Schweben

Wieso in der Kunst gelingt, was im Leben so schwer ist. Eine Predigt

Hans- Jürgen Benedict

Ich betrete die gotische Hallenkirche, deren hervorstechendes Merkmal ihre Weite und Helligkeit ist. Alles strahlt in Weiß, es gibt nur wenige Kunstwerke. Und dann ist da auf einmal der riesige dunkle Felsen. Mein erster Eindruck – dieser Stein aus Styropor, 4x6 Meter im Umfang, er wiegt 500 Kg, ist wuchtig, bedrohlich, dunkel, gefährlich, finster. Er schwebt zwar, aber seine massive Präsenz verunsichert. Er wirkt wie ein schwarzer Asteroid, der sich anschickt im Kirchenschiff einzuschlagen. Ja, er hat etwas Erschlagendes und man traut sich nicht sogleich, unter ihm durchzugehen. Er schwebt dort wie ein Damokles’felsen‘, an seidenem Faden aufgehängt und jederzeit bereit, den ihn Passierenden zu erschlagen. Erst langsam versichert man sich, dass er doch fest hängt, dass er schwebt – eine dunkle steinerne Wolke, ein Felsen wie von einem andern Stern. Wenn man Abstand gewinnt, wirkt der Felsen weniger bedrohlich – je weiter weg, desto besser, erträglicher wird er, dieser bedrohliche Felsen. Geht man durch die Seitenschiffe verschwindet er auf einmal zwischen den dicken Säulen der Katharinenkirche und sie liegt da in ihrer schönen unberührten Weissheit, dann taucht er wieder auf, verschwindet erneut, bleibt aber im Unterbewussten präsent. Sein Dasein verändert das Raumgefühl, da ist jetzt etwas, was vorher nicht da war, auch wenn ich es im Augenblick nicht sehe. Gehe ich durch den Turmeingang in die Kirche, sieht man einen Teil von ihm unter der Empore als schwarze Wolke hängen. „Es geht eine dunkle Wolk herein…“ Von der Musikempore aus wirkt der Anblick störend, der Altar ist nicht mehr zu sehen, die Schwärze des Steins hat sich dazwischen geschoben. Zuerst traute ich mich nicht unter dem Felsen durchzugehen, schrieb eine Besucherin ins Kirchenbuch, er hat mir Angst gemacht.

In the limbo heiß das Kunstprojekt, und unfreiwillig assoziiere ich Limbus, die katholische Bezeichnung für Vorhölle, in die Christus gestiegen ist, um den vor ihm gestorbenen Heiden das Evangelium zu predigen, auch um Adam und Eva aus ihrem Rachen herauszuholen. Ein Stück Höllengestein in der Kirche, jetzt nicht unterm Golgathakreuz mit Gerippe, Schädel und sich windendem Satan, sondern als massive Präsenz des Bösen, Dunklen. Aber es kann auch der karibische Tanz Limbo gemeint sein, in dem der Tänzer unter einer niedrig gehängten Stange sich zurücklehnend hindurchtanzen muss, ohne sie zu berühren. Was sich aus dem surrealistischen Gemälde Magrittes Das Pyrenäenschloss jetzt hier in der St. Katharinenkirche massiv materialisiert hat und bedrohlich hängend das Mittelschiff verändert, es knüpft an das alte Thema der Kunst an, das Schweben. Surrealismus. Auf Dalis Bildern sieht man immer schwebende Felsen und Figuren. „In der griechischen Plastik ab dem 6.Jahrhundert v.Chr. wurde es zur schwierigsten und zugleich ehrenvollsten Aufgabe, schwebende Niken, also Siegesgöttinnen, darzustellen“, lese ich im Begleitzettel zu dem Kunstprojekt. Das stimmt:  Wer mal im Louvre war, kann diese artistische Meisterschaft des Schwebens an der herrlichen Nike von Samothrake bewundern. „Das Schweben wurde im Laufe der Jahrhunderte (so der Begleitzettel weiter) zum Inbegriff der Übernatürlichkeit“ in der christlichen Kunst. Seit der Verkündigung des Erzengel Gabriels an Maria, in einem Botticelli-Bild schwebt, ja düst er sozusagen knapp über dem Boden in Marias Zimmer, seit dem Engelsgesang auf den Feldern von Bethlehem sind die geflügelten Boten Gottes beliebter Gegenstand christlicher Schwebekunst.

