Weihnachten
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Josefs Zweifel / Der erste Traum des JosefAndreas Mertin Die Quellen
Zentrale Quelle (Matthäus 1, 18-25)
Proto-Evangelium des Jakobus, Kapitel 14 (150 n. Chr.)
Pseudo-Matthäus-Evangelium (600-650 n.Chr.)
KunstgeschichteIn der Kunstgeschichte taucht das Motiv mit Josefs Zweifel im 5. Jahrhundert auf, am Anfang oft als Parallelisierung zur Verkündigung an Maria. Nicht immer ist klar, welcher der vier Träume des Josef gerade dargestellt wird. Wenn der Traum im Haus geschieht und/oder Maria als Schwangere im Hintergrund zu sehen ist, handelt es sich um das Motiv von Josefs Zweifel. Vollzieht sich die Szene außerhalb des Hauses, hängt die Zuordnung von weiteren Indizien ab. Nicht immer lässt sich die Deutung zweifelsfrei durchführen. Mögliche Fragen vor konkreten Kunstwerken
432-40 Mosaik, Santa Maria Maggiore, RomKomplementär zur Verkündigung an Maria (s. die entsprechenden Ausführungen im Abschnitt über die Verkündigung) wird in der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom die Verkündigung an Josef gezeigt. Während die eine Adressatin sich notwendig als verschlossen erweisen muss (hortus conclusus), muss der andere Adressat sich notwendig als offen und gastfreundlich erweisen. Das symbolisieren die beiden Häuser rechts und links der zentralen Szene. Das Haus des Josef soll der Maria auch nach Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft weiter offenstehen. Auffällig ist, dass, obwohl alle Quellen betonen, dass es sich um einen nächtlichen Traum des Josef handelt, das Mosaik das Geschehen am helllichten Tag darstellt. Man könnte das dadurch erklären, dass die drei Engel in der Mitte des Mosaiks in Wirklichkeit nur einen Engel darstellen, der sich von der Verkündigung an Maria zur Verkündigung an Josef umdreht. Dann würde die Szene Sinn machen.
14. Jahrhundert - Fresko, Griechenland
Die Kirche Panagia Kera mit ihrer überreichen Ausschmückung enthält auch ein Fresko zum Traum des Josef. Wir sehen eine Konstellation von drei Handlungsfiguren vor einem byzantinischen Städtehintergrund: auf der rechten Seite die mit einem Nimbus versehene Maria, die in sich versunken mit geschlossenen Augen auf einem byzantinischen Herrscherthron sitzt und ihren Kopf auf die rechte Hand gestützt hat. Auf der linken Seite sitzt ihr zu Füßen Josef, dargestellt als alter, weißbärtiger Mann, der ebenfalls ermüdet seinen Kopf mit halboffenen Augen auf die rechte Hand stützt. Auch Josef trägt einen Nimbus. Dazwischen fährt nun der Erzengel in einem dramatischen Sturzflug vom Himmel in die Szene hinein, den Blick fest auf Josef gerichtet, die rechte Hand zum Segensgestus ausgestreckt. 1410-20 Französische SchuleEintausend Jahre später befinden wir uns in einer Genreszene. Dieses Mal schläft Josef nicht, sondern spricht als alter Mann mit Krückstock mit dem Miniatur-Engel, der über ihm schwebt. Neben ihm steht die Werkbank, an der er als Schreiner werkelt. In derselben Stube sehen wir Maria bei ihrer Arbeit, diverse Schachteln um sie herum. Vor ihr steht ein Blumentopf, dessen angedeutete Zinnen auf den hortus conclusus verweisen. Joseph selbst wird dagegen nicht als Heiliger dargestellt. Während die Ostkirchen Joseph schon sehr früh verehrten, begann sein Kult im Westen frühestens im 6., vielleicht auch erst im 9. Jahrhundert. Und erst Papst Sixtus IV. führte 1479 das Fest des hl. Joseph ein, das dann zu einer Konjunktur von Josephsbildern führte. Und Papst Klemens XI. schrieb 1714 den Festtag dann für die gesamte Kirche vor. 1640 Georges de La Tour, Traum JosefsGeorges de La Tour (1593-1652) ist als Maler von „Nachtstücken“ berühmt. Seine von Kerzen erleuchteten Bilder erzeugen eine Atmosphäre der Intimität. Die enge Begrenzung auf den handelnden Engel und den schlummernden Josef sorgt dafür, dass man das Sujet des Bildes, sofern kein Bildtitel gegeben ist, nur erraten kann. Diese Szene zwischen einem jungen Mädchen und einem alten Mann kann sich überall und jederzeit abspielen, es ist eine fast alltägliche Situation einer vertrauten familiären Situation. Das macht aber zugleich den außerordentlichen Reiz dieses Bildes aus, dass es das ganz Hohe mit dem ganz Einfachen so selbstverständlich miteinander verbindet. 1642 Philippe de Champaigne, Der Traum des JosephDer flämische Klassizist Philippe de Champaigne (1602-1674) hat mit seinem 210x156 cm großen Bild vom Traum des Joseph eine ganz interessante Konstellation geschaffen. Links unten liegt der schlafende Josef auf einem schön gedrechselten Stuhl mit einem dicken Ruhekissen, er ist als jugendlicher Handwerker samt seinen Utensilien dargestellt. Josefs Hände und Fingernägel sind von der Arbeit verdreckt. Er trägt einen Nimbus. Über ihm schwebt ein Engel mit wehenden Kleidern, der seinen Blick durchaus interessiert auf den bärtigen jungen Mann gerichtet hat. Mit der linken Hand verweist er in den Himmel, um den göttlichen Ursprung des Geschehens anzudeuten, mit der rechten direkt auf Maria als Medium dieser göttlichen Intervention. Die nimbusbekrönte Maria hat die Hände über der Brust gekreuzt. Sie hat bis dahin in der Bibel gelesen und blickt nun den Engel etwas erschrocken an. Philippe de Champaigne hat in dieser Zeit mindestens drei Bilder dieses Sujets geschaffen, darüber hinaus zahlreiche weitere aus dem Umfeld der Szene, also etwa der Verkündigung an Maria. Der konkrete Ort, für den dieses konkrete Bild gedacht war, lässt sich nicht mehr feststellen. Heute befindet es sich in der National Gallery in London. Zu seiner Arbeitsweise und zur Einordnung in den größeren kunsthistorischen Zusammenhang schreibt Kindlers Malereilexikon:
