Kirche und Theologie |
Ugly AmericansArchitekturkritik im Stil von Francis „Frank“ GrimesAndreas Mertin Die 34 hässlichsten modernen Kirchen der Welt verspricht ein konservativer katholischer Editor aus Amerika auf seiner Website zu zeigen und schiebt weil es doch so viel Hässliches auf der Welt gibt gleich noch einmal 33 weitere hässliche Kirchengebäude nach. Der Mann ist nicht irgendwer, er hat schon mal im Büro unter Donald Rumsfeld gedient und politische Wissenschaften sowie katholische Theologie studiert. Da darf man natürlich ein geradezu militärisches Urteilsvermögen in zeitgenössischer Architektur voraussetzen und vor allem präzise Urteile über die Baukunst des Old Europe. Und de facto ist seine Auswahl zwar etwas diffus, weil er die Geister nicht wirklich zu unterscheiden vermag (manchmal taucht wirklich Mediokres auf seiner Liste auf), aber auch nicht ganz schlecht, gelingt es ihm doch, so ziemlich jede herausragende Kirche der Moderne auf dieser Welt in seine Galerie hässlicher Bau-Ereignisse aufzunehmen. Im Prinzip ist seine Liste so, als wenn jemand alles, was in der Kunst seit Giotto Rang und Namen hatte, zusammenstellt und die Gelisteten zu den schlechtesten Künstlern aller Zeiten erklärt. Er vertauscht schlichtweg die Vorzeichen. Seinerzeit haben ja auch einige konservative Katholiken Papst Benedikt XVI. zu erklären versucht, dass alle Kunst seit Giotto Abfall ist. Unser katholischer Autor hat Ähnliches im Sinn. Als zeitgenössischer Architekt müsste man eigentlich protestieren, wenn man in dieser Zusammenstellung nicht vorkommt. Es bestünde sonst der Verdacht, etwas Angepasstes erschaffen zu haben. Wer aber steht nun auf der Liste der auserwählten Architekten des 20. und 21. Jahrhunderts, die uns die hässlichsten Kirchen beschert haben? Ich liste einmal ein paar besonders aussagekräftige Namen auf:
Jede dieser Kirchen wird mit einem ironisch-gehässigen Kommentar versehen, der mehr über den Kommentator als über das architektonische Kunstwerk Auskunft gibt. Trotzdem, das dürfte deutlich geworden sein, handelt es sich um ein Who is who der Architektenszene der Moderne. Nichtsdestoweniger sind einige ausgezeichnete Kirchen wie
der Aufmerksamkeit des katholischen Architektur-Blogwarts entgangen. Aber die kann er ja noch in der dritten Ausgabe seiner Liste nachtragen. Wer selbst noch einmal nachlesen und sich vor allem die Beispiele anschauen will, wird hier fündig: Natürlich erklären sich die negativen Urteile weniger aus der Architektur selbst, sondern insbesondere daraus, dass die Mehrzahl zumindest der hier benannten katholischen Kirchen den Ideen des II. Vatikanums folgen (oder diese präfigurieren), also die streng hierarchische Struktur zugunsten neuer Raummodelle aufbrechen. Und dass sie auf die Moderne reagieren, indem sie den nach 1900 fraglich gewordenen Platz religiöser Gebäude im Setting der Städte neu zu bestimmen suchen. Selbstverständlich hätte man (und hat man ja auch) im Stil des 19. Jahrhunderts auf Bewährtes setzen können, ein Disneyworld der Kirchbaukunst vergangener Zeiten in einer moderner und postmoderner werdenden Welt. Aber sinnvoll ist das nicht, sondern ein Offenbarungseid religiösen Denkens. Was wir hier vor uns haben, ist der denunziatorische Zettelkasten eines an der Moderne erkrankten und vollkommen verstörten Menschen. Würde man ihn fragen, was denn an Stelle dieser Werke treten sollte, käme mit Sicherheit irgendein Neo-Stil heraus. Neo-Romanik, Neo-Gotik, vielleicht auch Neo-Barock. Hauptsache nichts Neues, sondern etwas Bewährtes. Ganz traditionalistisch eben. Bloß keine Experimente. So aber wird das Christentum erst recht modern. Nur eben im anderen Wortsinn mit der Betonung auf der ersten Silbe. Die Totengräber des Christentums sind nicht ihre Modernisierer, sondern die Zombies, die Wiedergänger, die glauben, die Welt habe sich seit ihrem Ableben nicht geändert. Die positiven Resonanzen, die diese herabsetzenden Listen auf konservativen katholischen Blogs haben, zeigen vor allen Dingen eines: auf welch kleinbürgerlichem Niveau der weltumspannende Katholizismus inzwischen in der Debatte architekturästhetischer Fragen angekommen ist. Wo einst die besten Künstler und Architekten der Welt ästhetisch experimentieren durften, um den der jeweiligen Zeit angemessenen Ausdruck zu finden, macht man sich heute über dieses Bemühen nur lustig. Nicht weil man wirklich darüber stände, sondern weil man schlicht Angst vor der Gegenwart hat. „Regelmäßig wettern solche am heftigsten gegen die Anarchie der neuen Kunst, mit der es meist gar nicht so weit her ist, die durch grobe Fehler auf dem simpelsten Informationsniveau der Unkenntnis des Verhassten sich überführen; unansprechbar sind sie auch darin, dass sie, was abzulehnen sie vorweg entschlossen sind, gar nicht erst erfahren mögen.“ (Theodor W. Adorno) Letztlich, das lehrt uns Ugly Americans, müssen wir mit diesen Zombies leben, müssen wir ihnen geduldig wie Mark Lilly die Kultur der Pluralität und der Postmoderne erklären. Denn, wie heißt es so schön bei serienjunkies.de: Auch Monster brauchen Integrationshilfe. Eines können wir aus diesem Beispiel lernen: Nicht sehr hilfreich ist es, im Stil von Francis „Frank“ Grimes alles abzuknallen, was einem nicht passt oder was man nicht versteht. Dem katholischen Aitoren aber ist zu danken, dass er eine Slideshow der interessantesten Kirchenbauten der letzten 100 Jahre zusammengestellt hat - auch wenn er das gar nicht wollte. |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/90/am482.htm
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