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"Nothing escapes me. No one escapes me."Von Reisen und Fluchten des LebensAndreas Mertin Wer in der Internet-Movie-Database (www.imdb.com) nach den besten (Kino-)Filmen aller Zeiten sucht, kann zwei unterschiedliche Vorgehensweisen wählen. Er kann nach den kommerziell erfolgreichsten Filmen schauen (und findet hier immer noch „Titanic“ auf Platz 1) oder er kann nach den Filmen fragen, die von den Nutzern der Datenbank als beste Filme eingestuft werden. Folgt man dem letzteren Weg, dann findet man als den zweitbesten Film aller Zeiten (nach dem Film ‚Der Pate’ auf Platz 1) den Film „The Shawshank-Redemption“ (Die Verurteilten) aus dem Jahre 1994. Fragt man allerdings nach dem kommerziellen Ertrag dieses Filmes, so taucht er auf den 300 ersten Plätzen nicht auf. [Die Ausführungen gelten für die Zeit der Erstpublikation des Textes 2011.*] Immer noch zu den 100 besten Filmen gehört nach Einschätzung der Nutzer ein anderes Filmwerk, das in den späten fünfziger Jahren erschien und die Menschen seinerzeit außerordentlich beeindruckte und neuerdings wieder eine unverhoffte Aktualität bekommen hat: Ingmar Bergmans „Das siebente Siegel“, eine Parabel über einen vom Kreuzzug nach Jerusalem zurückkehrenden Ritter auf der Suche nach dem Sinn seiner Existenz. Beide Filme handeln vom Reisen in einem übertragenen Sinne, beide handeln von Fluchten aus den traurigen Gegebenheiten des Lebens, in beiden Filmen geht es in einem weiteren Sinne um „Erlösung“.[1] Was die Werbezeile des Films „The Shawshank Redemption“ aussagt "Nothing escapes me / No one escapes me" könnte auch die Aussage des personifizierten Todes im Film „Das siebente Siegel“ sein: ein Entkommen ist unmöglich. Die Reisen, die die Titelhelden in beiden Filmen zurücklegen, sind keine freiwilligen Reisen, sie sind ihnen jeweils aufgezwungen, es sind Fluchten vor dem Tod und aus der Hölle. Also keine freiwilligen „Reisen in die Hölle und andere Urlaubsschnäppchen“[2] wie der Titel eines Buches von Patrick J. O'Rourke lautet, sondern existenzielle Auseinandersetzungen mit der Frage, was den Sinn des Lebens in der ganz und gar nicht besten aller Welten ausmacht und wie der Einzelne sich selbst dazu verhalten kann. Und dabei stellt sich heraus: Wer diese Frage beantworten will, muss sich bewegen, er kann nicht auf der Stelle treten. Sinn will wortwörtlich „erfahren“ werden. Man muss sich bewegen, um den Tod zu entgehen. Die realen Strecken, die dabei zurück gelegt werden, sind dabei nebensächlich. In „The Shawshank Redemption“ bewegt sich der Titelheld, wie der Zuschauer am Ende des Filmes schließlich erfährt, tatsächlich nur millimeterweise voran. Und in „Das siebente Siegel“ werden zwar längere Strecken zurückgelegt, aber die eigentliche Reise geschieht symbolisch auf den 64 Feldern eines Schachbretts. Aus dem Hollywoodkino sind wir es gewohnt, vor allem das Genre der Roadmovies als cineastisches Sinnbild des Lebens zu begreifen: „Die Filme handeln vorwiegend vom Unterwegssein ihrer Helden und der Schwierigkeit, einen Platz in der Welt zu finden. Unterschwellig geht es letztlich darum, das zu finden, was eine Gesellschaft verkörpert und im Inneren zusammenhält. Es wird ihr ein Spiegel vorgehalten.“[3] Aber auch wenn sich Antonius Block, der Ritter in Bergmans „Das siebente Siegel“ auf dem Pferd durch die Landschaft bewegt, so handelt es sich bei diesem Film gerade nicht um ein Roadmovie. Die Wegstrecke, die er im Rahmen des Films von der Landung in Schweden bis zu seiner Burg zurücklegt, ist gerade keine Metapher, sondern nur der Inszenierungskontext.[4] Und auch der Film „The Shawshank Redemption“ wäre wohl als Roadmovie missverstanden. In beiden Filmen geht es weniger um „Freiheit“ und „Unabhängigkeit“ als vielmehr um „Sinn“ und „Menschlichkeit“. Was mich bewegt, die beiden Filme für den Unterricht vorzuschlagen, ist die Tatsache, dass beide in ungewöhnlicher Weise mit der Metapher der Reise für den Sinn des Lebens arbeiten und beides mit der Option für die Humanität verbinden. Das Leben als Reise ist inzwischen eine konventionelle Metapher. Aber eine Reise quasi mit dem Kopf durch die Wand oder aber gesteuert vom Spiel auf dem Schachbrett ist schon ungewöhnlicher. Die Fragestellungen, die sich vorab formulieren lassen, könnten sich am Schema „Was wäre wenn“ orientieren:
