Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Magazin für Theologie und Ästhetik


"Kein Wesen kann zu nichts zerfallen"

Geerdete Kunst von Madeleine Dietz

Christoph Ranzinger

Die Galerie der Deutschen Gesellschaft für Christliche Kunst in der Münchener Finkenstraße wirkt eher unscheinbar, der chronische Geldmangel lässt in der Ausstattung keine großen Sprünge zu, und doch ist es eine erste Adresse für zeitgenössische Kunst. Vom 7. Juni bis 20. Juli wurden Arbeiten der Mannheimer Künstlerin Madeleine Dietz ausgestellt, die im Oktober den Ernst Barlach Preis überreicht bekommt.

Unbehandelte, schwarze Stahlbleche, zu einfachen Formen zusammengeschweißt und ockerfarbene Erdbrocken, die sie wie in ausgetrockneten Wasserlöchern reißen lässt, sind die wichtigsten Elemente ihrer Arbeiten. Diese beiden gegensätzlichen Elemente arrangiert sie zu Objekten, die gleich faszinieren: Ihre Stücke sind zunächst einfach schön.

Und je mehr man sich faszinieren lässt von dieser Ästhetik, entdeckt man die Tiefe und Ursprünglichkeit, die die Erdbrocken in ihrer zufälligen Form enthalten: Erde als Lebensgrundlage, als Rohstoff der Schöpfung, und in dieser Form - ganz ohne Wasser - als der Staub, zu dem wir alle zerfallen werden. Leben mit der Vergänglichkeit.

Madeleine Dietz schlichtet diese zufällig geformten Erdbrocken zu strengen Formen auf, ordnet und gestaltet. Und sie stellt ihnen oft die gleichen Formen aus Stahlblech gegenüber, als Begrenzungen, als Gefäße für die Erdbrocken. Kalte, harte Hohlräume die sich von den Erdmauern durch die Präzision der Form unterscheiden - wie Ideen, die gefüllt werden müssen mit Leben, die dann nicht mehr so perfekt sind, dafür aber lebendig und wirklich.

Diese Kunst fasziniert, weil Ästhetik und Inhalt zusammenkommen. So lösen (auch ohne große intellektuelle Klimmzüge, ohne die analytischen Fähigkeiten eines Kunstprofessors) die Arbeiten beim staunenden Betrachter Ideen aus, die ihn weiterführen, Ideen, die weit über eine nüchterne Analyse hinausgehen. Damit hat die Künstlerin ein hohes Potential an Breitenwirkung, die manch andrem zeitgenössischen Werk fehlt.

Madeleine Dietz spricht über ihre Arbeiten in einer Sprache, die jeder versteht. Sie erzählt von einer Afrikareise, den Bildern der vertrockneten Erde, die sie zu ihren Arbeiten inspirierten. Sie erzählt von ihren Ausstellungen in Kirchen, von dem Versuch diese wunderbaren Räume (die meist von Sakralkitsch vollgestellt sind) zu gestalten und den Kontroversen, die diese Ausstellungen ausgelöst haben. Sie berichtet über ihre pflegebedürftige Mutter, zeigt sie in einer Videoinstallation, die Würde und Ruhe ausstrahlt.

"Nicht geboren werden" hat sie auf eine Marmortafel geschrieben und bezieht diese Arbeit ganz selbstverständlich auf die Abtreibungsthematik, die ihr offenbar sehr wichtig ist.

Und sie wirbt für ihr laufendes Projekt "side by side" für das sie Friedhofserde aus allen Ländern der Erde sammelt, um dann ein Pflanzfeld mit diesen Erden anzulegen - als Zeichen der Gleichheit und Einheit der Menschen.

Dass diese geerdete Philosophie, die sie mit ihren Arbeiten und ihrem Auftreten so eindrucksvoll vertritt, auch authentisch ist, beweist ihre spontane Zusage zur Ausstellung einer Arbeit in einer Münchener Berufsschule. Sie wird dort im Rahmen eines Workshops mit Schülern das Kunstwerk aufstellen und vorstellen. Dieses große Exponat mit ca. 6 Metern Durchmesser trägt den Titel "Kein Wesen kann zu nichts zerfallen". Quadrat, Kreis und Oktagon, elementare Grundformen sind zentriert ineinander gelegt als Mandala, laden ein zum Betrachten, zum Begehen, zum Meditieren. Diese Arbeit wird ab 25. September 2003 in der Aula der Beruflichen Schulen an der Bergsonstraße 109 im München noch mal zu sehen sein.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der einen guten Überblick über das Gesamtwerk der Künstlerin vermittelt.


© Christoph Ranzinger 2003
Magazin für Theologie und Ästhetik 24/2003
https://www.theomag.de/24/cr1.htm