Umgetrieben von einer ganz ähnlichen Frage wie der des Dichters hat Arnold Schönberg (1874-1951) Rilkes Text vertont, und zwar in seinen zwischen 1913 und 1916 komponierten Vier Lieder für Gesang und Orchester op. 22.[2] Und genau auf dieses Thema kommt Schönberg seit 1928 im Rahmen seiner langjährigen, bis 1935 andauernden Arbeit an der letztlich Fragment gebliebenen Moses und Aron-Oper zurück. [3]
In seinem Opernlibretto erschreibt sich Schönberg die Moses-Gestalt als militanten Mitstreiter für die gestrenge Einhaltung des Bilderverbots. Zum Auftakt des ersten Akts schon ist des Mose Ruf zu vernehmen, der von da an das Stück wie ein Leitmotiv durchzieht: "Einziger, ewiger, allgegenwärtiger, unsichtbarer und unvorstellbarer Gott...!" (1. Akt, 1. Szene[4])
Als Antipode ist Aron komponiert, der didaktisch geschickt in Bildern redet, um die Herzen der Menschen zu erreichen - und dafür von Mose kritisiert wird. Wenn Aron im Angesicht des Goldenen Kalbs seine Leute singend animiert: "Verehrt euch selbst in diesem Sinnbild!" (2. Akt, 3. Szene), dann - so der Vorwurf - führe ein solches religionspädagogisches Unternehmen auf direktem Weg zum Götzendienst.[5]
"...falsch, wie ein Bild nur sein kann!" - ".. und kann und darf nicht gesagt werden!"
"Aron: (...) Du, der du Gottes Wort hast, ob mit oder ohne Tafeln: Ich, dein Mund, bewahre deinen Gedanken, wie immer ich ihn ausspreche. / Moses: Durch Bilder! / Aron: Bilder deines Gedankens: sie sind er, wie alles, was aus ihm hervorgeht. Ich beuge mich der Notwendigkeit; denn dies soll erhalten bleiben, um für den Ewigkeitsgedanken zu zeugen. Meine Bestimmung, es schlechter zu sagen, als ich es verstehe. Wissende jedoch werden ihn immer wiederfinden! / (...) / Moses: Unvorstellbarer Gott! Unaussprechlicher, vieldeutiger Gedanke! Lässt du diese Auslegung zu? Darf Aron, mein Mund, dieses Bild machen? So habe ich mir ein Bild gemacht, falsch, wie ein Bild nur sein kann! So bin ich geschlagen! So war alles Wahnsinn, was ich gedacht habe, und kann und darf nicht gesagt werden! O, Wort, du Wort, das mit fehlt!" (2. Akt, 5. Szene)
Der hier zitierte Dialog der beiden Protagonisten Moses und Aron beschließt den zweiten Akt von Arnold Schönbergs Oper; zugleich endet mit diesem Disput der auskomponierte Teil des Stücks. Der noch folgende dritte Akt existiert nur in Form des unvertonten Librettos.
Auf einer ersten Ebene - so Verena Lenzen - "erklären Widrigkeiten der Lebens- und Zeitgeschichte, warum das Werk Fragment blieb"[6]. Auf einer zweiten Ebene lässt sich im Anschluss an Philippe Lacoue-Labarthe das Unvollendete der Komposition musikgeschichtlich als Reaktion auf Richard Wagner verstehen, mit dessen Werk die Gattung Oper ihre Saturation gefunden hat.[7] Auf einer dritten Ebene schließlich kann/muss die torsohafte Gestalt der Oper theologisch gedeutet werden, spielt doch das alttestamentliche Bilderverbot die zentrale Rolle im Gesamt der Moses und Aron-Komposition. Speziell diesen Pfad wollen die hier vorgelegten Reflexionen erkunden - unter besonderer Berücksichtigung der Wort-Bild-Dialektik wie auch in engem Bezug zur kongenialen Interpretation der Schönberg-Oper durch Theodor W. Adorno (1903-1969), die - 1963 in Berlin vorgetragen - unter dem bezeichnenden Titel Sakrales Fragment[8] veröffentlicht wurde.
