer Lebensformen weder eine erfolgreiche externe Theologiekritik mit sich bringt, noch aus der Binnenperspektive christlicher Theologie für unüberwindbare Probleme sorgt. Der Nutzen exotheologischer Reflexionen besteht daher schlicht darin, unsere eigenen theologisch-weltanschaulichen Grundannahmen genauer zu durchdenken und auf ihre Implikationen zu befragen. Sollte es je zu einem Diskurs mit intelligenten extraterrestrischen Lebewesen kommen, würde dieser aufgrund der Logik der religiösen Weltanschauung nicht dazu führen können, dass die christliche Weltanschauung dadurch an Plausibilität verliert. Sie kann auch jetzt schon akzeptieren, dass nicht alle intelligenten und freien Lebewesen ihre Grundannahmen teilen.

Bibliographie
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  • Werbick, Jürgen. 2010. Einführung in die theologische Wissenschaftslehre. Herder.

Anmerkungen

[1]    Vgl. Bochenski (1965: 14): „Theology may be defined as a study in which, along with other axioms, at least one sentence is assumed which belongs to a given Creed and which is not sustained by persons other than the believers of a given religion.“

[2]    Wenn auch etwas vereinfacht, so drückt Weingartner (1971: 146) die Idee doch treffend aus: „Wenn die Konsequenzen der theologischen Theorie mit den Sätzen der Bibel übereinstimmen, findet dadurch eine relative Bewährung der Theorie statt. Aus diesem Grund ist es auch möglich, dass theologische Theorien kritisiert werden, nämlich dann, wenn ihre Folgerungen mit Sätzen der Bibel in Konflikt (Widerspruch) geraten.“ Vgl. auch Peukert (2009: 25): „Die Geschichte der historisch-kritischen Erforschung des Neuen Testamentes hat gezeigt, dass die Exegeten geleitet waren von der Absicht, unter der dogmatischen Übermalung der Orthodoxie, aber auch schon des Neuen Testamentes selbst, in radikaler Kritik das wahre, echte Jesusbild zu entdecken, auf das sich der Glaube stützen kann oder das dem Glauben allen Boden entzieht.“

[3]    Vgl. in Bezug auf die katholische Theologie die neueren Arbeiten zum dogmatischen und fundamentaltheologischem Selbstverständnis: „In kritischer Absetzung [zum klassischen Model der Dogmatik] hat sich ein neueres Theologieverständnis entwickelt, das man als Modell der glaubenswissenschaftlichen Hermeneutik bezeichnen kann. Auch es zielt darauf ab, den intellectus fidei in glaubenswissenschaftliches Erkennen hinein zu objektivieren, aber das Ziel ist weniger die doktrinale Fassung des Glaubens im Corpus einer überzeitlichen Lehre als vielmehr die unablässige Arbeit der Auslegung des Wortes Gottes als des einen und selben Grundes des christlichen Glaubens im geschichtlichen Wandel unseres Daseins. [...] Das Modell der glaubenswissenschaftlichen Hermeneutik sucht [den Kriterien der Dogmatik] zu entsprechen, indem es den glaubenswissenschaftlichen Diskurs – also nicht nur den theologischen Forschungsprozess, sondern auch die lehrhaften Objektivationen dieses Prozesses – hermeneutisch funktionalisiert“ (Seckler 1988: 203).

[4]    Das Problem besteht darin, dass die Sätze der Heiligen Schrift als Offenbarungssätze entweder als wahr angenommen werden oder eben nicht. Wenn aber die Überzeugung von der Wahrheit eines Offenbarungssatzes eine rein subjektive Angelegenheit ist, dann entziehen sich Offenbarungssätze der intersubjektiven Kritisierbarkeit, da es zum einen keine zwingende Möglichkeit gibt, den anderen von der Wahrheit der entsprechenden Sätze zu überzeugen und auf der anderen Seite sie schlecht widerlegt werden können. Morscher nennt dieses Problem das Basis-Problem der Theologie und argumentiert wie folgt: „1. Die Theologie enthält Sätze, die nicht intersubjektiv kritisierbar sind. 2. Sätze, die nicht intersubjektiv kritisierbar sind, können nicht in einer Wissenschaft vorkommen. 3. Daher: Die Theologie ist keine Wissenschaft“ (Morscher 1974: 341).

