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Magazin für Theologie und Ästhetik


Gestaltung und Kritik

Zum Verhältnis von Protestantismus und Kultur im neuen Jahrhundert

EKD-Impulspapier

III. Aufgaben
1. Die kulturelle Gestalt des Glaubens pflegen

Die Verantwortung für die kulturelle Gestalt des Glaubens hat eine institutionelle und individuelle Seite. Sie bezieht sich institutionell z.B. auf Pflege und angemessene Nutzung der Kirchengebäude sowie auch ansprechende Formen des Gottesdienstes. In der individuellen Dimension kommt es vor allem darauf an, den Menschen zu eigenen Erfahrungen und Ausdrucksformen des Glaubens zu verhelfen. Pflege von Tradition ist nicht mit dem ängstlichen Beharren auf dem Althergebrachten zu verwechseln; und die Zuwendung zur Gegenwartskultur muß nicht mit Borniertheit gegenüber der Tradition erkauft werden.

(1.1.) Mit der Wende vom zweiten zum dritten Jahrtausend christlicher Zeitrechnung verbindet sich die Frage nach der Zukunftskraft und der Zukunftsgestalt des christlichen Glaubens. Diese Frage läßt sich nur beantworten, wenn die Kirche sich auf ihre eigene Botschaft besinnt und sie wirksam unter die Menschen bringt: die unvertretbare und lebenswichtige Botschaft von Gottes Gnade, den Einspruch gegen die Selbstverliebtheit des Menschen, der aus der befreienden Wirklichkeit der Liebe Gottes kommt, die Erneuerung des Verhältnisses zur Welt durch die Verheißung der Zukunft Gottes. Im Licht von Glauben, Liebe und Hoffnung will die Kirche die Menschen nicht dem Irrtum überlassen, sie könnten in sich selbst ruhen, sie könnten ihr Gewissen vergraben und ihre Träume auslöschen. Deshalb kann sie ihre Botschaft nicht einfach in die kleine Münze religiöser Stabilisierung eintauschen, sondern muß deren Fremdheit bewahren und zur Geltung bringen. Sie muß aber zugleich eine Sprache finden, die die Menschen erreicht; sie muß Gottesdienste gestalten, in denen Menschen Heimat finden. Sie muß prägend in die Öffentlichkeit hineinwirken und für eine Kultur des Helfens und der Gerechtigkeit eintreten. Bei der eigenen Botschaft zu bleiben heißt deshalb: an der kulturellen Gestalt des christlichen Glaubens zu arbeiten.

(1.2.). Diese kulturelle Gestalt hat - gerade in Europa mit seiner zweitausendjährigen christlichen Geschichte - eine lange Tradition. Deshalb sind christliche Kirchen immer auch Anwälte der Überlieferung. In einer Zeit, die vielfältige Traditionsabbrüche hinter sich hat und noch erlebt, ist dies eine unverzichtbare Aufgabe. Gegenüber der Tendenz zu Traditionsverarmung und Gedächtnislosigkeit tritt die Kirche für die Bewahrung kultureller Traditionen und die Weiterentwicklung des kulturellen Gedächtnisses ein. Die Gestalt des christlichen Glaubens selbst würde um vieles ärmer, wenn sie nicht aus dem Reichtum einer großen kulturellen Tradition leben könnte.

Aber die kulturelle Gestalt des christlichen Glaubens erschöpft sich nicht in der Pflege der Überlieferung. Zu ihrer Lebendigkeit gehört die Suche nach neuen Gestaltungsformen und die Auseinandersetzung mit neuen kulturellen Entwicklungen. Die kulturelle Gestalt des christlichen Glaubens wäre steril, wenn sie sich auf Traditionspflege beschränken würde. Der christliche Glaube selbst würde museal, wenn er auf das Einwandern in die Kultur der jeweiligen Gegenwart verzichtete. In diesem Sinn verbindet sich der Übergang in das neue Jahrtausend mit einer Erneuerung der Kirche auch im Blick auf die kulturelle Gestalt des Glaubens.

