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Magazin für Theologie und Ästhetik


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Nachrichten aus der Bücherwelt

Andreas Mertin

Wer ist Moebius?

Auf die Frage, mit der das Cover dieses Buches neugierig machen will, hätte ich vor der Lektüre keine Antwort geben können. Wer ist Moebius? Ich hätte auf den Mathematiker August Ferdinand Möbius getippt, dessen Möbius-Band als einseitige Fläche, bei der man an jeden Punkt ohne Überschreitung eines Randes gelangt, zur Allgemeinbildung gehört. Aber Möbius - auch wenn ein entsprechendes Möbiusband das Cover des zu Buches ziert - hat keine Comics geschaffen.

"Wer ist Moebius? Schwer zu sagen. Mit seiner Identität hat dieser Künstler ein virtuoses Doppelspiel getrieben. Auch den Namen seines Doubles Jean Girard kennt außerhalb der Comic-Welt nicht jeder, obwohl es sich um einen der größten Meister dieses Mediums handelt: um einen proteischen Freibeuter, der die Aneignung von Erzähl- und graphischen Mustern aus sämtlichen Regionen der Hoch- und der Populärkultur auf die Spitze getrieben hat." A-Ha.

Wie immer, wenn ich mich schnell genauer informieren möchte, gehe ich zunächst ins Internet und rufe unter Google das Stichwort "Moebius" auf. Erste Funde (Fund 1; Fund 2) geben erste vielversprechende Hinweise. Danach gehört Giraud/Moebius zu den weltweit einflussreichsten Comic-Künstlern, der in einer Art Doppelexistenz unterschiedliche Comic-Stile kultiviert hat.

Also zurück aus dem Cyberspace in die Gutenberg-Galaxis und das Buch aufgeblättert. "Moebis Zeichenwelt" ist im März 2003 als 219. Band der von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Anderen Bibliothek erschienen. "Vorgeführt" wird der Zeichner von Andreas Platthaus, das Buch ist mit mehr als 250 meist unveröffentlichten Bildern illustriert, darunter den Fumetti, einer autobiographischen und -reflexiven Bildgeschichte. Das Buch ist aber nicht einfach ein Bilderbuch zum Blättern, sondern will in Text und Bild wirklich studiert werden, sonst verpasst der Leser/Betrachter allzu viel.

Das einleitende Kapitel "Zum Beginn" führt in die Bildsprache und die zeichnerische Komplexität des Künstlers ein, zeigt durch vergrößerte Details, wie er arbeitet und was ihn auszeichnet. Das Kapitel "Im Comic entzweit" rekonstruiert die Doppel-Biographie von Giraud und seinem künstlerischen Double Moebius. "Verstecken lohnt sich nicht" führt in den dann nachfolgend abgedruckten autobiographischen Comic "Funetti" ein.

Das Kapitel "Leben nach dem Tod des Comics" wagt Vergleiche von Film und Comic, geht den Ausflügen des Künstlers in die Werbung und die Pornographie nach, und kommt dann zum Ende des Comics: "Denn dieser Zeichner, der sich im Comic entzweite, hat dessen Form damit erschöpft. Jenseits von ihm ist nichts mehr zu tun geblieben, und diesseits von ihm ist nichts als die Tradition der Form." Hoffen wir, dass das nicht das letzte Wort/Bild ist.

Neben dem legendären Comic-Einführungsbuch von Scott McCloud "Comics richtig lesen" ist der von Andreas Platthaus herausgegebene Moebius-Band sicher die sympathischste und empfehlenswerteste Lektüre für die Annährung an die Welt der Comics.


© Andreas Mertin 2003
Magazin für Theologie und Ästhetik 24/2003
https://www.theomag.de/24/am98.htm

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Moebius. Zeichenwelt. Von Andreas Platthaus vorgeführt. Mit mehr als 250 meist unveröffentlichten Bildern. Frankfurt 2003

Scott McCloud. Comics richtig lesen. Hamburg 2001