Wahre Triumphe der Aufhebung der Schwerkraft und der Bewältigung des steinernen Materials feiert sie im barocken Kirchenbau. Maler, Stuckateure und Bildhauer schaffen mit den Kirchen, die die Himmelfahrt Mariens darstellen, wahre Gesamtkunstwerke des Schwebens und Aufsteigens. Die Mutter Gottes, die in den Himmel erhöht wird, schwebt mit Engeln, Putten und Heiligen zu ihrem Sohn in einen Himmel empor, der mit seinen Wolken von einer außerordentlichen Zartheit und Schönheit ist. Wer die Kirche Vierzehnheiligen bei Coburg, die Kirchen an der schwäbischen Barockstraße, die Barockkirche Birnau am Bodensee besucht, wird auch als Protestant seines Anteils an altkatholischer Sinnlichkeit inne. Das ist schön, mit Maria in den Himmel schweben, zieht einen empor, lässt einen mitten im Leben etwas was von zukünftiger Verklärung ahnen. Und von mir aus mag es auch der heidnische Himmel Apolls sein, mit der der Fürstbischof in den von Balthasar Neumann erbauten Treppenhaus der Würzburger Residenz sich selber verklärt … Bilder und Objekte des Schwebens, durch die der Mensch Anteil am Göttlichen hat.

Denn Schweben, Fliegen ist ja Privileg Gottes und seiner Engel. Das hat Michelangelo sehr schön erfasst, wenn er den schöpferischen Gott in der Sixtinischen Kapelle im Verein mit seinen Engeln bei der Erschaffung Adams so herrlich fliegen und schweben lässt.

Marie Luise Kaschnitz hat diese Szene in dem Gedicht Das alte Thema hinreißend so beschrieben: Ab und zu / Du / Gott noch immer Unbekannter / Berührst uns / Wie der an die Decke der Sistina gemalte / Den eben erst erschaffenen Adam / Nur mit einem Finger / Da fliegen wir / Für diesen Augenblick / Dir im Konvoi / Da nährst du uns / Von Kuppe zu Kuppe / Mit dem Mut deines Anfangs / Wir aus demselben Stoff gemacht / Wie Du / Noch ohne Blutgeruch / Und Brandgeruch / Schöpfer Geschöpf / Wir flogen / liebten uns / uneingeschränkt / Zum ersten letzten Mal. Ja, schön und treffend ist diese Bildidee Michelangelos beschrieben – der Urzustand als Fliegen und Schweben mit Gott, noch unzerstört von der Gewalt des Menschen, die er dann, in seine Selbständigkeit entlassen, schnell auf Erden anrichtet, ich erinnere nur an die Geschichte von Kain und Abel. Sanfte Berührung der Schwebenden mit dem Finger, eine Geste, die bis in die heutige Werbung und bis zum Film ET wirkt. Aufhebung der Schwerkraft, Schweben ist physisch wie metaphysisch immer ein Traum des Menschen gewesen. Große Entfernungen wie ein Zugvogel in der Luft überwinden, über den Ärmelkanal, den Atlantik fliegen, über die Alpen und in ferne Länder. Als der Traum mit der Erfindung des Flugzeugs physisch wahr wurde, wurde er schnell zum Alptraum. Kaum war der Flugapparat erfunden, da kamen Militärs auf den Gedanken ihn zur Zerstörung zu benutzen. Sich gegenseitig abschießen damit im Krieg. Und noch schlimmer – zerstörerische Bomben von den Flugzeugen abwerfen, die alles auf Erden töten, was sie treffen. Es gibt viele Geschichten von Zerstörungen und Vernichtungen in der Bibel, die die Bösen treffen sollen. Aber was der Mensch im Krieg mit seiner physischen Schwebekunst, dem Flugzeug anrichtet, das übersteigt die schlimmste Vernichtungsfantasie. Hier in Hamburg haben wir es im 2. Weltkrieg mit der Operation Gomorrha Ende Juli 1943 erfahren müssen. Nachdem deutsche Bomber Zerstörung über Guernica, Warschau, Rotterdam und London gebracht hatten, ließ die Vergeltung nicht lange auf sich warten. Die Bomberschwärme der Alliierten mit ihrer ungeheuren Zerstörungslast richteten in vielen deutschen Städten und dann in Hamburg ein schreckliches Inferno an, das als „Feuersturm“ in die Militärgeschichte eingegangen ist. „Schwefel und Feuer ließ Gott bzw. der Luftmarschall Harris auf Sodom und Gomorrha bzw. auf Hamburg und Dresden herabregnen und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner. (Gen 19)

