Das Baptisterium

Eine ausgefeilte Bildertheologie

Andreas Mertin

Geradezu unscheinbar schmiegt sich das Baptisterium als Taufkapelle an die Kathedrale von Padua. Ein erstes Baptisterium wurde Ende des 12. Jahrhunderts errichtet, die heute vorfindliche Form stammt aus der Zeit zwischen 1260 und 1281. Einzigartig ist der vollständig erhaltene Freskenzyklus im Baptisterium, den Giusto de’ Menabuoi zwischen 1375 und 1378 schuf. Den Auftrag für diesen Freskenzyklus gaben der Herrscher Francesco I. da Carrara und seine Frau Fina Buzzaccarini.

Die Fresken wurden in den letzten Jahren restauriert und zeigen sich nun wieder in ihrer frischen und beeindruckenden Farbigkeit.

„Die gut hundert Bildfelder bedecken sämtliche Wandflächen und die Kuppel. Illustriert sind Szenen aus dem Evangelium, das erste und das letzte Buch der Bibel sowie das Leben Johannes des Täufers, des Patrons aller Baptisterien. Das Kuppelfresko zeigt Christus als Pantokrator, umringt von den Scharen der Engel und Vollendeten.“ Wikipedia


Der Freskenzyklus orientiert sich an der Lektüre für die Kate­chu­menen, die durch die Tür im Westen eintraten. Ihnen bot sich nach dem Eintritt in das Presbyterium von oben nach unten das Leitmotiv der biblischen Geschichte dar: „Die Erschaffung der Welt“, „Das Pa­ra­dies“, „Die Kreuzigung und Erlösung der Welt“, die „Herabkunft des Hei­ligen Geistes“ und im katholischen Kontext natürlich: der Altar des Messopfers. Nach und nach erschloss sich ihnen visuell eindrucksvoll vermittelt die christliche Bilder- und Erzählwelt. Im Grunde ist jedes einzelne Detailbild des gesamten Zyklus einer genaueren Betrachtung wert.

Alles beginnt aber mit einer herrlich klaren Darstellung des Schöpfungswerkes, die der mittelalterlichen Theologie der Himmelssphären folgt. Wir sehen Gott als Christus in der Schar der Engel, wie er mit einem Segensgestus die Welt erschafft. Wir sehen die 12 Tierkreiszeichen und im Zentrum des göttlichen Glanzes die Erde. Unterhalb der Erschaffung der Erde sehen wir die Kreuzigung dargestellt.

Gerade an dieser Kreuzigung erkennt man die Zeitgenossenschaft mit Altichiero da Zevio und dessen Kreuzigungsdarstellung im Oratio de San Giorgio. Beide Künstler haben zeitgleich an ihren Kreuzigungsdarstellungen gearbeitet. Nur dass bei Menabuoi alles etwas didaktischer, etwas lehr- und lernorientierter wirkt, wenn er z.B. die dem Physiologus entnommene Darstellung des Pelikans über die Kreuzigung setzt und dem Mond ein Gesicht verpasst. Klassische Religionspädagogik sozusagen.

Es folgen dann die weiteren biblischen Geschichten, die wir alle kennen und Gegenstand religiöser Unterweisung sind. An den Bogenzwickeln befinden sich Evangelisten und Propheten.  An den unteren Wänden werden die Geschichten von Johannes dem Täufer, Maria und Christus erzählt.

Dort wo die Katechumenen den Raum betreten, findet sich über der Tür ein Bild des Täufers Johannes, dem die Kirche gewidmet ist. Und darüber sieht man, wie die Stifterin der Bilder und des Baptisteriums, Fina Buzzaccarini, von Johannes dem Täufer, einem Papst und einem Heiligen der Jungfrau Maria und dem Christuskind vorgestellt und ihrer Gnade anempfohlen wird. Das ist etwas weniger überheblich, als die Geste des jungen Scrovegni in der Arena-Kapelle, der sich relativ selbstbewusst mit der Kirche das Seelenheil seines Vaters erkauft. Im Baptisterium wird das alles deutlich demütiger inszeniert.

Das über dem gesamten Geschehen thronende Kuppelfresko zeigt Christus als Pantokrator, umringt von den Scharen der Engel und Vollendeten. Er ist Anfang (Paradies) und Ende (Himmlisches Jerusalem) zugleich.

Bedenkt man, dass ein guter Teil der Kunsthistoriker des 19. und 20. Jahrhunderts sich eher herablassend über die Kunstwerke und den Künstler ausgelassen haben (wobei sie natürlich Giotto zum Vergleich herangezogen haben), dann ist es ein gutes Signal, dass auch die Fresken des Baptisteriums seit Juli 2021 zum UNESCO Welterbe gehören, denn er gehört schon den zu hervorragenden Künstlern dieser Zeit.




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Artikelnachweis: https://www.theomag.de/133/am735d.htm
© Andreas Mertin, 2021