[5]    Vgl. auch Quine (1979: 47): „Die Gesamtheit unseres sogenannten Wissens bzw. unserer Überzeugungen – von den beiläufigsten Dingen der Geographie und Geschichte bis hin zu den grundlegendsten Gesetzen der Atomphysik oder sogar der reinen Mathematik und Logik – ist ein von Menschen gewirkter Stoff, welcher nur an seinen Rändern auf die Erfahrung trifft. Oder – um das Bild zu wechseln: die Gesamtheit Wissenschaft ist wie ein Kraftfeld, dessen Randbedingungen Erfahrungen sind.“ Vgl. auch Peat (2005: 151): „Unser grundlegendes Konzept von Wissenschaft besagt, dass sie aus Naturgesetzen und dem mathematischen Ausdruck ursächlicher Beziehung zwischen den Dingen bestehen muss. Aber wir sollten nicht vergessen, dass die Philosophie des alten China auf den schönen Mustern des Zufalls basierte, so wie sie sich im I Ging ausrücken. Unsere materielle Welt wurde von ihr als eine bloße vorübergehende Manifestation ‚des Ewigen’ betrachtet. Wie Carl Gustav Jung bemerkte, ist Kausalität das Vorurteil des Westens, und Zufall das Vorurteil des Ostens. Was wird das Vorurteil der Außerirdischen sein?“

[6]    Vgl. Wendel (2002: 258) „In philosophischer Hinsicht ist ‚glauben‘ vielmehr selbst schon ein Vollzug der Vernunft, eine Form des Vernunftgebrauchs. Denn ‚glauben’ gilt in der erkenntnistheoretischen Tradition bereits seit Platon als epistemische Einstellung, also als Erkenntnisform und damit als Vollzug der Vernunft. [...] Aristoteles [...] verstand unter ‚glauben’ das anerkennende Erkennen der Axiome, der ersten Prinzipien des Wissens, wie etwa den Satz vom Widerspruch. Ohne dieses Anerkennen kommt Wissen nicht aus. Damit steht ‚glauben’ nicht im Gegensatz zu ‚wissen’, sondern ist vielmehr dessen Möglichkeitsbedingung“. Vgl. auch Werbick (2010: 58-59): „Glaubenswissen kann nicht identisch [sein] mit empirisch begründetem Ist-Wissen des Typs: So muss ich es bei meinem Umgang mit der Wirklichkeit der Welt voraussetzen, um dabei erfolgreich zu sein. Es kann auch nicht einfach das Gleiche sein wie ethisches Wissen des Typs: So soll es sein, damit es gut ist bzw. gut wird. Auch vom ästhetischen Wissen des Typs: Dieses Artefakt erschließt eine bedeutsame (neue) Dimension von Wirklichkeit und erfordert eine Art der Wahrnehmung, ist das Glaubenswissen zu unterscheiden. Zu allen diesen Wissenstypen hat es aber eine Beziehung, die mehr oder weniger stark ausgeprägt bewusst sein kann. Seine Eigenständigkeit wie seine Bezogenheit auf diese anderen Wissenstypen treten hervor, wenn man das Wissen des Glaubens wie folgt typisiert. Glauben enthält ein Wissen diesen Typs: So darf ich es bei meinem Umgang mit der Wirklichkeit voraussetzen. Die Glaubensvoraussetzung erschließt mir neue, verheißungsvolle Dimensionen der Wirklichkeit.“

[7]    Hier ist besonders die Dimension der Geschichtlichkeit der Vernunft entscheidend, da „der Versuch mit einer streng autonomen Vernunft, die vom Glauben nichts wissen will, sich sozusagen selbst an den Haaren aus dem Sumpf der Ungewißheiten herausziehen zu wollen, wird letztlich kaum gelingen. Denn die menschliche Vernunft ist gar nicht autonom. Sie lebt immer in geschichtlichen Zusammenhängen. Geschichtliche Zusammenhänge verstellen ihr den Blick (wir sehen es); darum braucht sie auch geschichtliche Hilfe, um über ihre geschichtlichen Sperren hinwegzukommen“ (Ratzinger 1996: 369).