In diesem Aufsatz untersucht Adorno Schönbergs Moses und Aron-Oper auf die ihr innewohnenden Antinomien hin. Beginnend mit dem Sujet des Werkes stellt er die These auf, dass der auf der Textebene thematisierte Widerspruch zwischen "Endlichem und Unendlichen" (455) sich als einer erweist, welcher der Oper grundlegend ist.
Adorno geht, was den thematischen Stoff der Oper anbetrifft, von einer klaren Scheidung zwischen der absolut-göttlichen und der endlich-menschlichen Sphäre aus: Das Absolute entzieht sich dem endlichen Wesen. Trotzdem, so macht die Berufung des Moses (1. Akt, 1. Szene) deutlich, muss das Absolute benannt werden, muss ins Wort genommen werden. Insofern aber dieses Benennen nur mit Hilfe endlicher Sprache geschehen kann, also an die Endlichkeit des Benennenden wie an die Endlichkeit der Sprache gebunden bleibt, verrät es schon die Transzendenz des Absoluten. Andererseits aber kann vom Absoluten auch nicht einfach hin geschwiegen werden, würde damit doch der Auftrag zur Verkündigung auf eklatante Weise verfehlt. Vor diesem Hintergrund muss Mose letztlich scheitern. Entsprechend lautet der letzte vertonte(!) Satz der Oper: "O Wort, du Wort, das mir fehlt!" (2. Akt, 5. Szene).
Auf der allgemeineren Ebene des Kunstwerks erkennt Adorno einen Grundwiderspruch zwischen dem Anspruch des Werks auf der einen und dem in ihm realisierten Ergebnis auf der anderen Seite. Seinem Anspruch nach trachtet das Kunstwerk "nach einem Äußersten" (455). Das heißt: Intendiert ist die Ausgestaltung des "Transsubjektive?n?, transzendent Verbindliche?n?" (455). Insofern nun aber diese auf 'Objektivität' zielende Ausgestaltung nicht ohne das Moment der Form auskommt, das heißt: als künstlerische Gestalt immer an die ästhetische Setzung durch das Subjekt gebunden ist, bleibt es der Subjektivität verhaftet. Dieser Widerspruch zwischen transsubjektivem Anspruch und subjektiver Form - zu der Bild und Wort gleichermaßen zählen - hat die "Unmöglichkeit des Werkes" (455) zur Folge.
Auf beiden Ebenen, der theologischen (Adorno sagt: "kultischen" oder "sakralen") wie auch auf der ästhetischen also muss das Anliegen scheitern, dem Transzendent-Transsubjektiven Ausdruck und Gestalt zu verleihen.
Von der (Un-)Möglichkeit des sakralen Kunstwerks
Nun belässt es Adorno allerdings mitnichten dabei, allein das Scheitern Schönbergs zu konstatieren. Vielmehr behauptet er, dass sich gerade in diesem Scheitern "Wahrheit" (455) offenbart, denn die "bedeutenden Kunstwerke sind wohl überhaupt die, welche nach einem Äußersten trachten; die darüber zerschellen und deren Bruchlinien zurückbleiben als Chiffren der unnennbaren obersten Wahrheit." (455) Diese These besitzt Gültigkeit in theologischer und ästhetischer bzw. linguistischer Hinsicht: via negationis 'offenbart' sich die Wahrheit sowohl im sakralen Fragment als auch in dessen musikalisch-sprachlicher Gestalt.
