Globalisierung der Religionen |
Ein-SichtenLiteratur zum HeftthemaReinhard Kirste
Konfuzianismus als HumanismusBereits der Untertitel des Buches verrät, dass es hier nicht um die nationalen Zusammenhänge etwa der Volksrepublik China geht, sondern um ein Humanitätsverständnis, das chinesische Geistes- und Lebenshaltungen prägt. Der Autor Ming-huei Lee, Forscher an der Academia Sinica in Taipeh (Taiwan), macht von vornherein deutlich, dass man den Konfuzianismus nicht vorschnell als Philosophie oder Religion klassifizieren sollte. Vielmehr zeigt sich, dass gerade der Konfuzianismus seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit dem Begriff Humanismus in enge Verbindung gebracht wird (S. 11f). Der Verfasser lässt sich allerdings nicht auf eine komplizierte entwicklungsgeschichtlich zu differenzierende Humanismusdebatte ein, sondern hebt die folgende Grundbedeutung heraus: „Der Humanismus ist keine Schule, sondern eine geistige Richtung, die ausgehend von menschlicher Selbstbesinnung, dem Rang des Menschen neuerlich Anerkennung verschafft“ (S. 10). Die folgenden Kapitel und Textinterpretationen sind auch keine geschlossene systematische Darstellung, sondern eine Art Zusammenschau weitgehend früher schon veröffentlichter Texte. Nun machen schon eine erste Durchsicht der hier vorgestellten klassischen Texte und die Diskussion um die Bedeutung Kants im Kontext des Konfuzianismus deutlich, wie facettenreich und keineswegs einlinig die Geistesgeschichte Chinas ist. Bedeutung humanistischer traditioneller Werte und Rückkehr zu einem Kulturkonservatismus sind Signale für eine Neuverortung des Humanismus, wie ihn der chinesische Konfuzianismus geradezu vorbildhaft repräsentiert (S. 15). Wenn ich mich in meiner Besprechung stärker auf die im Buch zur Sprache kommenden religiösen Elemente des Konfuzianismus beziehe, so lässt sich an den Beiträgen Lees gut erkennen, dass die hier angestoßene humanistische Wertedebatte nicht nur ein wesentlicher Beitrag zum interkulturellen, sondern gerade auch zum interreligiösen Dialog ist. Das erscheint mir deshalb so wichtig zu sein, weil in der Begegnung der Religionen gerade des Konfuzianismus und Taoismus im Westen meist nur ausschnitthaft wahrgenommen werden. Im Diskurs westlicher Religionsverständnisse setzen dagegen im Osten Transformationen ein, deren Endlinien noch nicht abzusehen sind. Die von Lee gesetzten Beispiele und Schwerpunkte sind darum besonders aufschlussreich: Im Kapitel 1 (S. 2141) steht die konfuzianische Ethik am Beispiel der Debatte um die dreijährige Trauerzeit in Lunyü / Lunyu 17.21 (aus den Gesprächen/Analekten des Konfuzius / Kungfutse) im Mittelpunkt. Angesichts des Todes nächster Angehöriger wird die Verkürzung der Trauerphase diskutiert und gerät zu einem Orientierungspunkt für die Leitung eines Menschen durch das Gewissen. Eine kürzere Trauerzeit wird nur dann als sinnvoll angesehen, wenn der Mensch wirklich zuvor schon innere “Ruhe“ gefunden hat (S. 33f). Daraus leitet Lee ab, dass für Konfuzius und seinen Reform-Nachfolger Mengzi Gefühl und Vernunft eng zusammengehören. Das hat zur Folge, dass das „Herz“ für die moralische Entscheidung wesentlich ist. Kant argumentiert hier anders. Im 2. Kapitel (S. 4352), die Autonomie des Herzens als philosophischer Deutung, wird vertiefend auf das „Herz“ eingegangen, und zwar mit einer Text-Interpretation von