Theologie und Kirche |
August 2014 Liebe Leserinnen und Leser, „Wo Kirche ist, da hat sie ein Ziel: das Reich Gottes. Wie könnte es anders sein, als dass dieses Ziel der Kirche eine dauernde Beunruhigung bildet für die Menschen in der Kirche, deren Tun in keinem Verhältnis steht zur Größe dieses Ziels? Es darf nun nicht geschehen, daß man sich dadurch die christliche, d. h. die kirchliche und auch die theologische Existenz verleiden lässt. Es kann wohl geschehen, daß man die Hand, die an den Pflug gelegt ist, sinken lassen möchte, wenn man die Kirche mit ihrem Ziel vergleicht. Man kann wohl oft einen Ekel bekommen vor dem ganzen kirchlichen Wesen. Wer diese Beklemmung nicht kennt, wer sich einfach wohl fühlt in den Kirchenmauern, der hat die eigentliche Dynamik dieser Sache bestimmt noch nicht gesehen. Man kann in der Kirche nur wie ein Vogel im Käfig sein, der immer wieder gegen die Gitter stößt. Es geht um etwas Größeres als um unser bisschen Predigt und Liturgie! Aber: wo die apostolische Kirche lebt, da weiß man zwar um diese Sehnsucht, da sehnt man sich zwar nach dem Hause, das uns bereitet ist, aber da brennt man nicht durch, da läuft man nicht einfach davon ... Wenn wir wirklich auf das Reich Gottes hoffen, dann können wir auch der Kirche in ihrer Kümmerlichkeit standhalten.“ Diese Worte von Karl Barth aus seiner „Dogmatik im Grundriss“ zeigen ganz gut die Ambivalenz des Theologen zur Kirche: Man kann in der Kirche nur wie ein Vogel im Käfig sein, der immer wieder gegen die Gitter stößt. Die Stimme der Theologie ist in der Kirche leiser geworden, vorbei sind freilich auch die Zeiten, in den Theologen noch hemmungslos kritisiert wurden, nur weil sie ihrer Aufgabe nachgingen. Fast hat man das Gefühl, als herrsche eine Art Gleichgültigkeit. Sicher hat dazu auch die Pluralisierung der Theologien, die man im 20. Jahrhundert beobachten konnte, beigetragen. Dabei, dass wird auch in den Beiträgen zu diesem Heft deutlich, hat / hätte die Theologie durchaus etwas zu sagen. Die Heftradaktion dieser Ausgabe über Theologie und Kirche lag in den Händen von Wolfgang Vögele. Unter VIEW finden Sie zunächst den Haupttext des Heftes, die Beobachtungen zum Verhältnis von Theologie und Kirchenleitung von Wolfgang Vögele unter der Überschrift „Das Abendmahl der Aktenordner“. Aus einer Vortrags- und Diskussionsreihe zum Thema "Wozu Glaube?" der Hamburger Ev. Akademie stammen zwei Texte. Volker Gerhardt reflektiert über Glaube als Einstellung zum Wissen, Rolf Schieder über die religionspolitischen Konfliktlagen in Deutschland. Ebenfalls etwas ganz Besonderes können wir den Leserinnen und Lesern mit Eckhart Marggrafs Versuch einer Deutung von Noldes Werk Martyrium bieten. Denn das Werk „Martyrium“ von Nolde war bisher wenig im öffentlichen Bewusstsein präsent und vor allem auch kaum als Abbildung zugänglich. Durch ein großzügiges Entgegenkommen der Noldestiftung Seebüll können wir dieses Werk nun zeigen und Eckhart Marggraf bringt es uns in seiner Deutung näher.
Unsere Rubrik RE-VIEW ist mit zahlreichen interessanten Beiträgen gefüllt: Rezensionen und Buchvorstellungen gibt es von Andreas Mertin und Eckhart Marggraf. Kim de Wildt steuert Überlegungen zur Aktualität des Begriffs der Liminalität bei, Hans Jürgen Benedict beschäftigt sich mit Salome und Johannes dem Täufer. Unter POST glossiert Andreas Mertin die Architekturkritik traditionalistischer Blogs und stellt verschiedene Kurzfilme vor. Zum Schluss gibt es noch Notizen zu aktuellen Themen der letzten zwei Monate. Einige Hinweise zu den kommenden Heften: Heft 91 widmet sich dem Thema BILD-LEKTÜREN und versucht, Theologie und Bild in eine Konstellation zu bringen. Heft 92 wird sich unter der Redaktion von Reinhard Kirste mit dem Thema der Globalisierung der Religionen beschäftigen. Heft 93 beschäftigt sich unter der Redaktion von Andreas Mertin anlässlich des Reformationsthemenjahrs "Bibel und Bild" mit dem Thema "Protestantismus und Kultur". Heft 94 geht unter der Redaktion von Jörg Herrmann anhand der Überschrift Extra ecclesiam religio non est? der Frage nach dem Wachsen oder Verschwinden von Religion außerhalb der kirchlichen Institutionen nach. Heft 95 wird sich unter der Redaktion von Wolfgang Vögele mit dem Dichter Dante Alighieri und der Wirkungsgeschichte der Göttlichen Komödie beschäftigen. Heft 96 greift unter der Redaktion von Andreas Mertin das Thema Architektur und säkulare Spiritualität auf. Heft 97 wird sich unter der Redaktion von Andreas Mertin anhand des Titels "Closer to van Eyck" der Kunst und der "Theologie" Jan van Eycks zuwenden. Heft 98 könnte dann ein CONTAINER sein. Leserinnen und Leser, die Beiträge zu einzelnen Heften einreichen wollen, werden gebeten, sich mit der Redaktion in Verbindung zu setzen. Wir wünschen eine angenehme und erkenntnisreiche Lektüre! Andreas Mertin, Jörg Herrmann und Horst Schwebel
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