Lektüren VIAus der BücherweltAndreas Mertin |
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Reflexionen? Selten, dass ein Band der Anderen Bibliothek einmal nicht empfohlen werden kann. Bei Andreas Urs Sommers "Die Kunst, selber zu denken" aber bleibt dem Rezensenten nichts anderes übrig als der Rat an den potentiellen Leser, sich die 27,50 Euro zu sparen und sinnvoller zu investieren. Der ganze Gestus, mit dem das Buch und sein Autor auftritt, ist völlig überzogen, er stammt aus einer Zeit, als das bürgerliche Subjekt noch glaubte, zu allem und jedem seinen Senf abgeben zu müssen. Da helfen dann auch die herangezogenen großen Vorbilder wie Pierre Bayle, Voltaire oder Nietzsche nichts, wenn ein Stil und Gestus nicht mehr in die Zeit passt, dann merkt man das an jeder Zeile eines Buches. Auch wenn der Verlag das Buch als provozierende Frechheit des Autors ankündigt, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es faktisch eine Zumutung für den Leser darstellt. Etwas viel Hybris, Herr Sommer! KunstweltenWunderwerke aus fünf Jahrhunderten verspricht und liefert Anita Albus im 215. Band der von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Anderen Bibliothek. Das Buch ist liebevoll ausgestattet, mit wunderschönen Farbabbildungen und Detailstudien, ein Genuss für den Leser und Betrachter. Joris Hoefnagels "Blick auf Sevilla in allegorischer Umrahmung" ist fast in Originalgröße abgebildet, kann während der Lektüre herausgeklappt und so begleitend studiert werden. Anita Albus berichtet von Menschen und Begegnungen aus fünf Jahrhunderten, aber ohne Zweifel sticht dabei vor allem das 16. Jahrhunderts hervor, in dem sie von dem christlichen Kabbalisten Guillaume Postel, dem Kosmografen Abraham Ortelius und dem Miniaturisten und Landschaftsmaler Joris Hoefnagel erzählt.[1] Im 17. Jahrhundert geht sie den "Grillen der Maria Sybilla Merian" nach, im 18.dem Linnéschen System, Charles Louis Lehrerinnen und Lehrer'Heritier de Brutelle, Richard Anthony Salisbury und Christian Konrad Sprengel, im 19. Jahrhundert den Gebrüdern Goncourt und im 20. Jahrhundert Marcel Proust und Vladimir Nabakov. Das alles ist interessant und lesenswert. Nur an einigen Stellen regte sich der Unmut des Rezensenten[2], etwa wenn pauschal die kulturelle Geistesgegenwart einem kulturpessimistischen Gestus geopfert wird: "Heute sind wie Gefangene eines technischen Universums, in dem die fortschreitende Verarmung des Naturkosmos einem immer kärglicherem Kulturkosmos entspricht ...." [210]. Hans Sedlmayr hätte es nicht anders ausgedrückt. Das Ausspielen der Vergangenheit gegen die Gegenwart und vice versa hat immer etwas Peinliches und diese Plattitüden sind wahrhaft überflüssig. Anmerkungen
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