Liebe Gemeinde, ich sage das nicht um schreckliche Erinnerungen zu beschwören. Ich sage das, weil dieser hängende schwarze Stein in ihrer Kirche auch bei mir beim ersten Anblick diese Erinnerung auslöste, denn ich habe als Dreijähriger in Hamburg die Bombenangriffe miterlebt und schwarze Blindgängerbomben gesehen. [Auch das Foto von der ersten Atombombe, die Hiroshima auslöschte, blasphemisch verniedlichend Little fat Boy genannt, wie sie unter dem Flugzeug hängt, kam mir in den Sinn.] Wie ich Kunst wahrnehme, das hängt auch mit den eigenen Lebenserfahrungen zusammen. Ja, dieser in der Kirche hängende schwarze Felsen hat etwas Bedrohliches, erinnert mich daran, dass es zerstörerische, bedrohliche Mächte gibt. Und dann kann ich aber sagen, wie eine Besucherin im Kirchenbuch – traue dich unter dem Felsen durchzugehen, überwinde diesen so und dann kommst du zum Altar, dem Ort des Heiligen. Diese Besucherin hat so den Felsen für sich christlich-existentiell gedeutet.

In der Deutungsgeschichte der Menschheit gibt es zwei herausragende Interpretationen des Steins bzw. des Felsen – die eine ist die Geschichte von Sisyphos, dem antiken Helden, der wegen seiner Hybris dazu verurteilt wird, im Hades einen Stein den Berg hinaufzuschieben, eine mühselige Schufterei, und wenn er oben mit dem Felsen angekommen ist, dann rollte er den Berg hinunter und Sisyphos muss wieder von vorne anfangen. Eine ewige Plackerei, Sinnbild für menschliche Vergeblichkeit und harte Arbeit, bis Albert Camus kam und den Mythos neu deutete. Sisyphos ist oben auf dem Berg angekommen, sagt Camus.

„Und nun sieht Sisyphos, wie der Stein in die Tiefe rollt, aus der er ihn wieder auf den Gipfel wälzen muss. Er geht in die Ebene hinunter. Auf diesem Rückweg, während dieser Pause interessiert mich Sisyphos. Diese Stunde, die gleichsam ein Aufatmen ist und ebenso zuverlässig wiederkehrt wie sein Unheil, ist die Stunde des Bewusstseins. In diesen Augenblicken, in denen er den Gipfel verlässt und allmählich in die Höhlen der Götter entschwindet, ist er seinem Schicksal überlegen. Er ist stärker als sein Fels.“ Das Gefühl des Absurden, sagt Camus, „macht aus seinem Schicksal eine menschliche Angelegenheit, die unter Menschen geregelt werden muss (…) Sein Fels ist seine Sache. Der absurde Mensch sagt ja und seine Mühsal hat kein Ende mehr.“ Und dann die Schlusssätze: „Sisyphos lehrt uns die größere Treue, die die Götter leugnet und die Steine wälzt. Auch er findet, dass das Universum gut ist. Jedes Gran dieses Steins, jeder Splitter des durchnächtigten Berges bedeutet für ihn allein die ganze Welt. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Sisyphos will keinen umgreifenden Sinn finden. Er erklärt sich mit dem Leben einverstanden und bleibt trotzdem in der Revolte gegen das Absurde. Deswegen ist er glücklich, der ewige Steinewälzer. Eine heroische Haltung – Akzeptanz des Steins, des Felsen, da liegt er und hinauf mit ihm auf den Berg. Der hängende Felsen erinnert mich daran. Mit dem Felsen und der Mühe seiner Bewältigung leben.

