Avantgarde |
Luther und die AvantgardeI - KontextAndreas Mertin Im Vorfeld der letzten documenta13 in Kassel 2012 gab es einen öffentlichen Skandal, weil die documenta-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev entschieden gegen eine Skulptur des Künstlers Stephan Balkenhol auf dem Turm der katholischen Elisabeth-Kirche protestierte, weil dieses Kunstwerk im Rahmen einer kirchlichen Ausstellung die Wahrnehmung der documenta beeinträchtige. Für 100 Tage beanspruche die Documenta die Lufthoheit in Kassel und dulde keine Trittbrettfahrer. Für die katholische Kirche, die schon 2002 und 2007 Begleitausstellungen zur documenta präsentiert hatte, war das allerdings kein Grund, sich zurückzuziehen, sondern eher ein Motiv, ihr Engagement fortzusetzen. Anders die Evangelische Kirche, die mit Gregor Schneider einen ebenso prominenten Künstler präsentieren wollte, dann aber aufgrund der Intervention der documenta und ihrer Leitung einen Rückzieher machte und damit einer über 25-jährigen Geschichte evangelischer Begleitausstellungen zur documenta ein Ende setzte. 2017 aber ist nun Reformationsjubiläum und damit die Gelegenheit, unter ganz anderen Voraussetzungen und Fragestellungen das Gespräch mit der Kunst zu suchen. Anknüpfen können die Veranstalter dabei an eine auch unter Kunsthistoriker berühmt gewordene Ausstellung zum Lutherjubiläum 1983, als Werner Hofmann, Leiter der Hamburger Kunsthalle, über „Luther und die Folgen für die Kunst“ forschen und ausstellen ließ. Hofmann meinte, mit Blick auf Martin Luther und seine reformatorischen Wegbegleiter von der „Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion“ sprechen zu können. Weil Martin Luther den Umgang mit der Kunst für den Betrachter freigegeben habe, sei so etwas wie ein Freiraum für die moderne Kunst entstanden. Nicht mehr die Religion in der Kunst, sondern die Kunst als Avantgarde stehe nun im Interesse des Betrachters. Die Kunst sei durch Luther frei geworden. Genau diesen Aspekt haben die Veranstalter der Ausstellung „Luther und die Avantgarde“ aufgegriffen. Freilich präsentieren sie fast alle ausgewählten Kunstwerke nicht am Ort der Weltkunstausstellung in Kassel, sondern in Wittenberg, dem Geburtsort der Reformation und zugleich einem zentralen Ort früherer protestantischer Bilderstreitigkeiten. In Kassel ist nur ein Satellit dieser Ausstellung zu sehen, freilich mit überaus respektablen Positionen. Im Vorfeld haben die Kuratoren zu ihrem Konzept geschrieben:
Diese Selbstbeschreibung ist insofern interessant, weil sie fast deckungsgleich mit der Selbstbeschreibung der aktuellen documenta14 ist: Es ist
So gesehen erweist sich die Ausstellung in Wittenberg doch als insgeheime Konkurrenz-Ausstellung zur Kasseler Weltkunstausstellung. -> Hier geht es weiter zum Teil II |
Artikelnachweis: https://www.theomag.de/107/am588.htm |