Mengzi (Buch 2A2). Der Autor kommt aktualisierend zu dem Schluss: „Wenn wir bei der Entscheidung der Normen und Werte nicht auf das moralische Ich als letzte Instanz dafür, sondern auf die theoretische Vernunft rekurrieren, können wir wirklich von unseren Neigungen oder Vorurteilen gelenkt werden, deren wir uns nicht bewusst sein mögen. Hierin finden alle ideologisierten Doktrinen ihren Ursprung“ (S. 52). Lee ist sich der Zustimmung Kants sicher. Man ahnt es bereits: Es entwickelte sich in China eine mehr als hundertjährige gemeinsame Denklinie zwischen dem Königsberger Philosophen und dem chinesischen Meister. Quasi als Gegenüberstellung hin zur Moderne zeigt sich das 3. Kapitel (S. 5376) im wirkungsgeschichtlichen Kontext der Philosophie Immanuel Kants im modernen China. Liberalismus und Marxismus bauten trotz ihrer gegensätzlichen Position eine gemeinsame Feindschaft gegen Kants Philosophie auf. Aber gerade der Neokonfuzianismus bildet nach den ideologischen Abgrenzungen der Vergangenheit wieder eine Brücke selbst im (noch) kommunistischen heutigen China. Die transformierende Interpretation des Dinges an sich ist der Schwerpunkt in Kapitel 4 (S. 7790): Sie ist aktualisierend dem Dialog zwischen Kant und dem 1995 verstorbenen neokonfuzianischen Philosophen Mou Zongsan (Mou Tsungsan) gewidmet. Das geschieht in schöpferischer und durchaus adäquater Weiterentwicklung bei Mou und im kritischen Rückblick auf die deutsche Debatte um Kant bei Fichte, Hegel und Nietzsche, Schleiermacher, Schopenhauer u.a. Weil nun aber wie Kapitel 5 beschreibt Kants moralische Religion (S. 91128) eine Entsprechung im Konfuzianismus findet, ist für den Autor klar, dass das weite Tillichsche Religionsverständnis in Verbindung mit Kant sowohl das „Unbedingte“ wie die Kultur adäquat und transkulturell zur Sprache bringt. Darauf hat auch der neukantianisch ansetzende religionspluralistische Theologe John Hick (Druckfehler nicht Hicks!) aufmerksam gemacht. Konfuzianismus lässt sich also durchaus als Religion verstehen; und Kant wird zu einem wichtigen Brückenbauer des religiösen West-Ost-Dialogs, denn die Einheit von Himmel und Mensch zeigt die untrennbare Zusammengehörigkeit von Humanismus und Religion. Darauf legen neokonfuzianische Philosophen ausgesprochen Wert (S. 99). Wenn man nun noch den Schlussbeitrag zum derzeitigen chinesischen Konfuzianismusfieber (S. 129143) berücksichtigt, so bietet sich durchaus die positive Möglichkeit, Religion als Orientierung hin zu einer umfassenderen Wirklichkeit zu verstehen. Der west-östliche Religionsdialog bekommt ganz erstaunliche, auch widersprüchliche Konturen trotz und gerade wegen der weiterhin geltenden „Orthodoxie“ des Marxismus in China. Dennoch scheinen im Zusammenhang eines umfassenden Humanismus ermutigende Konvergenzen zwischen dem Westen und dem Fernen Osten möglich zu werden. Dass Ming-huei Lee westliche LeserInnen darauf aufmerksam gemacht hat, ist der große Vorzug dieses Buches. Kultur besser verstehen - das Handbuch KulturphilosophieKonersmann gehört zu den Vorreitern einer Disziplin, die Zusammenhänge der „von Menschen gemachten Welt“ durchdenkt und damit Kultur und Philosophie ständig miteinander ins Spiel bringt. Auf seiner Universitäts-Homepage beschreibt der Kieler Philosophieprofessor, was ihn vorantreibt. „Die Arbeit des Lehrstuhls ist von der übergeordneten Frage bestimmt, wie Denken und Wissen das Selbstverständnis von Kulturen pragmatisch bestimmen. Das heißt für die Kulturphilosophie, daß sie klären muß, was es bedeutet, die Wirklichkeiten, in denen wir leben, in der Summe als Ausdrucksgestalten menschlicher Kultur zu erfassen. Das heißt für die Fachdidaktik, daß sie die sichtbare Seite der Philosophie, ihre Beispielhaftigkeit und ihren kulturellen Anspruch verdeutlichen muß“. Als Lehr und Forschungsschwerpunkte ergeben sich darum für ihn:
