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Magazin für Theologie und Ästhetik


Editorial


Liebe Leserinnen und Leser,

die aktuelle Ausgabe unseres Magazins führt in die vernetzten Kunstwelten des Internets ein. Nach dem Thema Sexualität und - in Deutschland weniger spürbar als im Rest der Internetwelt - dem Thema Religion, ist der Bereich der Kunst jener, mit dem sich die virtuellen Welten am frühesten und intensivsten auseinander gesetzt haben. Und wie bei der Sexualität und der Religion ist es auch bei der Kunst noch lange nicht ausgemacht, ob sich im Netz mehr entwickeln kann als nur eine Doppelung oder ein müder Abklatsch der Realität.

Die Surferfahrungen bei der Vorbereitung des Heftes vermittelten jedenfalls ein ambivalentes Bild. Es changiert zwischen technischem Schnickschnack einerseits und trivialer Ankündigungs- und Vorstellungsseite andererseits. Dazwischen aber auch viel Erfreuliches, das Bemühen Kunst zu vermitteln, einen Einblick in die aktuelle Arbeit zu geben.

Im Bereich der theologischen Theorie herrscht zum Thema Kunst in den virtuellen Welten noch tabula rasa. Dieser Bereich wird so gut wie nicht wahrgenommen und spielt dementsprechend auch in der kirchlichen Ausstellungspraxis keine Rolle. Und selbst die Repräsentation kirchlicher Ausstellungen im Netz ist noch nicht sehr weit vorangekommen.

Was wir daher den Leserinnen und Lesern in diesem Heft bieten können, sind weniger theoretische Erörterungen, als vielmehr eine bestimmte Art der Serviceleistung: die Vorstellung einiger interessanter Adressen im Netz, vielleicht auch im Blick darauf, daß diejenigen, die sich mit Kunst in der Kirche auseinandersetzen, künftig das Medium Internet verstärkt nutzen.

Die vernetzten Kunstwelten stellen Karin Wendt und Andreas Mertin zunächst und vor allem anhand einer kommentierten Linkliste vor. Der Schwerpunkt liegt dabei zur Zeit noch auf den Museen und den Kunstvereinen. Wir begreifen aber dieses Heft als work in progress, das heißt, wir werden es nach und nach mit weiteren Adressen ergänzen. Das ist ja der Vorteil eines Magazins im Internet, daß es laufend ergänzt werden kann. Schlagen Sie also ab und zu noch einmal im Netz nach, ob sich im Heft 5 etwas Neues getan hat.

Vorangestellt haben wir unserer Beschäftigung mit dem Thema "Kunst und Internet" einen Beitrag aus der Kinowelt, eine Reminiszenz an die sogenannte Jahrtausendwende, nämlich die Rede des Teufels (Al Pacino) aus dem Film "Im Auftrag des Teufels". Es gehört zu den Aufgaben des Satans, ab und zu ein Stück Zeitdiagnostik zu liefern, wie man auch in Thomas Manns "Doktor Faustus" nachlesen kann:

Dialog des Adrian Leverkühn mit dem Teufel sagt Leverkühn zum Teufel: "Rührend, rührend. Der Teufel wird pathetisch. Der leidige Teufel moralisiert. Das Menschenleid liegt ihm am Herzen". Und der Teufel antwortet ihm: "Du findest im Grunde wohl aber mit mir, dass es weder sentimental noch boshaft zu nennen ist, wenn man die Tatsachen der Weltstunde anerkennt". Und auf die Frage: "So wollt Ihr mir Zeit verkaufen?" antwortet der Teufel: "Zeit! Bloß so Zeit? Nein, mein Guter, das ist keine Teufelsware. Dafür verdienten wir nicht den Preis, daß das Ende uns gehöre. Was für 'ne Sorte Zeit, darauf kommts an! Große Zeit, tolle Zeit, ganz verteufelte Zeit, in der es hoch und überhoch hereht, - und auch wieder ein bißchen miserabel natürlich, sogar tief miserabel ... Denn wir liefern das Äußerste in dieser Richtung: Aufschwünge liefern wir und Erleuchtungen, Erfahrungen von Enthobenheit und Entfesselung, von Freiheit, Sicherheit, Leichtigkeit, Macht- und Triumphgefühl, daß unser Mann seinen Sinnen nicht traut, ... die Schauer der Selbstverehrung, ja des köstlichen Grauens vor sich selbst, unter denen er sich wie ein begnadetes Mundstück, wie ein göttliches Untier erscheint. Und entsprechend tief, ehrenvoll tief, gehts zwischendurch denn auch hinab ... Das sind Schmerzen, die man für das enorm Genossene mit Vergnügen und Stolz in Kauf nimmt".

Zu den Tatsachen der Weltstunde gehört sicher auch, daß immer mehr virtualisiert und immer weniger real genossen wird. Mit dem Beitrag von Otfried Schütz möchten wir daran erinnern, daß die Lust auf Kunst zunächst und vor allem ein ganz reales, sinnlich erfahrbares Geschehen ist und durch nichts ersetzt werden kann.

Mit dem ersten Heft im neuen Jahrhundert haben wir zugleich auch den Herausgeberkreis erweitert. Mit Petra Bahr haben wir eine Mitarbeiterin gewonnen, die den Leserinnen und Lesern unseres Magazins schon aus dem zweiten Heft vertraut ist. Sie schrieb dort über die Tänzerin Louie Fuller. Petra Bahr bereichert die Perspektiven dieses Magazins um die phänomenologische Sichtweise.