Das Abendmahl in der Kunst

Eine visuelle Reise - 4. Von Peter Paul Rubens bis William Blake – 1600-1800

Andreas Mertin

Mit dem 17. und 18. Jahrhundert kommen wir in jene Zeit, in der das Abendmahl visuell eigentlich gut durchgearbeitet ist. Das zeitigt zum einen bestimmte Formen der Erstarrung, zum anderen die Subjektivierung des Themas.

Zugleich gibt es nun – aber das ist nicht Thema dieses Beitrages – eine geradezu industrielle Serienproduktion zum Thema durch Stiche und Grafiken die eine weite Verbreitung in den Haushalten finden und zur Popularisierung bestimmter Bildgestaltungen beitragen.

Diese Stiche zeigen aber auch, wie beliebt bestimmte außerbiblische Motive der Bevölkerung waren.


Frans Pourbus der Jüngere – 1618

Bei Pourbus ist schon eine gewisse Stereotypisierung (und wenn ich es recht sehe auch eine Verkirchlichung) zu beobachten. Vor einem die beginnende Passionszeit andeutenden schwarzen Vorhang vor einen Kircheninterieur sitzt Jesus mit seinen Jüngern an einem quergestellten Tisch. Judas ist empört aufgesprungen und bedroht Christus fast schon körperlich.

Daniele Crespi 1620

Der italienische Maler Daniele Crespi schafft ein Abendmahlsbild (links) für den Benediktiner-Konvent von Brugora, ein Dorf 30 km nördlich von Mailand. Als Vorbild dient ein Gemälde, das fast 100 Jahre vorher Gaudenzio Ferrari in der Kirche Santa Maria della Passione in Mailand geschaffen hat (rechts). Man kann so ganz gut studieren, was den jeweiligen Auftraggebern wichtig war.

In der Neufassung füllt zunächst auf, dass den Auftraggebern die Emblematik wichtig war. Nun ziert ein von Engeln getragener Spruch aus der Vulgata und zwar Psalm 77, 25 (panem angelorum manducavit homo cibaria misit eis in abundantiam) Ind der Einheitsübersetzung lautet der Satz heute: „Da aßen die Menschen Wunderbrot; Gott gab ihnen Nahrung in Fülle.“ Dieser Satz spiegel sich nun auch auf dem Abendmahlstisch, der mehr als reichlich mit Speisen gefüllt ist: wenn ich es recht sehe stehen Lamm, Fisch, Makrelen und Muscheln auf dem Speiseplan. Dazu gibt es Zitronenscheiben und Brot. Wein sieht man freilich nicht. Durch das Fenster im Hintergrund blickt man auf einen Tempel und eine Pyramide. Judas ist deutlich herasgestellt und blickt nach vorne aus dem Bild, nicht aber den Betrachter direkt an. Die Vorlage ist weniger emblematisch, hier ist Judas zwar kenntlich, aber in die Jünger eingereiht. Hier ist der Tisch auch nicht so üppig gedeckt, wenn auch mehr als genug Speise zur Verfügung steht bzw. von herbeieilenden Dienern gebracht wird. Den Hintergrund bildet der Eingangsbaldachin einer Kirche. In beiden Bildern geht es sicher um die Fülle des Mahls, wenn auch in der Vorlage das Abendmahl mehr im Vordergrund steht, beim Nachfolgebild die Fülle.

Peter Paul Rubens - 1631

Bei Peter Paul Rubens geht es dann um die Eucharistie. Nur die von Jesus eingesetzten Brot und Wein stehen auf dem Tisch, nichts verunklart die Szene. Aufgeladen wird das Ganze durch einen Lichtschein, der vertikal von oben kommt und die Szene erhellt und verklärt. Auf dem Kaminsims steht ein aufgeschlagenes Buch mit Sentenzen. Judas hat sich etwas sorgenvoll zum Tisch abgewendet, unter seinen Füßen liegt der uns nun schon vertraute Hund, der wie sein Herr auf die Betrachter schaut.

Jacob Jordaens – 1654

Bei diesem Bild von Jacob Jordaens wird noch einmal das Verrat-und-Treue-Motiv auf die Spitze getrieben. Eine fast schon höfisch zu nennende Gesellschaft sitzt zusammen an einem Tisch und der Gastgeber, in dem nur noch schwer Christus zu erkennen ist, reicht einem anderen, der ihm gegenüber sitzt ein Stück Brot. Dieser ist gegenüber den anderen Teilnehmern des Mahls durch seine roten wilden Haare schon fast als unzivilisierter Wilder charakterisiert. Aber vor ihm sitzt ein Hund, der sein Maul vertrauensvoll auf das Knie seines Herrchens gelegt hat und dem dieser über den Kopf streichelt. Wie schon erwähnt, ist die Be-(Deutung) dieser Konstellation umstritten.

Francisco Goya – 1796

Es ist eine merkwürdige Rückbesinnung, die Goyas Bild auszeichnet. Wie in den frühen Zeiten wird Christus mit seiner Jüngerschar liegend dargestellt, nur dass dieses Mal gar kein Tisch in der Mitte ist, sondern nur ein helles Tuch auf dem einige Schalen, Schüssel und Teller und ein Laib Brot drapiert sind.

Jesus doziert von der Gestik mehr, als dass er einen Verrat ankündigen oder das Abendmahl einsetzen würde. Die Vorzeichnung hatte seinen Nimbus noch akzentuierter entworfen.

Judas ist nicht direkt identifizierbar, man könnte an die einzelne sitzende Figur denken.

William Blake - 1799

Den Abschluss dieser Reisestation bildet ein Werk des Romantikers William Blake. Hier spürt man eine tiefe Innerlichkeit, bis auf den (als uralt dargestellten) Judas haben alle Jünger die Hände gefaltet oder in Anbetung erhoben. Wenig ist vom historischen Geschehen und von der theologischen Lehre hier übrig geblieben. Wir blicken mehr auf eine mystische Séance als auf ein historisches oder ein religiös vergegenwärtigendes Geschehen.

Das freilich ist nicht das letzte Bild der Kunstgeschichte geblieben. Auch wenn die im engeren Sinne religiösen Bilder mit dem 19. Jahrhundert allmählich ihr Ende fanden, so hat die Kunst das Thema auf ihre Weise wiederaufgenommen.

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Artikelnachweis: https://www.theomag.de/109/am604_4.htm
© Andreas Mertin, 2017