Buchvorstellungen
Andreas Mertin
Hennings, Ralph (Hg.) (2020): Worte der Zuversicht in der Corona-Krise 2020. Oldenburg: Isensee.
[Klappentext]
In diesem Buch sind 74 Worte der Zuversicht gesammelt. Sie sind in der ersten Phase der Corona-Epidemie in der Kirchengemeinde Oldenburg entstanden. Die kurzen Texte wurden für jeden einzelnen Tag vom 20. März bis zum 1. Juni 2020 geschrieben. In ihnen spiegelt sich, wie neun evangelische Pastorinnen und Pastoren die Krisenzeit erlebt haben. Sie haben in schwierigen Tagen die Zuversicht weitergegeben, die vom christlichen Glauben ausgeht. In der Unsicherheit während der Epidemie war Zuversicht vielleicht das, was am nötigsten gebraucht wurde.
Wie spricht man mit der Gemeinde in Zeiten von Corona, wenn Gottesdiensträume nur begrenzt zur Verfügung stehen und der sonntägliche Gottesdienst gesundheitserhaltenden Einschränkungen unterliegt? Die Kirchengemeinde Oldenburg hat sich entschlossen, sich direkt über das Internet an ihre Gemeinde und eine weitere Öffentlichkeit zu wenden. Das Ergebnis der täglichen Reflektionen und Meditationen legt die Gemeinde nun als broschiertes Buch vor. Es ist reich mit Bildern und Fotos illustriert und trägt für jede(n) der Beiträger*innen eine eigene Handschrift. Interessant daran ist nicht zuletzt der Umstand, dass überhaupt ein Buch vorgelegt wurde. Was sagt das über das Verhältnis von digitaler und analoger Welt aus? Steht das eine für das Momentum und das andere für die Dauer? Oder ist das Publikum in beiden Kosmen so different, dass es unterschiedlich angesprochen werden muss? Auf jeden Fall ein Buch zum Stöbern und Entdecken.
Hofmann, Frank (2019): Wie redet Gott mit uns? Der Begriff "Wort Gottes" bei Augustin, Martin Luther und Karl Barth. Zürich: TVZ, Theologischer Verlag Zürich.
[Klappentext]
Gott spricht mit den Menschen aber wie? Der Begriff «Wort Gottes» zieht sich als roter Faden durch die ganze Bibel von der Schöpfungsgeschichte bis zum inkarnierten Logos. Das Bild des sprechenden Gottes ist deshalb kein Anthropomorphismus, sondern verdankt sich einer tiefen Einsicht in das Wesen von Kommunikation. Nur wenige Theologinnen und Theologen haben diesen zentralen Begriff «Wort Gottes» konsequent als ein sprachliches Phänomen gedeutet, das sich inmitten menschlicher Kommunikation zeigt. Zu den wenigen zählen Augustin (Semiotik), Martin Luther (Semantik) und vor allem Karl Barth (Pragmatik). Unter Zuhilfenahme moderner Sprachphilosophie lassen sich die drei Denkansätze zusammendenken. «Wort Gottes» erweist sich dann als Chiffre für eine idealtypische menschliche Kommunikationsweise mit großem Zukunftspotenzial.
Wort Gottes das klingt so einfach und ist doch so schwer zu bestimmen. Es ist das Verdienst der Marburger Dissertation von Frank Hofmann, dieser Fragestellung fokussiert nachgegangen zu sein. In sechs Schritten nähert er sich dem Thema.
Am Ende fasst Hofmann die aktuelle Relevanz seiner Studien zusammen. Er untergliedert das in sieben Punkte. Das Wort Gottes
- als Resonanzgeschehen: „es geht um eine Situation der Anrede und des persönlichen Angesprochenseins mit nachhaltiger Wirkung“; dies ist freilich in der Gegenwart nicht immer gegeben.
- als externer Bezugspunkt: gesetzt wird „die Externität einer alles bestimmenden Instanz gegen den aporetischen Trend der perpetuierten Selbstoptimierung, den eine das Wachstum verabsolutierende Gesellschaft produziert“;
- als frohe Botschaft
- als Maßstab: „Das ‚Wort Gottes‘ ist mit seiner welterschließenden Kraft geradezu ein Gegenentwurf zu … Gerüchte-Kampagnen und Verschwörungstheorien, das gegen ein postmodernes ‚anything goes‘ die Überzeugung einer und zwar genau einer alles bestimmenden Wirklichkeit setzt“;
- als Verständigungsangebot: „insbesondere dort, wo Offenbarungsreligionen ins Gespräch kommen wollen“;
- zwischen Individuation und Gemeinschaft: „Erst wenn beides zusammenkommt … wird das Wort Gottes zum Schlüssel der Wirklichkeitserkenntnis“;
- und als Geschenk.
