Dogmatische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme?

Arbeitsbericht zur Neuauflage der Bekenntnisschriften in der Badischen Landeskirche

Wolfgang Vögele

1.

- Was sollen wir denn damit?
- Da haben wir noch nie hineingeschaut!
- Das soll ich einmal unterschrieben haben?

Solche Aussagen kann man hören, wenn Pfarrer und Älteste zum ersten Mal einen Blick in neue Ausgaben und Auflagen der Bekenntnisschriften werfen. Bekenntnisschriften führen bekanntlich ein Schattendasein im evangelischen Legitimationsuntergrund – weit verbreitetes und ausgedehntes Wurzelwerk bei geringer Blütengröße. Dabei schaffen die Grundordnungen der evangelischen Landeskirchen eigentlich ein solides normatives Dreieck zwischen Bibel, Bekenntnisschriften und Kirchenrecht. Die ausgewogene Balance dieses Dreiecks geht allerdings in den letzten Jahren zunehmend verloren. Um die theologische Dignität der Bekenntnisschriften zu würdigen und anzuerkennen, ist zunächst ihre Kenntnis vonnöten.

Niemand kann im Moment sagen, er würde die Bekenntnisschriften nicht mehr in den Regalen kirchlicher Bibliotheken finden. Denn gerade hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Im Jahr 2014 ist eine wissenschaftliche Ausgabe der lutherischen Bekenntnisschriften[1] erschienen, welche die alten BSLK[2], deren erste Auflage auf das vierhundertjährige Jubiläum der Confessio Augustana im Jahr 1930 zurückging, abgelöst hat. Im letzten Jahr schon erschien eine neue und erheblich bearbeitete Studienausgabe der lutherischen Bekenntnisschriften für die Gemeinden, in behutsam modernisiertem Deutsch[3].

Gerade sind die Bekenntnisschriften der Badischen Landeskirche neu erschienen, zum ersten Mal mit einem Kommentarband[4], der Ältesten und Arbeitskreisen in den Gemeinden Arbeit und Argumentation mit diesen theologischen Dokumenten erleichtern soll. Die badische Landeskirche versteht sich als bekenntnisunierte Kirche im Gegensatz zu unierten Kirchen, die nur ihre Verwaltungen vereint haben. Sie ist nicht Mitglied des Bundes lutherischer Kirchen in Deutschland (VELKD) und auch nicht des Lutherischen Weltbundes (LWB).

In der Öffentlichkeit kann man oft die Beobachtung machen, dass die evangelische Kirche in Deutschland als monolithische feste Größe wahrgenommen wird. Von der Aufteilung in lutherische, unierte und reformierte Kirchen ist nur noch wenig bekannt. Wer aus beruflichen Gründen häufiger umziehen muss, der bleibt zwar evangelisch, aber bei entsprechender geographischer Streuung kann er vom Unierten zum Lutheraner, zum Reformierten und dann wieder zum Unierten werden, wenn er in seine Heimat zurückkehrt. Und meistens sind dem Berufswechsler seine konfessionellen Veränderungen nicht einmal bewusst geworden. Selbst Theologen können manchmal diesen konfessionellen Unterschied nicht richtig erklären. Und dennoch wirkt er sich kirchenamtlich in erheblicher Weise auf die Zusammensetzung von Gremien, auf die Besetzung von wichtigen Stellen sowie auf den Zu- und Abfluss finanzieller Mittel aus.

Theologisch und kirchenrechtlich stehen die Bekenntnisgrundlagen einer Landeskirche in der Mitte zwischen auf der einen Seite Bibel und Schriftprinzip als ursprünglichen und wichtigsten Referenzrahmen evangelischer Kirche und auf der anderen Seite dem Kirchenrecht, den Grundordnungen, kirchlichen Gesetzen und Ausführungsbestimmungen, die Gemeinden und klerikale Verwaltungsstrukturen offen oder latent prägen. Das gilt allerdings nur in der Theorie, in der kirchlichen Praxis herrschen ganz andere Prioritäten.[5] Schon deshalb lohnt sich die Rückbesinnung auf die Bekenntnisschriften. Sie könnte zu einer theologischen und kirchlichen Neuorientierung führen, welche Unsicherheiten des Glaubens, klerikale Irrwege sowie die Sackgassen der evangelischen Bürokratisierung überwindet. 

2.