(1.3.) Wie sich Altes mit Neuem verbinden kann, ist gegenwärtig ebenso umstritten wie in früherer Zeit. In der kirchlichen Wirklichkeit zeigt sich das beispielhaft in den Auseinandersetzungen um die architektonische und künstlerische Gestalt von Kirchengebäuden, um die Abwehr oder Aufnahme neuer Kirchenlieder oder neuer Formen von Kirchenmusik, um Bewahrung und Weiterentwicklung der Liturgie. Oft verbindet sich das mit Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Generationen. Ältere und Jüngere hoffen jeweils auf Beheimatung in der Kirche; jeder will jedoch seine eigene Heimat haben. Die Kirche aber ist ein Ort, an dem Menschen mehr finden können als nur sich selbst, an dem ihnen anderes begegnet als nur das, was sie selbst erwartet haben, an dem Vertrautes sich mit Ungewohntem verknüpft. Diese Einsicht verhilft dazu, Pflege von Tradition nicht mit ängstlichem Beharren allein auf dem Vertrauten zu verwechseln. Und sie hilft ebenso dabei, daß die Zuwendung zur Gegenwartskultur nicht mit Borniertheit gegenüber der Tradition erkauft werden muß.

Die Verantwortung für die kulturelle Gestalt des Glaubens hat eine institutionelle und eine individuelle Seite. Institutionell zeigt sie sich beispielsweise in der Verantwortung der Kirche für das ihr anvertraute kulturelle Erbe - man denke an das große Thema der Kirchengebäude - ebenso wie in der Gestaltung von Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen. Individuell zeigt sie sich in den Formen persönlicher Frömmigkeit und dem Umgang mit der eigenen Religiosität. Die Bildungsaufgabe der Kirche hat es deshalb nicht nur damit zu tun, Kenntnisse in den kulturellen Traditionen des Christentums zu vermitteln und die kulturellen Schätze der Vergangenheit zu erschließen; Kirchenraumpädagogik ist dafür ein wichtiges Beispiel. Sondern zu dieser Bildungsaufgabe gehört ebenso die Hilfe dazu, eigene Glaubenserfahrungen zu machen, ein waches Gewissen zu entwickeln und beidem selbständig Ausdruck zu geben.

(1.4.) Christlicher Glaube nimmt in der Gemeinschaft Gestalt an. Er ermutigt zu gemeinsamem Leben. Er verbindet persönliche Freiheit mit bewußter Verantwortung für die Mitmenschen und die Institutionen der Gesellschaft.

Vereinzelung gehört zu den Kennzeichen des Modernisierungsprozesses. Die stärkere Betonung menschlicher Individualität erhöht die Chancen der Selbstbestimmung; die größere Vielgestaltigkeit der Lebensformen erweitert die Möglichkeiten eigener Wahl. Damit wachsen zugleich die Orientierungsprobleme. Sie aber können nicht allein durch Moralappelle und Handlungsempfehlungen beantwortet werden; vordringlich sind Antworten auf die Frage, was der Mensch ist, wie er seinen Ort in der Welt bestimmt und wozu er sein Leben führt. Daß der Mensch seine Würde aus der Annahme und Anerkennung durch Gott empfängt, ist die Grundaussage des christlichen Glaubens; sein Bild vom Menschen verbindet Individualität und Sozialität, Selbstbestimmung und Solidarität miteinander. Sinn erfahren Menschen nicht nur darin, daß sie sich selbst verwirklichen, sondern daß sie von anderen gebraucht werden. Kirchliches Handeln hat eine wichtige Aufgabe darin, Menschen dabei zu helfen, daß sie ihre Vereinzelung überwinden und neue Formen der Gemeinschaft entdecken. Die Formen, in denen christliche Gemeinden ihre Gemeinschaft leben, haben eine exemplarische Bedeutung für die Sozialkultur der Gesellschaft und sind zugleich Ausdruck der Sozialgestalt des Evangeliums.

Die Gemeinschaften, in denen Menschen den Alltag miteinander verbringen, einen persönlich verantworteten Lebensstil ausbilden und Traditionsfähigkeit lernen, gewinnen wieder an Gewicht. Das gilt besonders für die Familie als den Ort der prägenden "Anfangssituationen" wie als Ort der verläßlichen Gemeinschaft zwischen den Generationen. Es gilt ebenso für Partnerschaften, Freundschaften, peer-groups, Vereine und über den Arbeitsplatz vermittelte Sozialkontakte. Sie alle sind Orte, an denen christlicher Glaube im Alltag gelebt werden kann.