Mit Blick auf das alttestamentliche Bilderverbot, von dem das Libretto wesentlich handelt[9], nennt Adorno dieses zweifache Fragment das "Bild des Bilderlosen" (458[10]). Zur Begründung führt er an, dass nach jüdischer Tradition die Musik zwar als bilderlose Kunst gilt, sie zugleich jedoch über das ihr historisch eigen gewordene expressive Moment "ins Bildwesen aller europäischen Kunst verstrickt" (458) ist. Schönberg wusste um das Problem dieser Antinomie. In seiner Oper Moses und Aron präsentiert er denn auch eine Lösung, die das Ausdrucksmoment zu brechen (nicht: zu unterdrücken!) trachtet, insofern sie die Expression vom Subjekt des Künstlers weg hin auf die personae dramatis verschiebt. Formal geschieht diese Brechung (Adorno spricht auch von 'Aufhebung'; vgl. 459) über das künstlerische Medium der Opernform, die als "ein Drittes" (459) zwischen Komponist und Komposition gesetzt wird. Damit wird die Fiktion erzeugt, mit dem Untergang der handelnden personae dramatis (Mose und Aron) würde auch das Bildelement untergehen. Allerdings - so schränkt Adorno ein - bleibt dieser "Vollzug selber (...) Fiktion". (459)
Adorno bezeichnet Schönbergs Musik als "Ausdrucksmusik" (462) par excellence. Diese Charakterisierung hat ihre Begründung nicht zuerst in der biographisch auszumachenden Nähe des Künstlers zum Expressionismus, sondern in dessen Absicht, ein religiöses Werk zu schaffen. Dies sucht Schönberg auf drei voneinander zu scheidenden Ebenen zu realisieren:
In musikalischer Hinsicht will Schönberg die dem religiösen Werk notwendig zukommende Totalität zu retten, indem er auf jedwede ästhetischen Totalisierungen der Form verzichtet (vgl. 461). Trotzdem, so Adornos Feststellung, wirkt die Oper traditionell, insofern in den Leerstellen der Zwölftonmusik 'latente Tradition' Unterschlupf sucht (vgl. 465). Die hier benannte traditionelle Wirkung liegt vor allem darin begründet, dass für Schönberg in letzter Konsequenz die "musikalische Sprache als Organon von Sinn (...) fraglos" (468) bleibt. Dies betrifft zwar nicht die musikalischen Formkategorien, aber doch - und das ist wichtiger - die umfassendere Kategorie der "Größe" (469), d.h. die "Idee großer Kunst" (469). Somit kann Adorno im Blick auf Schönberg vom Vorrang des Ganzen vor dem Detail sprechen (vgl. 465).
In gesellschaftlicher Hinsicht verweist Adorno auf Schönbergs soziokulturellen Kontext, den er als "Spätphase der individualistischen Gesellschaft" (462) markiert.[11] Diese ist wesentlich bestimmt durch einen grundlegenden Konflikt zwischen dem Subjekt in seinem "bloße?n? Fürsichsein" (462) einerseits und der objektiven Gesamtverfassung der Gesellschaft andererseits. Hinsichtlich des (künstlerischen) Ausdrucks wirkt sich dieser Konflikt wie folgt aus: "Je unbarmherziger die Übermacht der Welt das Subjekt auf sich, sein abgespaltenes Fürsichsein zurückwirft; je mehr es sich bloß setzen muß, desto schmerzlicher der Inhalt, den es ausdrückt; desto mehr wird es sich zum Negativen." (462) Von dieser Einsicht ergibt sich die folgende These Adornos: "Eigentlichen Ausdruck gibt es wahrscheinlich überhaupt bloß als einen von Negativität, von Leiden." (462) Insofern Schönberg diese gesellschaftlich bedingte Negation sieht und mit seiner Musik dieser Negation Ausdruck - und Ausdruck ist wiederum Negation - geben will, erreicht er die Negation der Negation, also letztendlich wieder eine positive Setzung, die nichts anderes ist als der Reflex des Subjekts auf die falsche Realität. Genau diese doppelt negative, d.h. positive Figur bezeichnet Adorno als die "theologische Wendung" (463) Schönbergs.