[8]    Vgl. auch Seckler (1988: 202): „Wir, die Glaubenden und Theologietreibenden, wollen uns nicht nur gemeinsam im Wahrheitsstreben, sondern in einer gemeinsamen Wahrheit finden. Das glaubenswissenschaftliche Unternehmen ist deshalb darauf abgestellt, eine geistige Leistung aufzubauen, die sich objektiv und intersubjektiv als überindividuelle Erkenntnis darstellt. Das setzt ein Wahrheitsverständnis voraus, gemäß dem die Wahrheit des Wortes Gottes sich in den argumentativ vermittelten Konsens hinein objektivieren und als konsensfähige Objektivation von hermeneutischem Sachwissen darstellen kann.“

[9]    Vgl. auch Irlenborn (2004: 27): „Die christliche Theologie hat aufgrund eines geschichtlichen Ereignisses einen geschichtlich nicht überbietbaren Wahrheitsanspruch zu rechtfertigen: Die Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus behauptet trotz der epistemischen Bedingtheit menschlichen Erkennens einen unbedingten Wahrheitsanspruch.“

[10]   Vgl. Bonting (2005: 187): „Schon die griechischen Philosophen Leukipp, Demokrit und Epikur (480-270 v.Chr.) haben über die Existenz von Leben außerhalb der Erde spekuliert. [...] Auf der anderen Seite verneinten Platon und Aristoteles die Möglichkeit außerirdischen Lebens, was die frühen Theologen Augustinus, Albertus Magnus, Thomas von Aquin und seinen Zeitgenossen Roger Bcon dazu veranlasste, diese Vorstellung ebenfalls abzulehnen. Das änderte sich, nachdem Etienne Tempier, der Bischof von Paris, Im Jahre 1277 eine Liste mit verdammenswerten Lehrmeinungen veröffentlichte, die die Macht Gottes zu begrenzen schien. Eine davon war die Vorstellung, dass Gott nicht viele Welten erschaffen könne.“

[11]   Vgl. Bova (2005: 120): „Öffentliche Reaktionen auf die Entdeckung außerirdischer Lebewesen werden davon abhängen, welche Arten von Lebewesen entdeckt werden. Denkbar sind: Lebende oder fossilierte bakterielle Lebensformen, Fossilien komplexerer Lebensformen, lebende komplexe Lebensformen, die sich in ihren eigenen Ökologien voll herausgebildet haben, intelligente Lebewesen.“ Vgl. auch O’Meara (1999: 4): „The subject of this speculative theology is creatures living on other cosmic bodies. For them to be the subject of revelation and religion they must be intelligent and free, that is, they must have a cognitive openness, a capability for understanding analogies, symbolisms, and other imaginative and intellectual activities, as well as personal liberty receptive of subtle influence from God.“

[12]   Vgl. Wabbel (2005: 8): „Schon der Dominikanermönch und Philosoph Giordano Bruno postulierte 1584 in seiner Schrift Vom Unendlichen, dass Gottes Schöpfungskraft nicht nur auf die Erde beschränkt sei. Gott, so Bruno, müsse demzufolge unendlich viele bewohnte Planeten im Universum erschaffen haben.“

[13]   Vgl. Kreiner (2011: 11): „Am Beginn der Neuzeit bestand das geläufigste Argument in einer Kombination aus theologischen und kosmologischen Annahmen: Aus dem Glauben an einen göttlichen Schöpfer und der Entdeckung der unermesslichen Größe des Universums wurde eine Vielzahl bewohnter Planeten geschlussfolgert, denn – so die Begründung – Gott erschaffe alles zu einem bestimmten Zweck. Die unzähligen Himmelskörper können nicht allein der Menschheit wegen existieren, andernfalls hätte sich Gott einer gigantischen Platzverschwendung schuldig gemacht.“

[14]   An dieser Stelle kann eingewandt werden, dass in der Bibel nicht von Außerirdischen gesprochen wird, und dass daher ihre Existenz auszuschließen sei. Eine solche restriktive Lesart der Bibel wird man allerdings nur in stark fundamentalistischen Kreisen finden, die uns hier nicht weiter tangieren.