Die andere Geschichte ist die vom Kleinglauben der Jünger Jesu. Jesus hat ein mondsüchtiges Kind geheilt und seine Jünger fragen ihn: warum konnten wir den bösen Geist nicht austreiben. Er aber sagten ihnen: wegen eures Kleinglaubens. Denn wahrlich, ich sage euch: wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so könnt ihr zu diesem Berg sagen: Rück von hier fort, dorthin! Dann wird er fortrücken und euch wird nichts unmöglich sein.“ (Mt 17,20) Mal wieder so eine übertreibende Rede Jesu – der Berge versetzende Glaube, das ist sprichwörtlich geworden. Heinrich Heine hat es lustig aufgenommen: „Wenn ich den Glauben hätte, der Berge versetzen kann, dann würde ich den Johannisberg (das war ein berühmter Weinberg am Rhein) vor meine Haustür setzen lassen, denn dessen Wein trinke ich am liebsten.“ Aber ernsthaft: was will Jesus damit sagen? Jesus wiederholt es immer wieder – der Glaube ist der eigentliche Wundertäter, der kann Berge versetzen, Heilungen bewirken (immer wieder setzt Jesus auf die Kooperation der Kranken: „was willst du, dass ich dir tun soll?“), soziale Wunder tun (die Speisung der Fünftausend). Das ist keine Garantie, aber eine Mut machende Perspektive. Wer hätte im Jahr 50 n. Chr vorausgesagt, dass eine kleine judenchristliche Sekte, deren Anführer schmählich hingerichtet wurde, einmal das römische Reich aus den Angeln heben, Jupiter und alle Götter absetzen und zur Staatsreligion werden würde? Hat zwar 300 Jahre gedauert, aber es war wirksam! Wer hätte gedacht, dass die gewaltfreie Bewegung Gandhis das mächtige englische Imperium dazu bringen würde, die Unabhängigkeit Indiens anzuerkennen? Wer hätte 1980, als das das Gericht in Schleswig entschied, dass das AKW Brokdorf weitergebaut werden durfte, daran gedacht, dass einmal in Deutschland alle AKWs abgeschaltet würden, auch das in Brokdorf? (Es war hier in der Katharinen-Kirche, als ich einmal in einem Brokdorf-Gottesdienst mit Ulfrid Kleinert in den 80er Jahren kleine Eisensägen verteilte, als Zeichen dafür, dass wir uns nicht mit dem Bauzaun abfinden wollten, daraufhin verbot uns der damalige Hauptpastor Stolt die weitere Benutzung der Kirche). Oder auf den einzelnen gewendet – Menschen, die durch einen Unfall schwer gehandicapt wurden, verzagten nicht, sie lernten wieder sich zu bewegen, ja Sport zu treiben, ihren Beruf auszuüben, eine Familie zu gründen, bildlich mit Camus gesprochen den Stein zu wälzen.

So kann uns der schwebende Felsen in der Kirche daran erinnern, dass Christen Protestleute und Surrealisten sind. Die aussichtslose Realität der harten Fakten kann sie nicht abhalten, darüber hinaus zu denken und zu handeln. Auch harte Brocken könne aus dem Weg geräumt werden. Martin Luther King hat das in seiner bilderreichen Sprache einmal so formuliert. Christen können aus dem Berg der Verzweiflung den Stein der Hoffnung schlagen. Vielleicht wollen das die Künstler aus Wien mit dem schwebenden Felsen uns sagen – gebt die Hoffnung nicht auf, dass auch das Schwere und Bedrohliche sich wandelt. So ein kleines Wunder ist es , wenn ein Bundesinnenminister auf dem Ev. Kirchentag zugibt, dass der Staat sich bei der Abschiebung von Flüchtlingen irren kann und das Kirchenasyl deswegen seine begrenzte Berechtigung hat, wenn es solche Irrtümer korrigiert.