In theologischer Hinsicht schließlich bemerkt Adorno: "Schönbergs eigenes Ausdrucksbedürfnis, das Vermittlung und Konvention ausschlägt und das Ausgedrückte selbst nennt, hat zum geheimen Modell die Offenbarung als die des Namens." (460)
Nach Adorno gelingt es Schönberg nicht, das dreifach beabsichtigte religiöse (oder: sakrale) Werk zu schaffen. Dies hängt wiederum mit der schon genannten Kategorie der Größe zusammen. Schönberg will (wie auch Richard Wagner) "das Überlebensgroße als Zeugnis des Sakralen" (466) verwirklichen. Während Wagner dieser Absicht mit Hilfe des Mythos nachzukommen trachtet, sucht Schönberg dies über die Theologie zu realisieren. Beide Komponisten entwerfen zu diesem Zweck eine "streng durchgehaltene Identität der Musiksprache im ganzen Werk" (468).
Insofern jedoch die Theologie - oder exakter: insofern der biblische Stoff, der dieser Theologie zugrunde liegt - gerade (und ganz anders als der Mythos!) aus der Kontroverse zwischen der monotheistischen "Idee des Einen" (Mose) und der polytheistischen Vermittlungsanstrengung (Aron) lebt[12], grundsätzlicher noch: insofern das Sakrale notwendigerweise von der Zäsur und vom Bruch lebt, muss das Unterfangen Schönbergs scheitern. Die musikalische Einheit des Werkes widerspricht zutiefst dem avisierten (theologisch-)sakralen Charakter, der per se "antimythologisch" (466), und das heißt immer: antinomistisch angelegt ist. "Moses und der Tanz um das goldene Kalb sprechen eigentlich dieselbe Sprache in der Oper, die darauf hinaus will, daß es nicht dieselbe Sprache sei." (468).
Schönberg hat die hier skizzierte Antinomie in sein Werk gebracht. Seine Oper gibt Zeugnis von der Unmöglichkeit sakraler Kunst heute. Das ist des Komponisten großes Verdienst. Indem Schönberg aber - so der Vorwurf Adornos - die "großen Gehalte" (470) in seiner Oper unmittelbar thematisch gemacht hat, hat er nichts anderes getan, als ein (Nach-)Bild des Sakralen zu entwerfen. Damit hat er in eklatanter Weise gegen das jüdische Bilderverbot verstoßen (vgl. 470).
Allerdings gibt sich Adorno mit dem erreichten Untersuchungsergebnis nicht zufrieden. Vielmehr fragt er weiter, nämlich nach der "Rettung des Werkes" (470[13]). Unter diesem Titel sucht er die "Möglichkeit des Unmöglichen" (470) auszuloten. Er tut dies vor allem im Blick auf das von Schönberg angewandte musikalisch-kompositorische Verfahren.
Auszugehen ist noch einmal von der Kategorie der Größe, nun aber hinsichtlich der Musik. Adorno spricht in diesem Zusammenhang von der "Großheit des Tons" (470), welche die Oper auszeichnet. Diese "Großheit" ergibt sich nach Adorno aus dem innerkompositorischen Verfahren selbst, das eine musikalische Komplexität erzeugt, die aufgrund ihrem künstlerisch vollendeten Aufbau zwar hörbar, aber nicht zu einem Medium wird, "in dem das Unsagbare erscheinen soll ohne Usurpation." (471) Dem musikalischen Reichtum entspricht in äquivalenter Relation der formale Reichtum des Werks.[14] Adorno hebt hierbei in besonderer Weise ab auf den Wechsel zwischen quasi-rezitativischen (das Ausdrucks-/Expressionsmoment betreffend) und geschlosseneren Komplexen (das konstruktive Moment betreffend), durch den die Spannung zwischen Expression und Konstruktion musikalisch formbildend wird. Durch diese wechselvolle Spannung "wird (...), was in keine blanke Einheit aufzuheben ist, bewältigt, indem es selbst zum Prinzip des Verlaufs erhoben wird." (472) So kommt Adorno zu dem Ergebnis, dass "Moses und Aron (...) seine Einheit am strikt durchgeführten Dualismus" (472) hat.