Det Sjunde inseglet (Das siebente Siegel)Der FilmDas siebente Siegel wurde 1956 nach einem Drehbuch von Ingmar Bergman gedreht und wurde 1957 uraufgeführt. Die deutsche Erstaufführung war freilich erst im Februar 1962. Besetzt war der Film prominent mit Max von Sydow als Ritter, Gunnar Björnstrand als Knappe und Bengt Ekerot als Tod. Die Idee zum Film kam Bergman, wie er im Vorwort zu Drehbuch schreibt, „bei der Betrachtung der Motive auf mittelalterlichen Malereien: die Gaukler, die Pest, die Flagellanten, der schachspielende Tod, die Scheiterhaufen für die Hexenverbrennungen und die Kreuzzüge.“[5] Bergman legt aber Wert auf die Feststellung, dass es sich nicht um einen Historienfilm handelt. Stattdessen sei der Film „ein Versuch moderner Poesie, der die Lebenserfahrungen eines modernen Menschen in eine Form übersetzt, die sehr frei mit den mittelalterlichen Gegebenheiten umgeht. In meinem Film kommt der Ritter vom Kreuzzug zurück, wie ein Soldat aus dem Krieg heimkehrt.“ Bei den Filmfestspielen von Cannes gewann der Film 1957 den Spezialpreis der Jury und Anfang der 1960er Jahre zwei Filmpreise in Spanien und Italien. Vorlage des Drehbuchs ist ein Theaterstück, das Bergman 1953 unter dem Titel „Malerei auf Holz“ schuf und aus dessen Inszenierung Bergman mehrere Elemente auch direkt in den Film übernahm.
Die HandlungMitte des 14. Jahrhunderts kehrt der Ritter Antonius Block mit seinem Knappen Jöns vom Kreuzzug zurück und findet seine Heimat von der Pest verwüstet.[7] Der Tod erscheint ihm mit der Mitteilung, dass seine Zeit gekommen sei. Er bittet um Aufschub und schlägt deshalb eine Partie Schach vor, die die Entscheidung über sein Leben fällen soll: „Wir wollen ausmachen, das ich so lange leben darf, wie ich dir standhalte. Und falls ich mattsetze, lässt du mich frei. Soll das ein Wort sein? Eingeführt werden dann die Schauspielertruppe mit Mia, Jof und Skat. Der Knappe Jörn, der den realistischen Part im Drama verkörpert, trifft auf einen Maler, der einen Totentanz malt: „Ich meine, man soll die Menschen an die Tatsache erinnern, dass sie sterben müssen.“ Der Ritter betritt währenddessen eine Kirche und geht zum Altar. Er erzählt dem Priester von seiner Suche nach dem Sinn des Lebens und der Existenz Gottes: „Kein Mensch kann mit dem Tod vor Augen leben, in der Gewissheit, dass alle Dinge nichts sind.“ Er erwähnt seine Begegnung mit dem Tod und sagt, dass er seinen Aufschub für eine sinnvolle Tat nützen wolle. Erst als er seine Taktik im Schachspiel verrät, zeigt sich der Tod, der ihm die ganze Zeit anstatt des Priesters zugehört hat. Der Ritter macht sich nun auf die Reise zu seinem Schloss, wo ihn seine Frau erwartet. Dabei treffen er und sein Knappe verschiedene Leute: einen ehemaligen Priester als Räuber, einen Schmied und seine Frau, ein Mädchen, das der Hexerei angeklagt ist, eine Flagellantenprozession[8], und all das repräsentiert die Banalität des Bösen in der Welt. Und sie treffen die bereits erwähnte Schauspielerfamilie, die inmitten des Leidens ihre Lebensfreude bewahrt hat. Sie schließen sich ihm an, um unter seinem Schutz einen großen Wald zu durchqueren. Während der Rast der Wanderer erscheint der Tod und fordert Antonius auf, das Spiel zu Ende zu spielen. Weil Jof den Tod gesehen hat, weckt er Mia und