Angesichts des Traditionsabbruchs, der in besonderer Weise in den östlichen Bundesländern, aber nicht nur in ihnen festzustellen ist, hat die Kirche besonderen Grund, zu Formen gemeinsamen Lebens zu ermutigen, in denen der Glaube eine im Alltag gelebte Gestalt annimmt. Insbesondere für Menschen, die in den eigenen Herkunftsfamilien mit Religion und Glauben überhaupt nicht oder nur wenig in Berührung gekommen sind, ist die Begegnung mit einem neuen Lebensumfeld oft der erste Berührungspunkt mit dem Christentum. Häufig erschließt sich allein dadurch ein Kontakt zur Kirche und ihrer Botschaft.

Zunehmend gewinnt die Region bzw. im städtischen Bereich der "Kiez" an Bedeutung. Die Eigenart des Ortes, an dem die Menschen im Alltag zusammenleben, ist bestimmend bei der Beheimatung der Menschen angesichts der fortschreitenden Globalisierung. Zur Ausbildung des eigenen Lebensstils und des Umgangs mit der Tradition braucht es die konkrete und erlebbare kulturelle Verortung. Die Kirche als Gebäude im Stadtteil oder im Dorf ebenso wie der dazugehörige Friedhof gewinnen Bedeutung für die Bewohner weit über die Kirchentreuen hinaus.

2. Die Entwicklung der Kultur kritisch begleiten

Die evangelische Kirche ist weder Anwalt einer moralisierenden Kulturverteufelung noch eines rückwärtsgewandten Kulturpessimismus. Sie will Menschen nicht bevormunden, wohl aber zum Unterscheiden der Geister ermutigen. Der Respekt vor der Ehre Gottes, die gleiche Würde aller Menschen, die Toleranz gegenüber anderer Überzeugungen und Lebensformen, die Abkehr von der Gewalt und die Bewahrung der Natur gehören zu den Maßstäben, für die sich die Kirche in der Öffentlichkeit einsetzt.

(2.1.) Nicht alles, was Kultur heißt, entspricht der Würde des Menschen, fördert seine Freiheit, dient der Entfaltung des Lebens. Kultur ist gerade in ihren profiliertesten Äußerungen Wagnis; sie provoziert Streit und fordert zur eigenen Stellungnahme auf. Kultur tendiert in ihren massenwirksamen Formen zur Banalität; sie antwortet auf den Wunsch nach Unterhaltung und bedient sich dabei auch zweifelhafter Mittel. Die kulturelle Dimension im Zusammenleben der Menschen hat gerade in einer medial geprägten Welt auch Teil an der Frage nach der Macht und Ohnmacht des einzelnen und von Gruppen in der Gesellschaft.

Dem Streit darüber, welche Kultur der Würde des Menschen entspricht, seine Freiheit fördert und der Entfaltung des Lebens dient, können Kirchen und Christen nicht ausweichen. Die Beteiligung an diesem Streit entspringt, wenn sie aus guten Gründen erfolgt, nicht der Ängstlichkeit. Die Kirche ist weder Anwalt einer moralisierenden Kulturverteufelung noch eines rückwärtsgewandten Kulturpessimismus. Sie anerkennt Experimentierlust und Wagemut und unterstützt künstlerische Bemühungen auch dort, wo sie umstritten sind. Sie bejaht den Wunsch der Menschen nach Freude und Unterhaltung.

Aber zu ihren unverzichtbaren Aufgaben gehört es, die Geister zu unterscheiden und Menschen zum Unterscheiden zu ermutigen. Nicht darum kann es gehen, Menschen in ihrem kulturellen Urteil zu bevormunden, aber zur Verständigung über Kriterien für dieses Urteilen muß die Kirche beitragen. Der Respekt vor der Ehre Gottes, die gleiche Würde aller Menschen, die Toleranz gegenüber anderen Überzeugungen und Lebensformen, die Abkehr von der Gewalt und die Bewahrung der Natur gehören zu den Maßstäben, für die sich die Kirche in der Öffentlichkeit einsetzt.