2003 hatte er bereits eine Einführung zur Kulturphilosophie geschrieben (Hamburg: Junius-Verlag). Dort legt er dar, warum diese notwendig wurde, auf welchen Grundbegriffen sie aufbaut und welches ihre wichtigsten Vertreter sind. Das von ihm nun herausgegebene „Handbuch Kulturphilosophie“ bietet eine bisher so nicht vorhandene Basis, die die Schwerpunkte und Übergänge benennt, Begriffe und Geschichtsentwicklungen mit Hilfe einzelner Artikel vorstellt. Die einzelnen Beiträge haben kompetente Fachleute verfasst, die in der Lage sind, die in diesem Bereich sich überschneidenden Themenfelder genauer zu beleuchten. Dies ist allerdings nicht leicht zu bewerkstelligen, weil sich eben nicht „eingrenzen“, „definieren“ lässt, was „Kultur“ wirklich ist. Kulturphilosophie taucht darum in vielen Disziplinen auf. Und so fokussiert das Handbuch die Antwort vorläufig so: „Kultur ist die Welt des freigestellten Menschen“ (S. VII). Was dies bedeutet, müssen die thematischen Schwerpunkte (Kap. II), die Systematik der Übergänge (Kap. IV) und eine Begriffsauswahl (Kap. V) näher erläutern. Als Definitionsstützen dienen dabei auch die Metaphern für Kultur (Kap. VI). All dies sichern die AutorInnen an „Leitfiguren“ einigermaßen ab, indem sie der Vorgeschichte der Kulturphilosophie (bis 1900), diejenigen der entscheidenden Gründungsphase (1900-1945) und schließlich ihren Aktualisierungen bis in die Gegenwart nachgehen (Kap. III). Für die einzelnen Phasen gibt es eine bewusste Auswahl von Protagonisten: III.1. Vorgeschichte: Vico Giambattista, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant, Gottfried Herder, Friedrich Schiller, G.W.F. Hegel, Friedrich Nietzsche. III.2. Gründungsphase: Georg Simmel, John Dewey, Ernst Cassirer und seine Wirkungsgeschichte, Martin Heidegger, Ludwig Wittgenstein, Antonio Gramsci und Walter Benjamin, III.3. 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts u.a.: Max Scheler, Marx Horkheimer, Ludwig Marcuse, Siegfried Kracauer, Leo Löwenthal, Oskar Negt, Alexander Kluge, Max Horkheimer, Jürgen Habermas, Claude Lévi-Strauss, Hans Blumenberg, Michel Foucault und Richard Rorty. Angesichts der oft divergierenden Vielfalt sei auf entscheidende Schnittpunkte verwiesen, die sich gut an den Unterschieden zwischen Georg Simmel (1858-1918) und seinen Schüler Ernst Cassirer (1874-1945) festmachen lassen: Anders als Simmel sieht Cassirer keine Notwendigkeit, eine heile Kultur wiederzugewinnen; für ihn besteht die Kultur als Spielraum von Variationen. Dahinter entdecken die Artikel-Verfasser Willfried Geßner, Ursula Renz, Isabella Woldt und Cornelia Richter eine ganz neue Vorstellung des kulturellen Werkes: Es ist konstitutiver Teil eines Kommunikationsgeschehens zwischen Subjekten, die als Schöpfer des Werkes ebenso wie als Interpret dem Werk überhaupt erst Bedeutsamkeit verleihen. Damit ist die Rezeption eines Werkes keine rein passive Angelegenheit, und