sie stehlen sich heimlich davon. Antonius bemerkt das und lenkt den Tod ab und verliert deshalb sein. Die Reisenden kommen zur Burg, wo die Frau des Ritters alle zum Mahl ein lädt. Während sie essen, klopft jemand ans Tor. Es ist der Tod, der sie alle mitnimmt. Die Schauspielerfamilie kriecht am nächsten Morgen aus dem Wagen und ist froh, dass sie vom Tod verschont worden sind. Jof sieht am Horizont, wie der Tod auf einem Hügel den Ritter und seine Begleiter mit einem Totentanz fortführt. Mia meint lächelnd, ihr Gatte solle nicht glauben, seine Illusionen entsprächen der Wirklichkeit.[9] Das Thema im UnterrichtErstens sollte man eine Art historischer Evaluation durchführen. Dadurch kann zum einen deutlich werden, dass Ingmar Bergmann mit dem historischen Material nur spielt, um etwas anderes zu kommunizieren, das sich auf die eigene Zeit bezieht. Zum anderen, hilft es den Schülerinnen und Schüler, sich besser in den (fiktiven) historischen Kontext einzufühlen. Zur Evaluation gehörte etwa die Frage nach den Kreuzzügen (von welchem Kreuzzug kann ein schwedischer Ritter 1350 zurückkommen?), wie die Frage nach den Flagellanten (gab es überhaupt Geißlerbewegungen um 1350 in Schweden?), und den Hexen (wann wurden Hexen in Schweden verbrannt?) Und warum spielen Tod und Ritter nach neuzeitlichen Regeln Schach?[10] Offensichtlich ist der Film eine poetische Konstruktion, eine Verdichtung von divergenten historischen Ereignissen. Zweitens sollte der Aussage von Bergman nachgegangen werden, der Film stehe in Analogie zur mittelalterlichen Malerei. Vorbild für Bergman war die Kirche von Täby[11] in der Nähe von Stockholm. Man kann im Internet nachschlagen, wie die Bilderwelt des mittelalterlichen Malers Albertus Pictor[12] ausgesehen hat. Pictor war ein Künstler, der gegen die höfische Idealisierung eher den alltäglichen Realismus betont hat. Himmel oder Hölle waren bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts reale Alternativen in der Verkündigung der Kirchen. Drittens sollte rekapituliert werden, was eigentlich auf dem Spiel steht. Zwar stellt sich uns die zugespitzte Alternative „Himmel oder Hölle“ nicht mehr, aber dem Tod kann niemand entkommen: "No one escapes me." Dennoch gibt es auch in der Gegenwart zahlreiche Versuche, den Tod auszutricksen oder ihn verfügbar zu machen. Viertens sollte dem Motiv der Bewegung nachgegangen werden. Wie bewegen sich die einzelnen Figuren durch die Geschichte? Der personifizierte Tod ist eigentlich nur der Anlass für verschiedene Bewegungen der Handlungsfiguren: von der Handlungspragmatik des Knappen über den philosophischen Zweifel des Ritters bis zur Anpassung an das Böse. Schließlich sollte das Ganze noch einmal unter dem Aspekt der Erkenntnis zusammengefasst werden. Die Reise, die hier zurückgelegt wird, dient schließlich dazu, Zeit zu gewinnen, um sich über etwas klar zu werden. Welche Erkenntnisse vermittelt das Spiel mit dem Tod: für den Ritter, für Mia und Jof, für den Knappen? The Shawshank Redemption (Die Verurteilten)"Zweimal lebenslänglich!" lautet das Urteil für den Bankmanager Andy Dufresne. Angeklagt des Doppelmordes an seiner Ehefrau und deren Liebhaber, beteuert er vergeblich seine Unschuld und wird in das verruchte Gefängnis von Shawshank im Bundesstaat Meine eingeliefert. Das Leben innerhalb der Mauern ist die Hölle. Nur die Freundschaft mit Red lässt ihn hoffen.