Als erstes ist zu fragen, was sich in der Neuausgabe der Badischen Bekenntnisschriften verändert hat. An den Bekenntnissen selbst hat sich selbstverständlich nichts verändert. Sie werden in Baden festgelegt durch die Präambel der Grundordnung, die für diese unierte Kirche einen magnus consensus für die drei altkirchlichen Bekenntnisse, die Confessio Augustana, den Kleinen und den Heidelberger Katechismus feststellt. Dazu kommen die Unionsurkunde und die Barmer Theologische Erklärung.

Die Präambel der Grundordnung "bejaht" die Barmer Theologische Erklärung nur, das empfinden mittlerweile viele als eine Herabsetzung dieser Erklärung gegenüber den altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnissen. Es wäre sinnvoll, die entsprechende Gleichstellung der Barmer Erklärung durch einen anderen Präambelwortlaut nachzuholen, wie das neuerdings auch in lutherischen Kirchen wie etwa der Nordkirche geschehen ist.

Entscheidend aber für die neueren Auflagen der Bekenntnisschriften ist die Leuenberger Konkordie von 1973. Eine Konkordie ist nicht notwendig selbst ein Bekenntnis, sondern nur eine Erklärung über eine gemeinsame Interpretation oder über Übereinstimmungen in unterschiedlichen Bekenntnissen. Deswegen ist Leuenberg vorläufig nicht selbst Bekenntnischarakter zuzusprechen. So war jedenfalls bisher die Meinung der Badischen Landeskirche, auch wenn einzelne Theologen in der Ökumene den Bekenntnischarakter dieser Konkordie schon bejaht haben. Tatsache ist, dass die Konkordie von 1973 sich zum ersten Mal ökumenisch mit Fragen der Differenz im Glaubensinhalt auseinandersetzt, während die Bekenntnisschriften davor jeweils einen gemeinsamen Konsens formulierten und sich - wie die Barmer Erklärung - von theologischen Irrlehren absetzten. Die Leuenberger Konkordie bearbeitet solche Unterschiede im Glauben, welche sich nicht in das Dual von Rechtgläubigkeit und Häresie/Irrlehre verrechnen lassen.

Auch die badische Unionsurkunde formuliert bei aller Offenheit zwischen den Unterschieden lutherischer und reformierter Theologie gerade in der zentralen Abendmahlsfrage eine gemeinsame Position, die in den Jahren nach ihrer Verabschiedung 1821 erheblich umstritten war.

Leuenberg nimmt zentrale Anliegen der Unionsurkunde auf, legt die theologische Argumentation aber anders an. Sie stellt an den Anfang ein gemeinsames Verständnis dessen, was als Evangelium Jesu Christi zu glauben ist und bewertet danach die alten reformatorischen Unterschiede in Fragen des Abendmahls, der Christologie und der Prädestination neu. In dieser Figur der Neubewertung theologischer Unterschiede ist der wesentliche Fortschritt der Leuenberger Konkordie zu erkennen. Und diese Figur könnte sich auch in der Bewertung weiterer innerevangelischer Unterschiede für die Zukunft der evangelischen Kirche als exemplarisch erweisen, mit weitreichenden Folgerungen, die allerdings in der Wirklichkeit vieler Landeskirchen und der EKD noch nicht richtig angekommen ist, zumal sich damit auch eine Neubewertung der dahin dümpelnden und von vielen nicht richtig wahrgenommenen Leuenberger Kirchengemeinschaft (GEKE = Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa) nahelegen würde.

Leuenberg ist - noch! - weniger als ein Bekenntnis, aber doch mehr als ein ekklesiologischer Begleittext. Das ist aus zwei Gründen von enormer praktischer und theologischer Bedeutung. Die evangelischen Landeskirchen in Deutschland kommen mit der Bearbeitung ihrer innerkirchlichen Unterschiede und den Rivalitäten ihres unierten, reformierten und lutherischen Verbandskirchentums immer noch nicht richtig zurecht. Und schon wegen der politischen Einigung Europas bedarf es einer gemeinsamen europäischen Repräsentanz der evangelischen Kirchen[6], die auch theologisch durch ein europäisches Bekenntnis wie Leuenberg abgesichert ist. Es bedarf dringend einer Weiterbildung des Bekenntnisprozesses, der durch eine zunehmende Ökumenisierung und Europäisierung charakterisiert sein sollte. Genau diese Weiterarbeit an der Bekenntnisfrage haben die Unionsurkunde und die Barmer Theologische Erklärung, vor allem in ihrer Präambel schon vor langem gefordert, wenn auch nicht in einer europäischen Dimension. In den fünfziger Jahren haben die Landeskirchen diese Arbeit am gemeinsamen Bekenntnis durch Neuauflagen unproduktiver konfessioneller Streitigkeiten weniger gelöst als verschoben. Leuenberg bietet seit nunmehr vierzig Jahren eine dritte theologische Steilvorlage für die Bearbeitung solcher innerevangelischer Gegensätze.