[15]   Vgl. de Duve (2005: 28): „Zur Beantwortung dieser Frage bieten sich zwei Methoden an: das Bottom-up- und das Top-down-Verfahren. Das Paradigma des Bottom-Up-Verfahrens stellt Millers historisches Experiment aus dem Jahr 1953 dar. Ausgehend von einem hypothetischem Modell [...] versuchte er einfach, die chemischen Bedingungen wiederherzustellen, die seiner Ansicht nach in den ersten Tagen seit Bestehen unseres Planeten in der Atmosphäre vorherrschten [um zu überprüfen, ob sich erneut Leben entwickelte] [...] Idealerweise setzt das Top-down-Verfahren bei bestehenden biochemischen Prozessen an und versucht, die einfacheren Urmechanismen zu rekonstruieren, aus denen sie sich abgeleitet haben könnten.“ Vgl. auch Kreiner (2011: 121): „Die Wahrscheinlichkeit, durch eine zufällige Kombination von Aminosäuren einen lebenden Organismus herzustellen, beträgt 1 zu 10130. Im Vergleich dazu bewegt sich die Anzahl der Sterne im ganzen Universum in der Größenordnung von 1020. Die Relation beider Größen lässt unsere Existenz, die weit mehr als die Kombination von Aminosäuren voraussetzt, als überwältigend unwahrscheinlich, vielleicht sogar als einmaligen Glückstreffer erscheinen.“

[16]   Vgl. Dick (2005: 167): „Die Tatsache, dass wir nicht biologischer Mittelpunkt [des Universums] sind, ist noch unbewiesen. Aber die Wissenschaft der Astrobiologie (auch Exobiologie oder Bioastronomie genannt) hat bereits ein beträchtliches Stück auf dem Weg zur Verkündung des Urteils – natürlich nur per Indizienbeweis – zurückgelegt, dass wir wohl in einem biologischen Universum leben. [...] Was jedoch immer noch fehlt, ist ein umfassendes Verständnis vom Ursprung des Lebens, und davon hängen alle Argumente für Überfluss oder Seltenheit von Leben ab. Wenn Leben überall dort entsteht, wo die Bedingungen günstig sind, müsste das Universum zumindest voller Mikroben sein.“ Vgl. auch Bonting (2005: 193): „Da Vorhandensein von Zwischengliedern in der Bildung von Aminosäuren und von Ribose (Bestandteil der RNA) im interstellaren Raum und von Aminosäuren außerirdischen Ursprungs in Meteoriten lässt vermuten, dass durch einen Prozess, der der präbiotischen Evolution auf der Erde ähnelt, auch anderswo im Universum Leben entstanden sein kann.“

[17]   Vgl. auch de Duve (2005: 30): „Wenn es, wie viele Astronomen glauben, viele anderen Planeten in unserer Galaxie oder an anderen Orten im Universum gibt, die der Erde ähneln, gibt es auf diesen Planeten wahrscheinlich in einer Form Leben, die sich hinsichtlich ihrer zentralen chemischen Eigenschaften nicht wesentlich von der Form unterscheidet, die auf der Erde anzutreffen sind [sic]. [...] Heute vertreten die meisten Evolutionsforscher folgende Meinung: Angesichts der Vielzahl zufälliger Ereignisse, die den Weg von der gemeinsamen Urform des Lebens bis zur Spezies Mensch kennzeichnen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen entstanden sind, als verschwindend gering und die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich an anderen Orten reproduziert haben, als extrem unwahrscheinlich einzustufen.“ Vgl. auch Gould (1989: 14): „Wenn wir das Band des Lebens bis zur Burgess-Zeit zurückspulen und es erneut ablaufen lassen, ist die Wahrscheinlichkeit, das so etwas wie menschliche Intelligenz noch einmal vorkommt, verschwindend gering.“