“ Was der Klappentext des Videos so ankündigt, ist wesentlich mehr als ein bloßer Knastthriller nach einer Buchvorlage von Stephen King. Das vom Regisseur Frank Darabont inszenierte Drama wurde für sieben "Oscars" nominiert. Es ist mit Tim Robbins und Morgan Freeman prominent besetzt. Es ist 142 Minuten lang und in Deutschland ab 12 Jahren freigegeben. Das zentrale Thema des Films ist die Hoffnung wider alle Vernunft. Du hast keine Chance, deshalb nutze sie könnte auch über diesem Film stehen. Die unterschiedlichen Perspektiven auf Hoffnung und ihren Zusammenhang mit dem Menschsein beschreibt Jan Hawemann in seiner Film-Kritik so: „Am Anfang dieses Filmes gibt es für uns Zuschauer wohl nichts hoffnungsloseres als das Schicksal von Andrew Dufresne […] . Die Hoffnung der Verurteilten auf bessere Zeiten, auf ein besseres Leben, auf die Entlassung lässt mit den Jahren der menschenunwürdigen und verachtenden Behandlung nach, da die Hoffnung untrennbar mit dem Menschsein verbunden ist. Andy will jedoch diesen Kreis durchbrechen. Er will sich, sein Menschsein und seine Hoffnung nicht nehmen lassen, und gibt durch das, was er mit seinen mutigen Ausbrüchen in einer Welt voller Mauern erreicht, auch anderen Häftlingen die Hoffnung zurück. Und der grandiose Schluss, den uns Stephen King als Autor der Filmvorlage beschert, entlässt uns trotz aller Enge, Dunkelheit und Brutalität mit dem guten Gefühl, vielleicht auch noch den nächsten Tag gut zu überstehen.“[13] Die HandlungDer Bankmanager Andy Dufresne wird wegen des Mordes an seiner Frau und deren Liebhaber zu zweimal lebenslänglich verurteilt. Diese Strafe soll er im Gefängnis von Shawshank in Maine absitzen. Dort wird ihm das Leben mit Vergewaltigungen und durch den sadistischen Direktor Norton schwer gemacht. Im Gefängnis lernt er Red und andere Mithäftlinge kennen. Red sitzt schon seit zwanzig Jahren im Gefängnis, da er einen Mann umgebracht hat. Er ist bei den Mithäftlingen dafür bekannt, dass er ihnen gegen Entgelt Gegenstände besorgen kann. Nach anfänglichen Schwierigkeiten steigt Andy im Ansehen bei Mithäftlingen und Aufsehern. Wegen seiner Kenntnisse im Rechnungswesen wird er von den Aufsehern um Hilfe bei deren Steuererklärungen gebeten, führt des Direktors Buchhaltung und hilft Häftlingen ihren Schulabschluss zu absolvieren. Nebenbei baut er die Gefängnisbibliothek aus und wird der Assistent von Gefängnisbibliothekar Brooks. Brooks wird nach über fünfzig Jahren aus dem Gefängnis entlassen und bekommt eine Stelle in einem Supermarkt. Da er sich in dem Leben 'da draußen' nicht mehr zurechtfindet und den Druck nicht aushält, begeht er nach einigen Tagen Selbstmord. Andy wird zunehmend in die illegalen Machenschaften des Direktors hineingezogen und wäscht für ihn Bestechungsgeld. Durch den neuen Häftling Tommy stellt sich heraus, dass Andy wirklich unschuldig ist, so dass er freikommen könnte. Er versucht den Direktor dazu zu bewegen, seinen Prozess neu aufzurollen. Als dieser sich weigert er will seinen guten Buchhalter nicht verlieren nennt Andy ihn „borniert“. Daraufhin muss Andy für zwei Monate in Dunkelhaft. In der Zwischenzeit lässt der Direktor Tommy von einem der Aufseher ermorden. Eines Tages ist Andy aber doch verschwunden mit einem kleinen Geologenhammer hat er 19 Jahre lang an einem Tunnel gebaut. Während die Polizei nach ihm sucht, hebt er das gewaschene Geld von diversen Bankkonten ab und setzt sich nach Mexiko ab. Vor seiner Abreise schickt er die Beweise der Bestechung von Direktor Norton an die Presse. Als die Behörden im Gefängnis ankommen, erschießt sich Norton. Red kommt später auf Bewährung frei und erhält eine Stelle im selben Supermarkt wie Brooks. Auch Red kommt am Anfang nicht mit seiner Freilassung zurecht. Er denkt darüber nach, sich zu erschießen oder eine Straftat zu begehen, um so wieder ins Gefängnis zu kommen. Doch eines hält ihn immer noch am Leben: vor einigen Jahren hat er Andy versprochen, nach einem schwarzen Lavastein unter einem Baum in Buxton zu suchen. Er macht sich auf den Weg, um diese Stelle aufzusuchen. Er findet unter dem Lavastein einen Brief, in dem Andy ihn einlädt, nach Mexiko zu kommen. Am Ende treffen sie sich an einem Strand in Mexiko und umarmen sich.