In den neuen badischen Bekenntnisschriften wird diesem Prozess evangelischer Europäisierung dadurch Rechnung getragen, dass unter den sog. ergänzenden Texten eine Fülle von ökumenischen und europäischen Texten neu aufgenommen wurde, vor allem die Basisformel des Ökumenischen Rates und die europäische Charta Oecumenica, welche die Partnerschaftsvereinbarungen mit der altkatholischen Kirche, den Methodisten und Anglikanern ergänzen.

3.

Aber genau hier zeigt sich auch die Uneinigkeit des deutschen Protestantismus. Denn so gern man die zwischen evangelischer und katholischer Kirche vereinbarte Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre abgedruckt hätte, diese wurde auf evangelischer Seite vom Lutherischen Weltbund unterzeichnet, in dem die Evangelische Landeskirche in Baden nicht Mitglied ist. Es wäre ein dringendes Desiderat für den evangelisch-katholischen Dialog, dass sich die Synode zu dieser gemeinsamen Erklärung äußert, zumal sich die ökumenischen Beziehungen auf regionaler Ebene, zwischen Landeskirche und der Diözese Freiburg sehr gut gestalten.

Ein ähnliches Problem trifft den Aussöhnungsprozess zwischen lutherischen Kirchen und den historischen Friedens- und Täuferkirchen, der mittlerweile in einem Schuldbekenntnis der lutherischen Kirchen Gestalt gefunden hat. Auch dieser Aussöhnungsprozess wird auf evangelischer Seite auf der Ebene des Lutherischen Weltbundes verhandelt. Wie jeder Kenner der süddeutschen Reformationsgeschichte weiß, war aber das heutige Gebiet der badischen Landeskirche (Kraichgau, Waldshut, Emmendingen) für die Geschichte der Bauernkriege und der Täufer nicht unwichtig. Auch hier besteht also das Desiderat nach synodalem Handeln, auch wenn der Landessynode nicht vorzuwerfen ist, sie habe die Probleme ihrer Bekenntnisschriften nicht zur Kenntnis genommen.

4.

Denn leider ließ es sich nicht vermeiden, den Beschluss der Landessynode zum Artikel 16 des Augsburger Bekenntnisses nochmals abzudrucken. Vor Jahren weigerten sich einige Älteste aus einer Gemeinde der Landeskirche, die Verpflichtungserklärung für Älteste zu unterzeichnen, mit der Begründung, man würde mit der Confessio Augustana, vor allem mit Art. 16 die Lehre vom gerechten Krieg billigen. Mit der in Artikel 16 ausgesprochenen Verwerfung der Wiedertäufer sahen diese Ältesten auch eine von manchen vertretene pazifistische Position als bekenntniswidrig markiert.

Schon das muss allerdings als ein Missverständnis qualifiziert werden. Mit derselben Argumentation könnte man mit Bezug auf Art. 16 CA davon sprechen, es werde die Todesstrafe legitimiert, weil der Artikel Christen ausdrücklich zugesteht, das Henkeramt auszuüben. Das wird aber gegenwärtig kein evangelischer Theologe oder Ethiker ernsthaft behaupten wollen.

Sowohl die Position der Ältesten als auch die Antwort der Landessynode sind darin problematisch und völlig unzureichend, dass sie Art. 16 aus ihrem historischen Kontext herauslösen. Die Frage nach der Drohung und Anwendung von Massenvernichtungswaffen konnte Melanchthon als Hauptverfasser der Confessio Augustana nicht kennen. Selbstverständlich ist mit der Theorie des gerechten Krieges eine schwierige friedensethische Frage angesprochen, die allerdings in gegenwärtiger sozialethischer Verantwortung gelöst werden muss, nicht unter Verweis auf einen Artikel aus dem 16. Jahrhundert. Deren Verfassern kann das heute aktuelle Problem noch gar nicht bekannt gewesen sein kann.

Und es ist im Übrigen für die Gegenwart problematisch, einfach einen Konsens für die Ablehnung der Lehre vom gerechten Krieg anzunehmen. Das haben zuletzt der Ratsvorsitzende und der Rat der EKD im Blick auf die Situation im Irak immer wieder betont. In der badischen Kirche muss man sich umgekehrt fragen lassen, ob die einfache Wiederbelebung von veralteten friedensethischen Themen, Fragestellungen und Voraussetzungen aus den achtziger Jahren heute noch hilfreich ist und nicht einer Neuorientierung bedarf.[7]

5.