[18]   Vgl. Steele (2005: 84): „Wahrscheinlich werden die meisten konservativen Religionen oder Glaubensrichtungen die Bekanntgabe des ersten Kontakts als blasphemisch, betrügerisch, satanisch oder alles zusammen anprangern. Ausgesuchte Priester, Minister, und Laienprediger werden sowohl von der Kanzel als auch auf der Straße lauthals vor Hölle und Verdammnis warnen. Doch gleichzeitig werden Religionsführer der aufgeschlosseneren Religionen wahrscheinlich die Vorstellung akzeptieren, dass Gott mehr als eine intelligente Rasse im Universum geschaffen hat und ihre Gemeinden aufrufen, die Offenbarung zu bejubeln, das die Weisheit des Allmächtigen genauso unendlich groß wie mächtig ist.“ Vgl. auch Brin (2005: 108): „Viele Religionen beruhen auf Lehren, die verändert werden müssten, wenn sich die Annahme einer Pluralität der Welten bestätigen sollte.“

[19]   Vgl. auch Dick (2005: 161): „Einige lehnten das Christentum ab, weil sie an andere Welten glaubten; ein paar mehr hielten jedoch an ihrem christlichen Glauben fest und leugneten andere Welten; und eine beträchtliche Anzahl akzeptierte die Versuche, die andern Welten mit dem Christentum in Einklang zu bringen.“

[20]   Vgl. O’Meara (1999: 20): „Our species on earth is the subject of the biblical narratives. At no point in the Hebrew or Christian Scriptures do we learn that there is another race elsewhere in the universe, or that there is not.” Vgl. auch Dick (2005: 157): „Zuerst muss gesagt werden, dass es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kein offizielles religiöses Dogma Außerirdische betreffend gibt. Während der fünfhundert Jahre, die sich das Problem in seiner modernen Form im Bewusstsein der Menschen befindet, hat der Vatikan beispielsweise keine einzige päpstliche Bulle zu diesem Thema erlassen.“

[21]   Wabbel (2005: 7) beschreibt folgendes Szenario nach dem Kontakt: „Radioastronomen haben ein mysteriöses Signal empfangen, das sich als komplexe Botschaft an die Menschheit herausstellt. Man entschlüsselt das Signal und entdeckt Ungeheuerliches: Die Außerirdischen offenbaren uns, dass Gott nie existiert habe. Das Universum sei nur ein Produkt des Zufalls. Ein theologisch-philosophisches Erdbeben erschüttert den Globus. Rom, Jerusalem und Mekka befinden sich im Ausnahmezustand. Die Außerirdischen teilen uns mit, dass es keinen tieferen Sinn der Existenz, kein Leben nach dem Tod gibt. Sie teilen uns mit , dass Tausende anderer Zivilisationen im All den Glauben an Gott längst abgelegt hätte. [...] Die Menschheit erlebt ihre kosmische Feuertaufe. Könnte dieses Schreckensszenario irgendwann wahr werden?“

[22]   Vgl. Haught (2005: 215): „Da alle lebendigen und intelligenten Wesen an die gleichen grundsätzlichen physikalischen Grenzen des Lebens stoßen wie wir, können wir daraus schließen, dass ein sinnvoller Austausch über religiöses ‚Navigieren’ über diese Grenzen hinaus vorstellbar ist. [...] Und wenn sie wirklich intelligent sind, dann besitzen sie ein Bewusstsein für ihr mögliches Nichtsein. Mit anderen Worten, sie könnten sogar das haben, was Paul Tillich ‚existentielle Angst’ nennt.“ Vgl. auch Kreiner (2001: 195): „Offenbar sind weltanschauliche Rückschlüsse, die aus der wissenschaftlichen Erforschung der Natur zu ziehen sind, mehrdeutig und vielfältig. Der Naturalismus ist eine Option, aber nicht die einzige. Alles in allem scheint das Universum zu ambivalent zu sein, um intelligenten Wesen nur eine einzige Deutung seiner selbst, seiner Ursprünge und seines Sinns – so es denn einen hat – aufdrängen zu können.“