[14] Das Thema im UnterrichtDer Film enthält verschiedene separierbare Sequenzen, die im Unterricht Verwendung finden könnten.[15] „Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren“ steht über dem Tor zur Hölle in Dante Alighieris Göttlicher Komödie.[16] Ähnliches könnte auch über dem Shawshank-Gefängnis stehen. Als ganzer ist der Film eine Parabel auf den menschlichen Wunsch nach Freiheit, die verschiedenen Formen, wie sich dieser Wunsch artikuliert, am Leben erhält und schließlich realisiert. Spannend dabei, wie die Hauptfigur in mehrfachem Sinne auf ihre Freiheit hinarbeitet: physisch, was am Anfang nur angedeutet und erst ziemlich zum Schluss dramatisch umgesetzt wird; sozial, indem sie humane Verhältnisse in einer inhumanen Umwelt herstellt. Freiheit ist etwas, was sich hier erst nach Jahren bzw. Jahrzehnten erreichen lässt. Das sollte im Unterricht aufgegriffen werden. Dann gibt es die unterschiedlichen Hoffnungsperspektiven, die sich in diesem Film durch die verschiedenen Handlungsfiguren artikulieren. Am Ende der Lebensreise des Gefängnisdirektors sollte eigentlich der Reichtum stehen und steht doch der Tod. Die skeptische Infragestellung einer Hoffnungsperspektive (weil Hoffnung eigentlich so etwas ist wie Opium für das Volk) repräsentiert der realistische Red: „Let me tell you something my friend. Hope is a dangerous thing. Hope can drive a man insane.“ Hoffnung kann einen verrückt machen, wenn sie nur dazu dient, unrealistische Wünsche zu nähren, statt sich den Realitäten zu stellen. Die scheiternde Hoffnung symbolisiert Brooks, der nach 50 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen wird, mit der Welt außerhalb des Gefängnisses nicht mehr zurecht kommt und sich deshalb nachdem er all den Terror in der Strafanstalt überlebt hat das Leben nimmt. Die sich daraus ergebende Frage nach der Freiheit als letztem gesellschaftlichem Wert ist diskutabel. Red: „He should've died in here.“ Die Verbindung von Kultur, Freiheit und Hoffnung greift die sich anschließende Szene auf, in der Andrew Dufresne für die Bibliothek, die er im Knast aufbauen möchte, Schallplatten geschenkt bekommt und für seine Mithäftlinge gegen die Interventionen der Wärter und Gefängnisleitung Mozarts „Hochzeit des Figaro“ spielt. Nach seiner Entlassung aus dem Straf-Block kommt es zu einer Diskussion mit seinen Freunden darüber, was Musik, was Kultur überhaupt für das menschliche Überleben und für das Menschsein bedeutet. Kultur, so sagt Andy Dufresne, braucht man, um nicht zu vergessen: „there are places in this world that aren't made out of stone. That there's something inside... that they can't get to, that they can't touch. That's yours. [Red: What're you talking about?] Hope.“ Das ist auch für Schülerinnen und Schüler eine wichtige Frage. "Nothing escapes me. No one escapes me."Ein Vergleich beider Kinofilme mag zunächst vielleicht schwer fallen. Eine Schwarz-Weiß-Parabel der 50er-Jahre mit einem Knastthriller aus den 90er-Jahren in Beziehung zu setzen, ist sicher nicht einfach. Bei den zahlreichen Stichwörtern, die Filmlexika zu den Filmen verzeichnen, gibt es nur eine gemeinsames: den Tod. Aber de facto gibt es mehr Übereinstimmungen. Das Verbindende ist nicht nur die scheinbare Ausweglosigkeit der Protagonisten, sondern auch das Motiv der Hoffnung, das ihren Weg begleitet. Die Ausgangssituation ist in beiden Fällen die Hoffungslosigkeit und zweier Protagonisten, die sich damit nicht abfinden wollen und sich deshalb auf die Reise machen. Jede Szene des folgenden Filmablaufs dementiert scheinbar das „Prinzip Hoffung“: "Nothing escapes me. No one escapes me." Und dennoch triumphiert am Ende der Hoffnungsfunken. Im Hollywoodkino trivialer als im existentialistischen Film, bei dem das Idyll auf Kosten des Protagonisten siegt. Wenn man beide Filme als metaphorische Reisefilme begreift, sollte man die Reisen noch einmal rekonstruieren.