(2.2.) In vielen kulturellen Bereichen ist heute die Kraft des Unterscheidens vonnöten. Ein vorrangiges Thema ist ohne Zweifel der Umgang mit den Medien. Es gehört heute zu den wichtigen Bildungsaufgaben, Heranwachsende zu einem selbständigen und das heißt: bewußt auswählenden Umgang mit den Medien zu befähigen. Unmäßiger Medienkonsum kann zur gefährlichen Sucht werden; er kann die kommunikativen Fähigkeiten und sozialen Kompetenzen empfindlich einschränken. Aber kritische Einsprüche sind auch gegen bestimmte Medieninhalte angebracht. Gewaltdarstellungen als Mittel der Unterhaltung, die ungehemmte Darstellung menschlicher Intimität und Pornographie - beispielsweise in der neuen Form von Kinderpornographie im Internet - sind nicht zu billigen. Die Selbstkontrolle der Medien muß in diesem Bereich wirksamer zur Geltung kommen; aber auch rechtliche Instrumente sind erforderlich, um eklatanten Mißständen entgegenzutreten.

Die Beteiligung der Kirche am Prozeß des Unterscheidens und an der Befähigung zum eigenen Urteil beschränkt sich nicht auf moralische Fragen. Auch hier geht es im Entscheidenden um das Bild vom Menschen, um seinen Ort in der Welt und seine Bestimmung. Das zeigt sich exemplarisch an der Aufgabe, zu einem neuen Verständnis von Bildung zu gelangen, oder an den großen Orientierungsfragen der Wissenschaftsentwicklung, die sich zum Beispiel mit der Gentechnik verbinden. In der Auseinandersetzung um das Klonen von Menschen steht - über moralische Bewertungen hinaus - das Selbstverständnis des Menschen in einem umfassenden Sinn auf dem Spiel.

(2.3.) Die Kraft des Unterscheidens und des differenzierten Urteils ist auch im Blick auf die Auseinandersetzungen über das kulturelle Leitbild der Gesellschaft im ganzen vonnöten. Wirtschaftliche und politische Entwicklungen führen zur immer stärkeren Verflechtung unserer Gesellschaft in europäische und weltweite Zusammenhänge; sie tragen zugleich dazu bei, daß die ethnische und kulturelle Vielfalt im eigenen Lande wächst. Das löst neue Kontroversen aus. Sie können nicht allein durch wirtschaftliche oder politische Vorgaben entschieden werden; sie entscheiden sich vielmehr in erheblichem Umfang auf der Ebene der kulturellen Kommunikation. Gestritten wird insbesondere über die Frage nach dem notwendigen Ausmaß kultureller Einheit und dem möglichen Ausmaß kultureller Vielgestaltigkeit. Integration von Ausländerinnen und Ausländern auf der einen Seite, multikulturelle Gesellschaft auf der anderen Seite sind Leitbilder, die ins Spiel gebracht werden. Rechtsextreme Positionen erstarken, die "völkische" Einheitlichkeit und die Ausgrenzung des Fremden fordern; dadurch entstehen erhebliche Gefahren für die politische Kultur im ganzen. Die Unsicherheit über dauerhaft tragfähige Lösungen ist vielerorts zu beobachten. Die Frage verschärft sich insbesondere dort, wo sich geschlossene Milieus ethnischer Minderheiten mit abnehmender Integrationsbereitschaft bilden. Die kulturelle Bedeutung von Religion wirkt konfliktfördernd, wenn sie zur Verstärkung von Integrationsunwilligkeit eingesetzt wird.

Mit dem Verhältnis von Pluralität und Einheit haben die Kirchen eigene Erfahrungen. Diese zu einem erheblichen Teil schmerzhaften Erfahrungen können ihnen dabei helfen, zu einem gesellschaftlichen Leitbild beizutragen, das Vielfalt akzeptiert und bestärkt, ohne das notwendige Maß an Integration zu vernachlässigen. Zur notwendigen Integration gehören insbesondere die Möglichkeit sprachlicher Verständigung und die gemeinsame Anerkennung einer Rechtsordnung. Kulturelle Vielfalt hat insofern kulturelle Gemeinsamkeiten zur Voraussetzung.

