Closer to van Eyck |
„Flämandische Schule“Johann Georg Sulzer Johann Georg Sulzer (* 16. Oktober 1720 in Winterthur; † 27. Februar 1779 in Berlin) war ein Schweizer Theologe und Philosoph der Aufklärung. Seine „Allgemeine Theorie der Schönen Künste“ erschienen in vier Bänden zwischen 1771 und 1774) ist die erste deutschsprachige Enzyklopädie, die alle Gebiete der Ästhetik systematisch behandelt. Sulzers Ansicht, dass Kunst beim Betrachter Empfindungen wecken sollte, die schließlich erziehenden Charakter haben, wurde jedoch von seinen Zeitgenossen hinterfragt. Der junge Goethe stellte sich gegen Sulzer und warf ihm vor, das Wesen der Kunst verkannt zu haben. Trotz dieser Kritik fand Sulzers Hauptwerk bis in die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts eine große Verbreitung und begründete seine Stellung als Hauptvertreter der deutschen Ästhetik im späten 18. Jahrhundert. „Flämandische Schule. Unter dieser Benennung versteht man insgemein die berühmten Mahler und Bildhauer der so genannten spanischen Niederlande. Diese Länder, vornehmlich aber die beyden Provinzen Braband und Flandern, waren ehedem der Sitz der Aemsigkeit und des Reichthums, und daher auch der Pracht und der, die Pracht unterstützenden, Künste. Einem Niederländer Johann van Eyk hat man die Erfindung der Mahlerey in Oelfarben zu danken; und den Theil der Kunst, der auf den Gebrauch und die Behandlung der Farben ankömmt, so wol in ganz Großen, als im Kleinen, hat diese Schule auf das Höchste gebracht, wenn dieses das Höchste ist, daß man die Natur völlig erreiche. Diese Schule hat Europa mit Gemählden angefüllet, die man kaum für Gemählde hält, so sehr hat jeder Theil das Licht, die Farbe, die Haltung und den Ton eines in diesem Zusammenhang würklich vorhandenen Körpers. Wenn die venetianische Schule diese an Pracht und Glanz der Farben, und einem gewissen Ideal des Colorits übertrift, so muß sie ihr doch, in Ansehung der völligen Erreichung der Natur, den ersten Platz lassen. Auch an Zeichnung fehlet es der Flämandischen Schule eben nicht so, wie viele vorgeben; obgleich auch die größten Meister derselben sich sehr selten über die Natur erhoben haben; denn sie waren nur Mahler und Zeichner einer vor ihren Augen liegenden Natur, und dachten nicht daran, den Charakter der Menschen um einige Grade höher zu setzen. Sie kannten weder im Körperlichen, noch im Sittlichen, keine Welt, als die, in der sie lebten. Diese aber bildeten sie in ihren Werken auf eine Weise nach, die nicht übertroffen werden kann. Die Kenntnis der Farben scheinen sie aufs Höchste gebracht zu haben, weil ihre Gemählde fast unveränderlich bleiben. Die berühmtesten Männer dieser Schule im Großen sind, Caspar Crayer, Jacob Jordans, vornehmlich aber Rubens und van Dyk, und im Kleinen Adrian Brower und David Teiniers, in der Landschaft aber, Hermann Swanevelt. Auch hat diese Schule Bildhauer gehabt, die von wenigen Neuern übertroffen werden. Franz dü Quesnoy [François Duquesnoy], den die Italiäner Fiamingo genennt haben, weicht keinem neuern Bildhauer, und in seinen Kindern hat er gar alle übertroffen. Die beyden größten Männer dieser Schule, Rubens und van Dyk, kann man nicht in ihrer Größe kennen lernen, als wenn man ihre großen Werke in den niederländischen Städten, und in der Gallerie zu Düsseldorf gesehen hat. Die von Rubens in den verschiedenen Gallerien zerstreueten Werke, zeigen ihn freylich nicht immer als einen großen Mann, und van Dyk lernt man aus den Gallerien nur als den größten Portraitmahler kennen. Die Niederlande haben in Ansehung der Kunst fast eben das Schicksal gehabt, das sie in Ansehung des Reichthums und der Handlung betroffen hat. So wie verschiedene Städte dieser Länder ietzt mehr verweßte Leichname von Städten, als Städte sind, so sind auch die zeichnenden Künste daselbst nur noch in den Werken der ehemaligen Meister vorhanden.“ |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/97/jgs1.htm |