Und schließlich will ich noch etwas zu dem Titel dieses Gottesdienstes sagen. Warum fiel mir das ein, als ich die Aufgabe übernahm, diesen Gottesdienst zu gestalten und ich mir ein Foto von dem schwebenden Felsen anschaute? Schweben – wieso in der Kunst gelingt, was im Leben oft so schwer ist. Großer Kunst gelingt immer wieder, uns ins Schweben zu bringen und die Wirklichkeit transzendierenden Erfahrungen zu machen. Ganz körperlich-sinnlich etwa im Ballett, in das die Hamburger gerne gehen. John Neumeier bringt ihnen seit 30 Jahren mit seiner Balletttruppe das Schweben bei. Wenn die weiß gekleideten Tänzer und Tänzerinnen in bezaubernd schön geordneten Gruppen zu dem Ehre sei dir Gott gesungen des Bachschen Weihnachtsoratoriums durch die Luft fliegen, dann spürt der noch von der Weihnachtsgans gefüllte Hamburger himmlische Schwebekräfte und nimmt sich zumindest vor, mehr Sport zu treiben. Musik kann uns erheben - ganz wörtlich habe ich das einmal erfahren, als ich auf dem Sofa liegend mir die Oper Griselda von Vivaldi anhörte, sanft entschlummerte und bei der Arie des Ottone, der von dem auf den gefährlichen Wellen des Meeres treibenden Seemann erzählt, der das Ufer ersehnt, himmlisch gesungen von Simone Kermes ,erwachte und den Eindruck hatte, lachen Sie nicht, einen Meter über dem Sofa zu schweben; ja ich schwebte emporgehoben von der Musik Vivaldis. In der Kunst gelingt, was im Leben oft so schwer ist. Oder anders gesagt. Kunst sagt etwas so schön, wie es nicht ist. Deswegen treibt uns ein Schubertsches Klavierstück oder Lied die Tränen in die Augen. Deswegen bewegt uns der Liebestod Isoldes. Deswegen freuen wir uns mit dem Käthchen von Heilbronn, wenn es endlich seinen Graf Wetter vom Strahl kriegt, dem es durch dick und dünn gefolgt ist. Deswegen sind wir im Innersten gerührt, wenn etwa nach den Verwirrungen der Liebe, die zu Leiden und Sterben führten, die Hoffnung auf Auferstehung festgehalten wird – selbst von dem „großen Heiden Goethe“(Heine) am Schluss der Wahlverwandtschaften: „So ruhen die Liebenden nebeneinander, Friede schwebt über ihrer Stätte, heitere verwandte Engelsbilder schauen vom Gewölbe auf sie herab, und welch freundlicher Augenblick wird es erst sein, wenn sie dereinst wieder zusammen erwachen“. [Oder in Brentanos Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl, wo die fromme Großmutter für die beiden, die durch Selbstmord und Hinrichtung endeten, vom Herzog eine gemeinsame Grabstätte erwirkt, denn sie hofft,dass Kasperl und Annerl, denen das Glück im Leben verwehrt wurde, wenigstens zusammen auferstehen können, denn das sei am Jüngsten Tag doch das Entscheidende.]

Ja, die Kunst erzählt wie Jesus in seinen Gleichnissen vom Reich Gottes, von der Gnade,vom Gelingen, von Versöhnung und Rechtfertigung Und in Jesu Erzählungen gelingt andererseits etwas, was im Leben oft verwehrt bleibt - die Versöhnung zwischen Vater und Sohn, die Berücksichtigung der Zukurzgekommenen, die Annahme der Außenseiter.

Der hängende Felsen hat unsere Wahrnehmung des Kirchenraums verändert. Wir gehen nachdenklicher aus der Kirche. Aber wir werden uns auch freuen, wenn er verschwunden ist und den Blick auf die Trompete blasenden Engel des Orgelprospekts wieder freigibt. Amen.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/96/hjb39.htm
© Hans-Jürgen Benedict, 2015