Eßbach, Wolfgang (2019): Religionssoziologie 2. Entfesselter Markt und Artifizielle Lebenswelt als Wiege neuer Religionen. 2 Bände. Paderborn: Fink
[Klappentext]
Zwischen christlichem Glauben und religiöser Indifferenz sind in Europa neue Religionen entstanden, die bis in unsere Gegenwart ausstrahlen und die Wertorientierung leiten. Auf dem Wege einer historisch-soziologischen Analyse der Konjunkturen des Themas »Wiederkehr von Religion« entwickelt Wolfgang Eßbach eine Typologie europäischer Religionen in der Moderne. Behandelt werden Konfessionalismus, Vernunftreligion, Nationalreligion, Kunstreligion, Wissenschaftsreligion und Elemente des Glaubens an Verfahren. Dabei wird nach ihren Verbindungen mit den dominierenden Zeiterfahrungen im modernen Europa, von den Glaubenskriegen der frühen Neuzeit bis zur Artifizierung der Lebenswelt im 20. Jahrhundert, gefragt. Sie haben Intellektuelle immer wieder umgetrieben. Jede neu hinzukommende Erfahrungslage bestimmt die Konjunktur des Religiösen. Neue Deutungen und Kritiken treten in Beziehung zu älteren Thematisierungen von Religion, die entweder verblassen oder reaktiviert werden. Der religiöse »Pluralismus« der Gegenwart kann so als ein geschichtetes, kumulatives Phänomen begriffen werden, dessen einzelne Elemente in einem spannungsreichen Gefüge auch in Zukunft kaum zu beruhigen sein werden.
Bereits 2014 war im Magazin für Theologie und Ästhetik der erste Band dieser Religionssoziologie besprochen worden. Damals schrieb ich:
Ich habe selten ein Buch gelesen, das so umfassend, so belesen in die Genese von Religionen in der europäischen Neuzeit einführt wie dieses. Es reduziert das Thema Religion nicht, wie es inzwischen modern geworden zu sein scheint, auf den (dann doch irgendwie kirchlich gebundenen) Gottesglauben, sondern spürt aufmerksam jenen Filiationen des Sinnsystems nach, die unter „Vernunftreligion, Nationalreligion, Kunstreligion, Wissenschaftsreligion und Elemente des Glaubens an Verfahren“ zusammengefasst werden …
Ich kann es nur jedem am Verstehen von Religion zur Lektüre empfehlen und bin gespannt auf das zweite Buch. Der noch ausstehende zweite Band soll zeigen, wie auch die Religionen inzwischen auf einem Markt agieren, einem Weltmarkt der Religionen und Weltanschauungen, und in einem weiteren Teil, was die beobachtbare Artifizierung der Lebenswelten für Konsequenzen für die Religion hat.
Dieser zweite Band liegt in einem voluminösen Doppelband vor. Und wieder kann ich nur sagen, dass die nun dreibändige Religionssoziologie ein Standardwerk für das soziologische Verstehen von Religion in der Gegenwart ist, vor allem, wenn man sich aus den engen Klammern der Kirchensoziologie lösen will.
Held, Benjamin; Kirchhoff, Thomas; van Oorschot, Frederike; Stoellger, Philipp; Werkner, Ines-Jacqueline (Hg.) (2020): Corona als Riss. Perspektiven für Kirche, Politik und Ökonomie. Heidelberg: Universitätsbibliothek Heidelberg (heiBOOKS, Band 1).
[Ebook: PDF-Download]
[Klappentext] In kaum vorstellbarer Weise hat die Corona-Pandemie unseren Alltag wie auch das gesamte politische, wirtschaftliche und globale Handeln verändert. Bisher Selbstverständliches ist ausgesetzt die lebensweltliche Kontinuität hat Risse bekommen. Diese wirken teilweise entlarvend, anderes zerbricht oder wird nur mit Mühe zusammengehalten. Persönliche Möglichkeiten und Freiheiten sind eingeschränkt, in der Hoffnung, die Pandemie zu beherrschen. Alternativen nicht selten Notlösungen entwickeln sich zu neuen ‚Normalitäten‘. Wie können wir auf die Pandemie und die mit ihr verbundenen Probleme und Dilemmata reagieren? Und wie können sich auftuende Chancen genutzt werden? Für Kirche, Politik und Ökonomie entwickeln die Autorinnen und Autoren des Bandes Perspektiven für die Zeit mit und nach Corona.
- Was haben evangelischer Glaube und Kirche in Zeiten einer Pandemie zu sagen? Ein Geleitwort
Jochen Cornelius-Bundschuh, Horst Gorski
- Einführung.
Benjamin Held, Thomas Kirchhoff, Frederike van Oorschot, Philipp Stoellger, Ines-Jacqueline Werkner
- Eröffnung: Corona als Riss der Lebenswelt. Zur Orientierung über Naherwartungen, Enttäuschungsrisiken und Nebenwirkungen
Philipp Stoellger
- Die Corona-Pandemie eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit?