1662 Francisco Herrera d.J., Josephs TraumVom spanischen Maler Francisco Herrera dem Jüngeren (1622-1685) stammt diese wunderbare Darstellung von Josephs Traum, die sich heute im Prado in Madrid befindet. Wieder ist Joseph nicht als alter Mann dargestellt, sondern als eher junger Handwerksmeister. Außerdem verlageert der Künstler die Szene ins Freie. El sueño de san José heißt das 1662 gemalte, 197x210 cm große Bild. Der Prado schreibt dazu:
Für die Betrachter:innen wird das Werk selbst zu einer Art nächtlichem Traumbild, nicht klar und deutlich das Geschehen wiedergebend, sondern im Vagen bleibend und deutungsbedürftig. 1665 Francisco Rizi, Josefs TraumDie Darstellung von Josefs Zweifel und Josefs Traum durch Francisco Rizi (1614-1685) in hochbarocker Manier ist ziemlich theatralisch aufgebaut und spielt mit dem kunstgeschichtlich bis dahin aufgebauten Symbolreservoir. Der jugendliche, bärtige und mit einem Nimbus versehene Josef ist in einen tiefen Schlaf versunken, auf seinem Schoß liegt ein Stab, aus dem eine Blüte sprosst. Das bezieht sich auf die Erzählung aus Proto-Jakobus, nach der Josef aufgrund eines blühenden Stabs als Gatte Marias ausgewählt wurde. Links oberhalb sehen wir einen femininen Engel, der eine Kerzenleuchte in der linken und eine Lilie in der rechten Hand trägt. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand eröffnet der Engel zugleich einen Imaginationsraum rechts oben, der den Inhalt des Traumes von Josef wiedergibt. Josef träumt, so viel wird deutlich, eine Trinitätsdarstellung, die sich aus dem Dreieck als Symbol für Gottvater, der Taube als Symbol für den Heiligen Geist und dem ungeborenen Jesus in oder vor der Jungfrau Maria als Inkarnation Gottes zusammensetzt. Maria wird in diesem traumhaften Einschub als kommende Gottesgebärerin (Θεοτόκος Theotókos) dargestellt. Rizi malt das Bild in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, also beinahe 1500 Jahre nachdem das Christentum diese Fragen zur theologischen Bedeutung der Maria debattiert hat. Und auch seine Zitation des ungeborenen Christus‘ vor der Brust der Maria ist eigentümlich hinter der Zeit zurück. Er zitiert eine bereits untergegangene kunsthistorische Tradition. Aber es sind eben wirklich nur Zitate vergangener Zeiten, während das zentrale Augenmerk auf der Dynamik zwischen dem jugendlichen Schläfer und dem intervenierenden femininen Engel liegt. 1772 Francisco Goya, Josefs TraumFrancisco Goya (1746-1828) assoziieren wir in der Regel nach seinem späten Werk mit einem schonungslosen Realismus, der die Missstände der Welt aufdeckt und die Kirche und die Herrschenden dabei nicht verschont. In den frühen Arbeiten zeigt sich ein anderer Blick auf die Welt. Gerade in seinen religiösen Bildern ist er manchmal fast schon lieblich. Das vorliegende Bild war Teil einer Bilderserie aus dem Jahr 1772, die Joaquín Cayetano Cavero Ahones y Pueyo de la Sierra (1735-1788), Graf von Sobradiel, in Auftrag gab, um das Oratorium seines Palastes in Saragossa zu schmücken. Von dort kam es dann irgendwann in das Museum Saragossa. Dieses deutet es als Darstellung des zweiten Traumes des hier als mittelalt dargestellten Josef, also als Aufforderung des Engels an Josef, mit seiner jungen Frau und seinem Sohn nach Ägypten zu fliehen. Ich finde die Deutung nicht zwingend. Insbesondere der blühende Stab am rechten unteren Bildrand bringt die Szene eher mit der Erwählung des Josef als Bräutigam der Maria in Verbindung. Das spricht für eine Situation, in der diese Erwählung durch Josef selbst im Traum infrage gestellt wird. Der Traum / Schlaf der Vernunft entlässt Zweifel könnte man in leichter Abwandlung mit Goya nach seinem berühmten Capricho von 1799 dazu sagen. Natürlich könnte man die Kargheit der Behausung auf der linken Seite des Bildes auf die spätere Geburtsszene beziehen, zwingend finde ich das angesichts der Möbel auf der rechten Seite nicht. Letztlich kommt es darauf an, was die nur spärlich detaillierte Maria im Bildhintergrund in der Hand hält. Ist es das Kind oder ist es der Stoff des Tempelvorhangs? -> geht es weiter zur Geburt Jesu
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Artikelnachweis: https://www.theomag.de/134/am740c.htm |