Promotion in motion: A-ClipRezension einer "micro intervention in cinema space"Frauke Annegret Kurbacher-Schönborn |
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Lange Zeit hat man versucht, aus feststehenden Bildern, Photographien, bewegte Bilder zu erzeugen. Historische Filmmuseen bezeugen mit ihren Ausstellungen mehr oder minder abstruser bis effektiver Apparaturen diese lange Bemühung um das bewegte Bild. Nun laufen die Bilder schon lange über Leinwände, Mattscheiben und Bildschirme, und manch einer trachtet wiederum danach, sie im Laufen gleichsam festzuhalten, sie als Standbild dem nahezu unbewegten Bild wieder anzunähern, zum Beispiel Regisseur Andreij Tarkowski in seinen stehenden Bildern, oder auch Peter Greenaway in manchen 'stills'. Wie kleine Einschnitte kristallisieren sich dann erneut einzelne Aufnahmen aus dem flimmernden Gesamt, das ja letztlich nichts anderes ist, als wiederum eine Kunst des rechten Schnitts, des Cut, die den Film selbst als fragiles Gebilde aus Statik und Dynamik erscheinen lassen und ihn darin der Reflexion über ihn strukturell annähern. Eine ganz andere Art von Einschnitt, weniger kunstvoll, eine den Filmfluss willentlich und auf unangenehme Weise unterbrechend, ist der Werbefilm, der freilich bislang - glücklicherweise - nur den Fernsehfilm im Wortsinn unterbricht. Im Kino erwartet er einen, die ansteigende Filmerwartung übelst unterbrechend, als erratischer Block zu Beginn vor einem Kinovergnügen. - Sich in diesen Monolithen einzuschleusen, ist das Projekt von A-Clip, dessen Grundidee es nach eigenem Pressetext ist, "die Aufmerksamkeit des Zuschauers im abgedunkelten Kinoraum für die Platzierung politischer und subjektiv-künstlerischer Aussagen zu nützen".[1] Das tun die A-Clip-Produzenten bereits zum dritten Mal, was für den Erfolg der ersten Staffeln von 1997 und 2000 und die Hartnäckigkeit des Subversiven spricht. Die einzelnen Clips sind jeweils bloße 50 Sekunden kurz und werden zwischen die vor den Hauptfilm präsentierten Werbespots eingeschnitten. Unter den A-Clip-Herstellern finden sich vorwiegend Video- oder andere Künstler und Künstlerinnen, aber auch Leute, die mit Medien arbeiten oder in gänzlich anderen Zusammenhängen stehen, und nach neuen Formen suchen, eine "politische Öffentlichkeit herzustellen". So zeigt sich auch das redaktionelle Verfahren von A-Clip durchaus demokratisch. Der Prozeß, in dem die Filme entstehen, ist ein gemeinsamer, diskursiver. Grundsätzlich stehen jedem, auch wenn er noch nie etwas mit Film zu tun hatte, die A-Clip-Studios - für die letzte Staffel in Berlin, Los Angeles und London - offen und werden hilfestellend von erfahrenen A-Clip-Produzenten betreut. Ausgestrahlt werden die kleinen Profi- und Amateur-Movies in 500 Kopien in deutschen Kinos, in Österreich und der Schweiz. Die diesjährige A-Clip-'Serie' umfasst 53 Beiträge auf Video und auf 35mm Film im Format 1:1,85 (Breitwand) gefasst. Premiere hatten die neuen A-Clips am 15. Mai 2003 im Kino Arsenal in Berlin.[2] In einer Kurzinformation des RadioKultur im RBB wusste der Moderator Daniel Finkernagel erst kürzlich launig von einer Mitteilung des Sprechers, Jeff Zucker, des NBC zu berichten. Der machte auf das Problem aufmerksam, dass dem umgreifenden Abschalten der Werbeblöcke im Fernsehen durch das Einblenden von One-Minute-Movies entgegengewirkt werden soll. 30 Sekunden Filmaufbau, 30 Sekunden für die Lösung -, ob das denn funktioniere?! so die rhetorische Frage Finkernagels, - es funktioniere. Aber ein funktionierender Film in einer Minute, so der Kommentar, würde wohl wieder nur dazu führen, dass auch die Minimovies wieder von Werbung unterbrochen werden müssten, die wiederum die Werbung unterbricht, die eigentlich dazu da war, den Spielfilm zu unterbrechen, eine Unterbrechung der Unterbrechung der Unterbrechung sozusagen, - da wäre es doch gleich besser, Radio zu hören. - Ich erwähne diese Kurznotiz nicht nur wegen der Parallelität des Verfahrens bzw. sogar letztlich des Anliegens. Nun kann zwar diese kaum unterscheidbare Parallele zwischen einem kommerziellen und einem kritisch-künstlerischen Projekt selbst schon als kritischer Einwand gelten, das Problem jedoch greift weiter: Kann etwas der ideologischen Vereinnahmung entgehen, und das heißt zugleich für unser ökonomisches Zeitalter übersetzt, kann etwas der Kommerzialisierung entgehen?! - Letztlich muß diese Frage wohl verneint werden. Widerständigkeit ist die höchste Form dagegen und ästhetische Schulung und Bildung sind vielleicht probate Mittel zur Erhöhung dieser Widerständigkeit, die im Blick des Rezipienten und Konsumenten beginnt. In diesem Sinne leistet A-Clip einiges zwischen einer 'Rekommerzialisierung des Ästhetischen' und einer "Kommerzialisierung im Ästhetischen".