[23]   Bova (2005: 125) fasst das Problem für fundamentalistische Positionen wie folgt zusammen: „Ultrakonservative Religionsgelehrte werden in eine schreckliche Zwickmühle geraten: Da die Außerirdischen körperlich (und höchstwahrscheinlich auch geistig) anders sind als wir, kann es nur so sein, dass Gott nicht alle denkenden Lebewesen nach seinem Ebenbild erschaffen hat oder wir das Wort Gottes falsch gedeutet haben.“ Das gleiche Problem wird auch in der Enhancement-Debatte diskutiert. Vgl. Engelhard 39-40: „Im christlich theologischen Zusammenhang wird der Mensch geschätzt als nach Gottes Vorstellung und seinem Ebenbild geschaffen (Gen 1, 26-27) und die menschliche Natur als von Christus in der Inkarnation angenommen. Erschaffung und Inkarnation zeigen die Würde der Menschen und der menschlichen Natur. Im Kontext dieses moralisch-metaphysischen Verständnisses kann gefragt werden, was die menschliche Natur so verändern würde, dass sie nicht länger Vorstellung und Ebenbild Gottes wäre oder die Natur, die Christus in der Inkarnation angenommen hat. Man könnte mit der ausdrücklichen Berufung auf Gen. 1, 27 und die Evangelien (Mt 19:4, Mk 10:6) schlussfolgern, dass Gott die Menschen als Mann und als Frau erschaffen hat, und dass es deswegen verboten ist, die wesentlichen Geschlechtsunterschiede aufzuheben. Innerhalb dieses religiösen, moralischen und metaphysischen Kontextes haben Fragen über einen intrinsischen Wert oder moralischen Status der menschlichen Natur, welche der Veränderung der biologischen Natur des Menschen Grenzen setzen, eine Bedeutung hinsichtlich der göttlich errichteten Begrenzung eines allwissenden und radikal transzendenten Gottes. [...] Ein Problem entsteht, wenn man versucht, ein säkulares Äquivalent zu diesen in alle Ewigkeit hinein etablierten Grenzen zu finden.“

[24]   Mir ist schleierhaft, was Kreiner meint, wenn er sagt: „Es geht schon an die Grenzen des Vorstellbaren, dass Gott eine menschliche Natur annimmt. Dass er mehrere annimmt, sprengt das Vorstellungsvermögen endgültig“ (Kreiner 2011: 153). Alleine die Tatsache, dass Gott eine menschliche Natur annimmt, sprengt die Grenzen der Vorstellungskraft schon eindeutig. Weiterhin: „Wenn überhaupt eine Behauptung Chancen auf allgemeine Zustimmung hat, dann der Satz, dass es sich bei der Menschwerdung um ein Mysterium handelt, womit natürlich niemandem wirklich gedient ist, zumindest keinem, dem es um ein Verständnis der Bekenntnisaussagen geht“ (Kreiner 2011: 172). Mit Verwunderung muss ich gestehen, dass solche Aussagen aus theologischer Perspektive seltsam anmuten, da sie implizieren, dass der Begriff des Mysteriums aus erkenntnistheoretischer Lage nicht zweckdienlich ist. Will Kreiner den Mysterienbegriff aus der christlichen Theologie wegerklären und sie in rein natürliche Theologie transformieren?

[25]   Kreiner argumentiert wie folgt: „Das eigentliche Problem ist nicht so sehr die Vorstellung mehrfacher Inkarnationen, sondern deren Anzahl. Ab einer bestimmten Anzahl von Inkarnationen entstünden zeitliche Engpässe, weil das Alter des Universums nichts ausreichen würde, um sämtliche bewohnten Planeten aufzusuchen.“ (Kreiner 2011: 152)

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/89/bpg1.htm
© Benedikt Paul Göcke, 2014