Ein anderer Text wurde nicht aufgenommen, nämlich die sog. Leitsätze[8] der Badischen Landeskirche, welche nach einem längeren Diskussionsprozess in den Jahren 1999 und 2000 beschlossen wurden. Die Leitsätze sind in drei Teile gegliedert, wovon der erste behandelt, was die Kirche glaubt, der zweite, was sie ist, und der dritte, was sie will. Unter dem Stichwort „Was wir glauben“ seien die folgenden Leitsätze als Beispiele zitiert:

- „Gott liebt die Menschen, ob sie es glauben oder nicht.“
- „Gott hat die Welt geschaffen und gesagt, was gut ist.“
- „Durch Jesus Christus ist Gott auch in den Tiefen menschlicher Not bei uns.“

Gegen diese Glaubenssätze als solche ist ja eigentlich gar nichts einzuwenden. Aber man kann das drehen und wenden wie man will: Unter dem Stichwort „Was wir glauben“ werden Bekenntnissätze abgehandelt. Und wer diese Sätze mit den Sätzen geltenden Bekenntnisses vergleicht, kommt nicht umhin, ein Verhältnis der Konkurrenz festzustellen. Es fällt weiter auf, dass die Erläuterungen dieser Leitsätze nicht theologische Argumente hervorkehren, sondern über Konsens und Dissens, Übereinstimmung und Kritik, kurzum über den demokratischen Entscheidungsprozess berichten. Der Satz „Gott hat die Welt geschaffen und gesagt, was gut ist“ ist ja dringend erläuterungsbedürftig. Jedenfalls darf er nicht in einem positivistischen naturwissenschaftlichen Sinn verstanden werden. Er müsste darum als theologischer Glaubenssatz erläutert sein.

Die Leitsätze besitzen zum einen Bekenntnischarakter, zum anderen aber auch den Charakter einer ethischen Programmschrift, denn eine Reihe von Leitsätzen gibt darüber Auskunft, was die Kirche will. Das unterscheidet nun die Leitsätze von einem Glaubensbekenntnis. Ich zitiere Beispiele für solche programmatischen Leitsätze:

- „Wir wollen eine Kirche, in der man weinen und lachen kann.“
- „Wir wollen offen, ehrlich und glaubwürdig miteinander umgehen.“

Es stellen sich zwei Fragen. Passt die Allgemeinheit und Vagheit dieser Formulierungen zusammen mit dem, was in CA VII und in den Thesen 3,4 und 6 der Barmer Theologischen Erklärung theologisch über Kirche formuliert wird? Passt der programmatische Leistungsanspruch der Leitsätze, auch wenn er im Gewand der Harmlosigkeit daherkommt, zu dem, was in der Confessio Augustana, im Kleinen und im Heidelberger Katechismus über Rechtfertigungslehre gesagt wird? Nach meiner Überzeugung passt es nicht. Es ist aber hier nicht der Ort, Antworten auf die damit geschaffene Problemlage zu formulieren. Es wäre nachzudenken, ob die Leitsätze nicht eine problematische Verknüpfung von theologischem Anspruch und ökonomisch-organisationssoziologischer Identitätsbildungstheorie darstellen. Es wäre nachzudenken über die Frage, ob Glaube sich aus dem ermittelt, was der Konsens der Kirchenmitglieder ist, oder aus den Einsichten, die die Vorgängerinnen und Vorgänger im Glauben als biblische und theologische Überzeugung im Bekenntnis formuliert haben. Hier tut sich ein weites theologisches Feld auf, das dringend zu bearbeiten wäre.

6.

Darin ist den Befürwortern der Leitbilder recht zu geben: Glauben wird gegenwärtig verantwortet und gelebt. Die Berufung auf die Bibel und die Tradition des Bekenntnisses reicht dafür nicht aus. Deswegen erscheint auch das gegenwärtig noch häufig vorgetragene lutherische Argument, mit der Konkordienformel von 1580 sei die Bekenntnisbildung an ihr Ende gekommen, als nicht zureichend. Es wäre nachzudenken über theologische Versuche, das Bekenntnis des christlichen Glaubens neu und für die Gegenwart aktuell zu formulieren. Entsprechende Versuche haben der emeritierte Baseler Pfarrer Franz Christ[9] oder der emeritierte Heidelberger Systematiker Wilfried Härle[10] vorgelegt, beide sehr viel anspruchsvoller und reflektierter als die Leitbilder. Wer nur einen flüchtigen Blick in beide Dokumente wirft, bemerkt schnell die unterschiedlichen Akzentuierungen beider Autoren. Beide in ihrer sehr unterschiedlichen theologischen Ausrichtung eröffnen einen theologischen Diskussionsraum, der kirchlich genutzt werden sollte. Denn nur dort, wo die Kirche über das Bekenntnis ihres Glaubens in seiner historischen und aktuellen Dimension redet, ist Kirche bei sich selbst. Leider sieht die evangelische Wirklichkeit anders aus.