Ines-Jacqueline Werkner, Henrike Ilka, Johannes J. Frühbauer, Jana Nordbruch, Hendrik Stoppel, Maria Toropova
- Corona-Pandemie und Klimakrise einige Anregungen zur Diskussion
Volker Teichert, Hans Diefenbacher, Oliver Foltin
- Präsent sein. Ekklesiologische Perspektiven auf das kirchliche Leben unter den Bedingungen des Infektionsschutzes und seiner Folgen
Frederike van Oorschot
- Sonntags vor dem Bildschirm. Bemerkungen zur theologischen Profession in der Corona-Krise
Magnus Schlette
- International Health Governance: Werden Regionen zur treibenden Kraft?
Thomas Lange
- Die Bewältigung der Coronakrise. Ein anthropologisch-ethisches Dilemma?
Christian Tewes
- Die Idee der Solidarität in der Corona-Pandemie
Hans Diefenbacher, Johannes J. Frühbauer, Benjamin Held, Frederike van Oorschot, Dorothee Rodenhäuser, Hannes Vetter
Bruckmaier, Karl; Cunard, Nancy (Hg.) (2020):
Nancy Cunards Negro. Hamburg: kursbuch.edition.
[Klappentext] Mit Negro veröffentlichte die wohlhabende Erbin, Poetin und Exzentrikerin Nancy Cunard 1934 eine außergewöhnliche Anthologie: eine ehrgeizige Sammlung, eine nie gesehene Vielfalt an Essays, Lyrik und Musik überwiegend schwarzer Künstler, die sich der afrikanischen, afroamerikanischen und karibischen Kultur widmet. Zu den Autoren gehörten Ikonen der Harlem-Renaissance und Moderne wie Langston Hughes, Zora Neale Hurston, Countee Cullen und William Carlos Williams. Außerdem beteiligten sich einige bekannte Autoren, die schon damals öffentlich gegen rassistische Unterdrückung eintraten, unter ihnen etwa der Soziologe W. E. B. Du Bois. Von afroamerikanischer und kreolischer Sprache über Glaube, Tanz und besondere Rituale, zeichnen diese Texte ein Bild der Kultur in der afrikanischen Diaspora mit lebhafter Ausdruckskraft. Anhand von dokumentarischen Texten nebst Protestsongs und sozialistischen Kampfreden bilden die Beiträge ein höchst relevantes Bild einer frühen Bürgerrechtsbewegung.
Der Musikjournalist und Kulturpublizist Karl Bruckmaier widmete sich Jahrzehnte seines Lebens der Ausdruckskraft und Relevanz schwarzer Kultur innerhalb dessen, was wir Moderne nennen. Fasziniert von der Person Nancy Cunard und ihrer legendären Anthologie wählte er daraus 30 Texte aus und macht sie in seiner Übersetzung zusammen mit Isabella Bruckmaier erstmals auf Deutsch zugänglich. Das entstandene Werk Nancy Cunards Negro ist ein frühes Testament der beeindruckenden Fülle afrikanischer, afroamerikanischer und karibischer Kunst und ihres unermüdlichen Geistes des Widerstands. Damals wie heute ein historisches Black-Pride-Dokument, ein Muss für alle, die die kraftvolle Vielfalt der Kunst feiern und ein großartiges Statement für Pluralität und Anti-Rassismus.
Das Buch wird in der Ausgabe 128 des Magazins für Theologie und Ästhetik ausführlicher vorgestellt.
Seidel, Stefan (2020): Nach der Leere. Versuch über die Religiosität. München: Claudius.
[Klappentext]
Nach der Verabschiedung der Religion aus unseren »entzauberten« modernen Zeiten scheinen religiöse Ressourcen nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Alte Begriffe und Dogmen der Kirchen werden nicht mehr verstanden. Die Suche nach Ersatz - in der Esoterik oder im Fundamentalismus - führt ins Leere. Wie kann eine zeitgemäße Religiosität aussehen, die die Freiheit des Menschen ebenso ernst nimmt wie sein Bedürfnis nach Transzendenz? Das Buch spürt in der heutigen Dichtung, Malerei, Philosophie und ökologischen Achtsamkeit neue Formen von »Religiosität« auf, die auch heute tragen und trösten können. Davon könnten auch die Kirchen lernen. Der Autor Stefan Seidel, geboren 1978, studierte Theologie in Leipzig, Jerusalem und Heidelberg sowie Psychologie in Berlin. Er ist Leitender Redakteur bei der evangelischen Wochenzeitung DER SONNTAG in Leipzig.
Das Buch wird in der Ausgabe 128 des Magazins für Theologie und Ästhetik ausführlicher vorgestellt.