[3] Wenn auch die Grundidee der Werbeblock-Unterbrechung ambivalent bleibt, so wirft sie gerade deswegen aber, wenn auch teilweise unbeabsichtigt, Fragen nach dem grundsätzlichen aber auch grundlegenden Verhältnis von Kunst und Kommerz auf,[4] die mit einiger Dringlichkeit endlich einmal differenziert werden müssten, wobei diese Differenzierungen letztlich wohl nur in verschiedenen Einstellungen und Perspektiven bestehen. Denn Kunst ist, und das Wissen darum hat sie, im Gegensatz zu den Vertretern der Kunst des Denkens, den Philosophen, schon immer voraus, auf Verkauf angewiesen. Solange sie dabei die Kunst bleibt, die sie ist, ist daran auch nichts auszusetzen, von irgendetwas muß der Künstler ja leben, aber wenn das Kommerzielle die Kunst bestimmt, wird es ideologisch, und diesen Aspekt an Kunst und Kommerz diskreditieren wir zurecht. Nur, vor foucaultschen Hintergrund, muß die Frage nach der Macht auch im ästhetischen Wissen gestellt werden, und wo verläuft so eine Grenze zwischen diesen beiden Aspekten in einer Gesellschaft, die vornehmlich ökonomisch bestimmt wird. Ernst Fuchs' leider unironische Aussage, Kunst sei dann gute Kunst, wenn sie sich gut verkaufen ließe, kann nicht ernsthaft zuzustimmen sein und sollte auch kein letztes Wort in dieser Diskussion bleiben. Doch der A-Clip Versuch muß sich selbst die Frage nach der Rekommerzialisierung stellen lassen, gerade aber in diesem Fragenaufwerfen, das die eigene Ambivalenz evoziert, erweist sich letztlich auch wieder ein gutes Stück gelungenen Konzepts im Sinne einer Kunst und Reflexion der Irritation. So wenig Einmütigkeit also die Grundidee zu erzeugen vermag, so überzeugend ist das A-Clip Konzept der Verweigerung einer Qualitätsauswahl, denn weder wird eine Qualitätsselektion von A-Clip Seite aus für die Beiträge betrieben, noch können die Kinobetreiber aus den 53 Mini-Filmen auswählen, sondern bekommen per Zufallsverfahren ein buntes Paket qualitativ unterschiedlichster Beiträge. Dies ist das eigentlich Spannende am Projekt. Und so diskussionswürdig A-Clip mit dem Zug des Subversiven bleibt, und so souverän in seiner Selektionsverweigerung, so treffend ist es damit auch in seiner Attacke gegen den 'Mainstream' und solcherart gestaltetes Denken. Am Mainstream von Werbeproduktionen orientiert bleiben alle, wirklich alle 53 Filme, und gleichwohl immer z.T. haarscharf daneben, und dies ist es, was bei tatsächlich absolut unterschiedlicher Qualität der Produktionen, dafür sorgt, dem Zuschauer und Betrachter wieder seine Freiheit ästhetischer Beurteilung zurückzugeben. Mainstream[5] heißt eben auch vorzuentscheiden, was eine Menge will, weil eine Menge genau dies schon einmal gewollt hat, Mainstream heißt, zu entscheiden, was dazu und nicht-dazu gehört. Mainstream ist eine Art ästhetischer Darwinismus. Und dabei hat es der Werbefilm ja durchaus als Kurzfilm in die Kinos gebracht. Eingeschweißt nun zwischen einer Freiheitssuggestion durch Konsum in der Werbung erbeuten A-Clips kleine visuelle Inseln als ästhetische Beurteilungs-Leerräume für den Rezipienten zurück, die mehr von Freiheit als alle Werbespots zu erzählen wissen, weil sie es unterlassen, sie zu bestimmen. Unterbrechung heißt übersetzt für das Projekt A-Clip vor allem Irritation. So war das diesmalige Leitthema auch "innere Verunsicherung". Das können kleine signifikante Beobachtungen des Alltags sein, wie z.B. in Frauke Finsterwalders großem kleinen Beitrag "Schulkrieg", der einander zergelnde Schuljungen aus der Vogelperspektive zeigt, oder Situationen wie in "Fountain" von geradezu alltagspoetischer Kraft, wenn eine bei einem Autocrash geplatzte Wasserleitung einen amerikanischen Hydranten mitsamt verursachendem Vehikel zum Springbrunnen werden läßt wie in Klaus Webers Mini-Movie, oder an der Photographie geschulte Filmbilder von Menschenmengen, die durch Arten der Hervorhebung, Markierung als Form des Einschnitts und Einhalts narrative Momente