7.

Glaubensvisionen haben im Moment ja gar keine Konjunktur, die Zukunft scheint in der Gegenwart der evangelischen Kirche ihren Ort verloren zu haben. Denn in den Konsistorien ächzt man unter der Last der grauen Wirklichkeit und hat bisher kein Mittel gegen die bleibend hohen Austrittszahlen gefunden: Milieuanalysen, Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen, Reformprogramme oder das Pfeifen im Walde (Minderheit mit Zukunft!) haben alle nicht geholfen. Aus der EKD kommt der Vorschlag, die Confessio Augustana als das früheste und gemeinsame Grundbekenntnis der Reformation als gemeinsame Grundlage der evangelischen Landeskirchen zu implementieren[11]. So würde die EKD von der „Kirchengemeinschaft“ zur Kirche mit gemeinsamem Bekenntnis promoviert. Diesem Vorschlag ist schon mit guten historischen und aktuellen Gründen widersprochen worden. Er nimmt einfach das Differenzmoment nicht ernst genug. Man muss im Übrigen kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass dieser Vorschlag zwischen der Kritik an dem damit verbundenen Zentralismus und den bekannten irrationalen Regionalisierungskräften zerrieben werden wird.

Visionär wäre die Weiterführung von Leuenberg zu einem europäischen evangelischen Bekenntnis, das über die landeskirchlichen und nationalen Grenzen hinausreicht. Aber im Moment sind Kräfte und Personen nicht zu erkennen, die dafür Kraft, Kreativität und langen Atem besitzen würden. Der Heilige Geist hat im Moment eine Menge zu tun.

Anmerkungen

[1]    Irene Dingel (Hg.), Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Vollständige Neuedition, Gütersloh 2014.

[2]    Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, Göttingen 2010, 13. Aufl..

[3]    Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche (Hg.), Unser Glaube. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Ausgabe für die Gemeinde, Gütersloh 2013.

[4]    Die Bekenntnisschriften der Badischen Landeskirche, Bd.1, Textsammlung, bearb. von Wolfgang Vögele, Karlsruhe 2015; Die Bekenntnisschriften der Badischen Landeskirche, Bd.2, Kommentar, hg. von Wolfgang Vögele, Karlsruhe 2015.

[5]    Wolfgang Vögele, Das Abendmahl der Aktenordner. Bemerkungen zum Verhältnis von Theologie und Kirchenleitung, Tà Katoptrizómena. Magazin für Kunst, Kultur, Theologie, Ästhetik, H.90, 2014, www.theomag.de/90/wv12.htm.

[6]    Dazu Wolfgang Vögele, „...wie jede andere Weltgegend auch“? Die Europäische Einigung als Thema der evangelischen Kirchen: Verkündigungsraum oder sozialethisches Projekt?, in: P.-Chr. Müller-Graff, H.Schneider (Hg.), Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Europäischen Union, Schriftenreihe des Arbeitskreises Europäische Integration 50, Baden-Baden 2003, 59-72.

[7]    Dazu Wolfgang Vögele, Leben und Überleben. Der Lebensbegriff im Kontext der protestantischen Friedensbewegung in Deutschland, in: St. Schaede et al. (Hg.), Das Leben III. Historisch-systematische Studien zur Geschichte eines Begriffs, Tübingen 2014 i.E..

[8]    Vgl. zur Entstehung der Leitbilder: Was wir glauben - Wer wir sind - Was wir wollen

[9]    Franz Christ, Brannte nicht unser Herz in uns?, Basel 2011, www.ref.ch/fileadmin/user_upload/bilder/News/Schweiz/katechismus.pdf.

[10]   Wilfried Härle, Christlicher Glaube in Frage und Antwort. Ein kleiner Katechismus für heute, Heidelberg Ostfildern 2013,
www.w-haerle.de/texte/Katechismus-Haerle.pdf.

[11]   Kirchenamt der EKD, Soll das Augsburger Bekenntnis Grundbekenntnis der Evangelischen Kirche in Deutschland werden? Ein Votum der Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland für Theologie, EKD-Texte 103, Hannover 2009, www.ekd.de/download/ekd_texte_103.pdf.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/94/wv17.htm
© Wolfgang Vögele, 2015