Die cineastischen Reiseziele sind ziemlich divergent. Während Hollywood nach langen Leiden das einfache Glück samt Reichtum verspricht (und darin sicher auch ein Stück tradierter christlicher Heilsverkündigung repetiert: das Paradies nach irdischem Leiden), gibt es im existentialistischen Drama Bergmans nur die folgenreiche Geste, die dem Tod etwas abringt, zugleich aber das Leben kostet (auch das eine heilsgeschichtliche Wieder-Holung der christlichen Erzählwelt). Beide Reisen sind von Opfern und Toten begleitet, beide erzählen von Fanatikern und Stoikern, von Naiven und Realisten. In beiden Fällen sind die Protagonisten bedachte Spieler, die die Ausnahme in der tödlichen Logik suchen und sich deshalb auf den Weg machen Am Ende der Reisen steht zum einen der Tod, zum anderen das wiedergewonnene Leben. In beiden Fällen wurde aber letztlich so etwas wie Sinn erfahren, wenn man dem Wörterbuch der Gebrüder Grimm folgt: „sachen, dinge erfahren, erforschen, erkunden und nicht selten mit einem vorausgeschickten verbum des gehens, wodurch gleichsam äuszerlich ausgedrückt wird, was ursprünglich in erfahren selbst gelegen war: gehe hin und erfahr mir das; gehet und erfahret uns; mache dich auf und erfahr es; gehet durch die gassen zu Jerusalem und schawet und erfaret, und sucht auf irer straszen, ob ir jemand findet der recht thu. Jer. 5, 1;“[17] Anmerkungen* Dieser Text erschien zuerst in: Kirsner, Inge.; Wermke, Michael. (Hg.) (2011): Passion Kino. Existenzielle Filmmotive in Religionsunterricht und Schulgottesdienst. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S. 99-109 [1] Kirsner, Inge (1996): Erlösung im Film. Stuttgart. [2] O'Rourke, Patrick J.; Sellner, Albert Christian (2006): Reisen in die Hölle und andere Urlaubsschnäppchen. Frankfurt am Main: Eichborn (Die Andere Bibliothek, 262). [3] Vgl. wikipedia, Art. „Roadmovie“, http://de.wikipedia.org/wiki/Roadmovie; vgl. auch Peter Lau, „Fahren, um zu fahren“ brandeins 2/2002 http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=515&MenuID=130&MagID=18 [4] In die Kategorie „Roadmovie“ gehört als Frühform dann schon eher Ingmar Bergmans Film „Wilde Erdbeeren“. [5] Bergman, Ingmar; Bonin, Tabitha von (1968): Das siebente Siegel. Drehbuch. 2. Aufl. Frankfurt: Verl. Filmkritik (Cinemathek Ausgewählte Filmtexte, 7). [6] Ebd. Es ist ganz interessant, dass das Motiv des Schach spielendes Todes gar nicht so verbreitet ist, wie Bergmann unterstellt. Vermutlich verarbeitet er hier eine konkrete Kindheitserfahrung, die er als Pfarrerssohn während der Amtstätigkeit seines Vaters aufgenommen hat. In der in der Nähe von Stockholm gelegenen Kirche von Täby finden sich zahlreiche der angesprochenen Motive aus dem Film. http://commons.wikimedia.org/wiki/T%C3%A4by_kyrka [7] 1350 erreichte die Pest seinerzeit Schweden. [8] Die zweite Welle der so genannten Geißlerbewegung entstand um 1349 in Reaktion auf die grassierende Pest. [9] Handlungsbeschreibung nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Das_siebente_Siegel [10] http://en.wikipedia.org/wiki/The_Seventh_Seal#Historical_accuracy [11] http://www.formonline.se/kyrkor/Taby/index.html [12] http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Albertus_Pictor [13] http://www.hawemann.com/jan/kino/95/verurteilten.html [14] Handlungsbeschreibung nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Verurteilten [15] Auch hier lohnt sich übrigens der Blick auf die historischen Fehler des Films. Vgl. dazu http://www.imdb.com/title/tt0111161/goofs [16] Die Göttliche Komödie, Inferno III, 51 [17] Art. „erfahren“, in: Grimm, J.; Grimm, W. (2004): Deutsches Wörterbuch. Frankfurt. |
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Artikelnachweis: https://www.theomag.de/127/am711.htm |