erhalten, die sie wieder dem Photographischen zuführen wie in Katja Eydels filmischer Beobachtung einer Londoner Bahnhofshalle in ihrem Beitrag "station". Andere A-Clipper surfen gezielter an Werbespot- oder Mainstreamfilm-Ästhetik entlang und nutzen sie doch "fjordend" (Markus Kleine-Vehn): z.B. einschlägige Matrix-Szenen für ebenso deutliche Aufmunterungen wie: "Burn Hollywood Burn" (Sebastian Luetgert/a.s. ambulanzen; Berlin), oder im grotesken Nachspielen von Werbe-Ekstasen nach dem Genuß angepriesener Waren ("Billboards" von Catherine Hollander; L. A.), oder ein mit leichter Ironie plazierter Beitrag, der den Auf- und Untergang eines großen Werbefesselballons eines ebenso großen privaten deutschen Senders über den Dächern der Hauptstadt filmt, gleich dem Naturereignis der Sonnenbewegung ("Nullpanorama" von Martin Ebner; Berlin). Andere filmische Standpunkte sind stille und lassen Fakten und Umstände für sich sprechen, wie z.B in "Omar D.", der ganz vom Portrait des gleichnamigen Tschetschenen und seinen wenigen Sätzen lebt: "Kriege sind natürlich unerwünscht, aber wir werden nicht gefragt, wenn sie anfangen" (Anouschka Trocker/Adeline Rosenblum/ Andree Korpys; Berlin). Dazwischen gibt es mehr oder minder deutliche politische, kritische Stellungnahmen zum Krieg oder zur Filmwelt und dann wiederum so kleine unscheinbare Sequenzen, wie die aus der Bodenperspektive einer flanierenden Taube, so unspektakulär und alltäglich, dass man sich kaum erinnern wird, wo man sie gesehen hat, zwischen Werbemovies geschaltet, besticht der Beitrag jedoch gerade durch diese Einfachheit und Langsamkeit seiner Einstellung und Unaufgeregtheit der Themenwahl ("pigeons"/Volker Eichelmann/Ruth Mac Lennan; London). Dazwischen immer wieder auch Geschichten aus sehr persönlicher Sicht, wie in Sean Reynards' selbsteruptiven und autoemotionalem Video "Kitchensink Opera" einer wiederkehrenden Schreckenstraum-Alltagssituation, die sich unversehens doch als traumatischer Schreckensalltag herausstellt. Vielen dieser Kleinstfilme ist eines gemein, die gleichsam philosophische Reflexion, ausgelöst durch das Arbeiten und Abarbeiten am Main-'Stream', auf das Fortlaufende, Andauernde des Films bei gleichzeitiger Reflexion auf das Unterbrechende, das dieses Fortlaufen doch irgendwie erst möglich macht. Auch thematisch wird dieser auto-filmreflexive Impetus aufgegriffen, im Darstellen und Arbeiten mit dem Strömen von Zeit, oder Menschenmengen, oder in Form von Bewegung oder als Alltag und Gewohnheit, zu dem der Werbefilm ja selbst als Sehgewohnheit längst zählt, aber auch das Zeitungslesen und damit das Aufnehmen von Nachrichten, wenn es denn ob seiner Gewohnheitsmäßigkeit überhaupt noch ein Aufnehmen ist, wie im Beitrag "Newspaper only" von Carola Dertnig und Ulrike Müller aus Wien. Bei dem Wunsch nach Schaffung einer neuen Form der Öffentlichkeit gibt es grundsätzlich Folgendes zu bedenken, wie Karin Wendt es reflektiert: "Will man Öffentlichkeit ästhetisch erfahrbar machen, muß sie jedoch als Raum möglicher subjektiver Freiheit in deren beiden Dimensionen erscheinen, ohne dass eine Versöhnung beider [der subjektiven und der öffentlichen gemeinschaftlichen] auf Kosten der einen oder anderen erfolgt. Man muß einen Ort finden, der unter ästhetischen Bedingungen weder die Spannung zwischen Individuum und Gesellschaft (dialektisch kritisch) aufhebt, noch den Rezipienten ihrer (ästhetizistisch) enthebt, sondern Öffentlichkeit in kontextueller Uneindeutigkeit erfahrbar macht."[6] Die in weiten Teilen erfolgte Einlösung und Erschaffung eines solchen Raumes kann A-Clip getrost bescheinigt werden. Dafür, dass wir meist mehr zu sehen als zu denken bekommen, leistet A-Clip eine erstaunliche Annäherungsarbeit von Sehen und Denken. Sehen heißt Unterbrechen, und sei es nur für den Wimpernschlag, der unsere Sehsequenzen zu Sequenzen macht, und Denken heißt wohl auch immer noch so etwas wie Innehalten. Der Hauptstadtkulturfond Berlin hat gut daran getan, dieses Projekt zu fördern, und ihm damit wirklich Einlaß in eine breitere Öffentlichkeit zu gewähren. Es sollte wohl weitere A-Clips geben, und zwar nicht nur für's Kino. A-Clip-Kontakt (bei Fragen, Fotofragen der Interviewterminen): A-Clip Presse, Ariane Müller, Tel.: 030/44 91 68 3 oder mail@aclip.net Anmerkungen
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