es wird der Druck genommen, einen im Werk verborgenen Sinn einholen zu müssen. Auch teilt sich die Kultur nicht mehr auf in eine höhere Ebene des Schaffens und eine untergeordnete des Verstehens oder Interpretierens; denn beide Seiten treffen sich aktiv und schöpferisch im Werk. Nach den stärker an Personen orientierten Darstellungen werden nun Beziehungsfelder angesprochen, die sich den eigenen Bereich übergreifend als Übergänge (Kap. IV) manifestieren, und zwar in der Architektur, im Design, in der Geschichte, der Gesellschaft, der Kunst, der Moral, der Natur, der Politik, der Religion, der Rhetorik, der Sprache, der Technik, der Wirtschaft und Wissenschaft. Diese „Querverbindungen“ stecken zugleich einen ausgesprochen weitläufigen Rahmen ab, durch den die Vielfalt von gesellschaftlicher Vergangenheit und Gegenwart als Lebenswirklichkeit präsent wird. Es ist in einer solchen Rezension nicht möglich, diese Vielfalt angemessen beschreibend zu berücksichtigen. Den Rezensenten macht es aus einer interreligiösen und interkulturellen Perspektive neugierig, welche Rolle Religion in einem solchen Kontext spielt. So werden Zusammenhänge besonders deutlich durch die Überlegungen zu philosophisch geprägter Interkulturalität von Rolf Elberfeld (in Kap. II, S. 39-45). Birgit Recki stellt variierende Verständnisse von Moral dar. Diesen lassen sich dann Aspekte von Religion zuordnen, wie das Michael Moxter, systematischer Theologe an der Universität Hamburg ausführt. „Identität“ (Jürgen Straub), „Fremdheit“ (Kurt Röttgers) und „Gastlichkeit“ (Harald Liebsch) entwickeln sich dabei zu hermeneutischen Brücken. So passt es gut, dass Moxter auf der Basis von Sinndeutung Religion untersucht. Die Gesichtspunkte von Projektion, Institutionalisierung und Mythos erhalten dabei eine Leitfunktion für unterschiedliche Religionsverständnisse. Darum braucht er Paul Tillichs Religionsbegriff als „Substanz von Kultur.“ Dieser wird für ihn zum Ausgangspunkt einer knappen systematisierenden Beschreibung verschiedener Religionstheorien wie denjenigen von Rudolf Otto, Hermann Lübbe, Jacques Waardenburg und Niklas Luhmann. Besondere Beachtung widmet der Autor dem Zusammenhang von Religion und Kunst, den er philosophie- und theologiegeschichtlich anspricht. Zum Schluss des Artikels gibt es dann noch eine ausführliche historisch angelegte Umschreibung von „religio“ und den dahinter stehenden Deutungshorizonten. Wie unterschiedlich die jeweiligen Zugänge und Definitionsvoraussetzungen von Kulturphilosophen auch sein mögen, dieses Buch schafft es, in der Auseinandersetzung mit einer Fülle von Kulturverständnissen Kultur als einen lebendigen Prozess zu sehen, der nie zu Ende ist. Man kann es als eine Art systematisierendes Lexikon bezeichnen, das neben einem ordnenden geschichtlichen Rückblick und einer thematischen Aufbereitung für eine Zukunftsoffenheit von Kultur plädiert. Darum sind keine abschließenden Urteile möglich, geschweige denn Verurteilungen. Die einzelnen Autoren machen zwar deutlich, dass bestimmte Entwicklungen in der Kultur kritisch zu betrachten sind, Kulturpessimismus ist insgesamt jedoch nicht angebracht. Es bleibt darum höchst zweifelhaft, mit Adorno vom Misslingen der Kultur (S. 173f) zu sprechen, weil er mit einem Kulturbegriff arbeitet, der die Humanität nicht von vornherein einschließt. So dürfte Habermas generell