3. Kultur prägen

Auch politisches und wirtschaftliches Handeln beruht auf kulturellen Voraussetzungen; in keiner menschlichen Gesellschaft sind diese ohne Religion entwickelt worden. Solche Voraussetzungen verstehen sich allerdings nicht von selbst und sind nicht unveränderlich. An ihnen muß gearbeitet und um sie muß gestritten werden.

(3.1.) Christliche Kirchen tragen eine bleibende Verantwortung für die Prägung unserer Kultur. Ihr Kulturbeitrag erschöpft sich nicht in der christlichen Prägung, die aus der Vergangenheit in unsere Gegenwart hineinragt. Zu diesem Kulturbeitrag gehört vielmehr auch die bewußte Mitgestaltung der eigenen kulturellen Gegenwart und die Mitverantwortung für deren voraussehbare Zukunftswirkungen.

Von Anfang an beruht die kulturprägende Wirkung des Christentums auf der Unterscheidung zwischen Glauben und Kultur. Gerade weil das Evangelium mehr ist als ein bloßer Kulturfaktor, kann es sich auf die Kultur gestaltend und verändernd auswirken. In den zwei Jahrtausenden der bisherigen Christentumsgeschichte geschah das insbesondere dadurch, daß Inhalte des christlichen Glaubens zu Themen kultureller Gestaltung wurden. Es geschah aber ebenso dadurch, daß Impulse des christlichen Glaubens zu kritischen Maßstäben für das Zusammenleben der Menschen wurden. Der Anspruch jedes Menschen, auf Grund seiner unveräußerlichen Würde als Rechtsperson anerkannt zu werden, die Anforderung an jeden Menschen, seinem Gewissen zu folgen, und die Pflicht der einzelnen wie der Gesellschaft, Not vom Mitmenschen abzuwenden, sind aus christlichen Quellen entstanden. Das Anerkennungsprinzip, das Verantwortungsprinzip und das Solidaritätsprinzip sind ohne den Beitrag des Christentums nicht zu denken. Zwar mußten die neuzeitlichen Menschenrechte, die aus solchen Wurzeln entstanden sind, gegen anhaltenden Widerstand der großen Kirchen erkämpft werden; und der Grundsatz der Toleranz wurde von den Kirchen erst nach langem Zögern akzeptiert. Trotzdem ist beides eng mit dem Menschenbild des christlichen Glaubens verknüpft.

(3.2.) Dies nicht nur im Bewußtsein zu halten, sondern für die Zukunft fruchtbar zu machen, gehört zu den Aufgaben der Kirche, denen gerade heute große Dringlichkeit zukommt. Die humane Qualität menschlichen Zusammenlebens entscheidet sich nicht an der wirtschaftlichen Entwicklung und ihren politischen Rahmenbedingungen allein; vielmehr wird immer deutlicher, wie stark sie auch von kulturellen Voraussetzungen abhängt. Diese kulturellen Voraussetzungen sind nicht selbstverständlich; an ihnen muß gearbeitet und um sie muß gerungen werden.

In keiner Gesellschaft der menschlichen Geschichte sind solche Voraussetzungen ohne Religion entwickelt und gesichert worden. Auch im dritten Jahrtausend christlicher Zeitrechnung wird es nötig sein, daß die Menschen ihr Verhältnis zum transzendenten Grund ihrer Existenz bestimmen, wenn sie ihren Ort in der Welt klären wollen. Auch im dritten Jahrtausend christlicher Zeitrechnung werden christliche Kirchen zu verkündigen haben, daß Mensch und Welt Gottes Schöpfung sind, daß Menschen Gewißheit über ihr Leben und Zuversicht über ihren Tod hinaus der Gnade Gottes verdanken, wie sie in der Person Jesu anschaulich wird, und daß die Verbundenheit unter den Menschen in der Treue Gottes zu seinen Geschöpfen ihre feste Basis hat. Auch im dritten Jahrtausend christlicher Zeitrechnung wird die Botschaft von der christlichen Freiheit, wie sie vor einem halben Jahrtausend in der Reformation neu entdeckt wurde, ein unentbehrlicher Beitrag zur Kultur einer freiheitlichen Gesellschaft sein.