weiterführend sein, der „für eine Kultur der intersubjektiven Verständigung und der wechselseitigen sozialen Anerkennung“ plädiert (S. 176). Im Sinne des Letzteren werden die Leser dieses weit ausholende Werk dankbar annehmen, auch wenn natürlich nicht die vielen verwandten Strömungen im Horizont einer „crosscultural“ Philosophie besprochen werden konnten. So haben angesichts gegenwärtiger Trends und Moden z.B. die Freizeit und der Tourismus keinen eigenen Bearbeitungsschwerpunkt bekommen. Das ändert aber nichts daran, dass hier ein Standardwerk nicht nur zur Kulturphilosophie, sondern zum Kulturverständnis überhaupt entstanden ist, auf das man nicht mehr verzichten sollte. Wie sorgfältig die Beiträge in das lexikalische Gesamtkonzept eingearbeitet worden sind, lässt sich übrigens daran erkennen, wenn man die Ausdifferenzierung der Begriffe von Anthropologie, Geschichte, Kultur und Welt allein im Register näher betrachtet und von dort auf die einzelnen Artikel zugreift.
Theologie interkulturellWer über die Jahre die beeindruckenden Gastvorlesungen und Seminare im Fachbereich Katholische Theologie der Universität Frankfurt/M. miterlebt hat, wird auf die Herausforderungen einer »Theologie interkulturell« nicht mehr verzichten wollen. Unter diesem Titel hat sich ein Forum fester interkultureller und theologisch-kontextueller Begegnung entwickelt, geprägt von unterschiedlichen Religionen und Kulturen im Kontext der „einen Welt“. Der vorliegende Band ist als eine Art Bilanz zu verstehen. Die LeserInnen werden bei er Lektüre erstaunt sein, welche Vielfalt sich in den 20 Jahren seit Beginn von „Theologie interkulturell“ hier entwickelt hat. Der Herausgeber Thomas Schreijäck, praktischer Theologie und Religionspädagoge an eben diesem katholischen Fachbereich in Frankfurt und seit einigen Jahren 1. Vorsitzender von „Theologie interkulturell“ hat die Intention des interkulturellen und interreligiösen Arbeitsfeldes präzise formuliert: „Die Frage danach, wie angesichts der häufig unmenschlichen Zustände an verschiedenen Orten der Welt von Gott gesprochen werden und in seinem Sinn gehandelt werden kann, wird mit der Frage, wie wir in differenzierter Einheit über Gott und mit ihm sprechen, aber auch miteinander Optionen treffen und sie mit Blick auf eine Welt für Alle umsetzen können, verbunden“ (S. 9). Durch die Einbeziehung von (katholischen) Gastdozenten aus der ganzen Welt, fällt auch das manchmal noch anzutreffende Vorurteil von katholischer Kirche als monolithischer Glaubensblock endgültig in sich zusammen. In ihrer weltweiten Eingebundenheit repräsentiert der hier vorgestellte Katholizismus vielmehr eine Pluralität erstaunlichen und grenzüberschreitenden Ausmaßes. Ob Asien, Afrika, Ozeanien oder Lateinamerika, es ist spannend zu sehen, wie sich christlicher Glaube in den unterschiedlichen Regionen kontextuell ständig fortentwickelt und damit Rückwirkungen auf die katholische Kirche hat, und der Funke oft genug auf die anderen Konfessionen und Religionen überspringt. Die Begegnungen wurden und werden immer ganz praktisch vermittelt: In jedem Wintersemester präsentiert eine Theologin oder ein Theologe aus einem nichteuropäischen Land Afrikas, Asiens, Lateinamerikas oder dem pazifischen Raum in Vorlesung und Seminar Forschungsergebnisse und Erfahrungen unter den Bedingungen jeweiliger religiöser, politischer Kultur. Gleichzeitig wird so ein Austausch über die Kontinente hinweg ermöglicht, der gerade auch europäischer Theologie neue Einsichten vermittelt. Die Beiträge in diesem Band dokumentieren die Ergebnisse der ersten gemeinsamen Konferenz von 18 WissenschaftlerInnen in Frankfurt aus Anlass des 20jährigen Jubiläums von „Theologie interkulturell“ im Jahre 2007. Die damit verbundene Tagung stand unter dem Titel: „Aufbruch in eine Welt für alle“. Neben eher unbekannten, aber nichtsdestotrotz bedeutenden ReferentInnen tauchen auch bekannte Namen auf wie Bénézet Bujo, Kinshasa / Fribourg [CH], Paulo Suess (Sao Paulo), Francis X. D’Sa (Pune, Indien), Robert J. Schreiter (Chicago), Felix Wilfred (Madras, Indien), Haruko K. Okano (Tokyo) und John D’Arcy May (Dublin). Aber nicht die bedeutenden Namen sind das Entscheidende dieses Bandes, sondern das, was die einzelnen zu sagen hatten und haben. Die Referate kreis(t)en alle um das Stichwort „Glaubenskommunikation“, das die Beitragenden des 1. Abschnitts unter den Schwerpunkten von Familie, dem Umgang mit einer Kulturenvielfalt in Afrika und im Kontext von Mauritius ansprachen. Obiora Ike aus Nigeria zeigte dabei aus nigerianischer Perspektive einen verstärkten religionsökumenischen Ansatz als Chance für ein friedliches Zusammenleben. Er war unmittelbar vor der Tagung durch die Stiftung „Omnis Religio“ mit einem Förderungsbetrag für seine interreligiöse Arbeit gewürdigt worden. Im 2. Abschnitt kommen die kontextuelle Situation und die Zukunftsmöglichkeiten im Kampf um Gerechtigkeit als Option für die Armen zur Sprache und prägen so in besonderer Weise nicht nur Lateinamerika, sondern haben Rückwirkungen auch nach Nordamerika. Den breitesten Raum (weit über die Hälfte der Beiträge) nehmen Analysen und Einschätzungen aus Asien und Ozeanien im 3. Abschnitt ein, und zwar besonders bezogen auf Indien, Pakistan und die Philippinen. Zum letzteren finden sich zwei Beiträge, einmal mit Schwerpunkt auf der Situation der Frauen und zum anderen auf die himmelschreiende Armut von „Smokey Mountain, den Menschen, die an und von den noch verwertbaren Dingen der Müllhalden leben. Schließlich kommen China und Japan besonders im Kontext der Friedensarbeit vor sowie die Pazifikregion angesichts der Folgen von Missionierung und Kolonialismus. Welche beunruhigenden, aber doch auch immer wieder hoffnungsvollen Perspektiven aufleuchten, machten die „ehemaligen“ Gastdozenten auf unterschiedliche Weise, aber oft sehr persönlich und beeindruckend authentisch deutlich, um herauszustellen, wie sich der eigene Glaube angesichts der Weltveränderungen umorientieren muss und aus christlicher Verantwortung den Ruf nach Befreiung und Gerechtigkeit verstärkt. Dabei sind die Kirchen unmittelbar aufgrund ihrer Verkündigung im Sinne der „Guten Nachricht“ verpflichtet. Um es kurz zu sagen. Nur der redet glaubwürdig vom Heil, der sich um das Wohl seiner Mitmenschen kümmert. Die in „Theologie Interkulturelle“ Engagierten des Fachbereichs Katholische Theologie der Universität Frankfurt haben kontinuierlich diese Begegnungen gefördert und Herausforderungen bewusst in Kauf genommen, um durch die Auswahl der Gastdozenten auch eigene kirchliche Unbeweglichkeiten und Verhärtungen ins Licht zu stellen und Aufbrüche anzustoßen. |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/92/rk04.htm
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