Insofern diese dualistisch ausgeführte Einheit nicht nur intellektuell gesetzt ist, sondern sich ganz wesentlich der Imagination verdankt, stellt sie nicht nur einen Reflex des Subjektiven dar, sondern begründet sich aus der "Sache" (475), d.h. aus dem Transsubjektiven selbst. Hinter dieser These steht die Überzeugung Adornos, dass in der "Imagination (...) das Sinnliche unmittelbar vergeistigt ?wird?, ohne an Konstruktion etwas einzubüßen." (475) Denn was "vollkommen in der Vorstellung sich verwirklicht, ist dadurch objektiv zu Einem geworden" (475).
An dieser Stelle (und zugleich am Ende seiner Untersuchung) kann Adorno denn zumindest die "Möglichkeit" (475) des sakralen Kunstwerks feststellen.
"Der Fromme hat kein Bild"[15] - ... und auch kein Wort?
Wie wird es möglich, so lautet nun die der vorliegenden Untersuchung zugehörige Frage Adornos in der Negativen Dialektik, "das vom Gedanken Verschiedene zu denken, das allein ihn zum Gedanken macht"[16]? Zu suchen ist also nach dem bilderlosen (Nicht-)Bild bzw. nach dem sprachlosen (Nicht-)Wort, die - um nochmals auf Adorno zurückzugreifen - ihrem Anderen gegenüber nicht mehr dominant sind, weil sie Anderes immer in sich selbst schon sind[17]; kurz: nach Bild und Wort, die das Moment der Bestreitung konstitutiv in sich tragen.[18]
Anzusetzen ist bei der Unterscheidung zwischen einem schwachen und einem starken Ästhetikbegriff, wie sie Eckhard Nordhofen in die Diskussion eingeführt hat.[19] Während die schwache Form nach Maßgabe ihrer kommerziellen Verwertbarkeit systematisch auf eine Ästhetisierung der Lebenswelt abhebt, muss ihre starke Form als eine "Ästhetik der Bestreitung"[20] bestimmt werden. Letztere entwickelt Nordhofen, was ihre theoretische Gestalt angeht, aus dem Datum der im Modus menschlicher Sprache daherkommenden göttlichen Selbstoffenbarung, so wie sie in Ex 3,14 überliefert ist: "Ich bin der Ich-bin!" Im nächsten Vers des Kapitels jedoch - so zumindest hat es den Anschein - wird die vorgängig eröffnete Namenlosigkeit durch die Nennung des Begriffs "Jahwe"[21], "als wäre das ein Name"[22], wieder zurückgenommen. Die jüdische Sprachpragmatik hat dieses Zwiespalts eingedenk eine Form der 'Benennung' entwickelt, die das Tetragramm JHWH im Sinne eines Platzhalters an die Stelle des Nicht-Namens setzt, gerade um die göttliche Andersheit zu retten.
Christian Duquoc bemerkt dazu: "Jede Vergegenwärtigung wird ausgeschlossen, jedes Bild abgelehnt. Dieser Name - dem Mose als Symbol der Sammlung des Volkes mit Blick auf eine Zukunft kundgetan - schließt jede Möglichkeit aus, Gott in Raum, Zeit oder Erfahrung einzuschließen, ihn sich vorzustellen oder ihn in irgendeiner Form zu repräsentieren. Jede Repräsentation wäre ein [nach Maßgabe des Bilderverbots unzulässiges; U.E.] Idol, eine Besitzergreifung dessen, der sich jeder Definition entzieht."[23] Um der Alterität willen wird also - hier auf die Sprachebene bezogen - der Name negiert, und zwar gerade in der Nennung seines Platzhalters.
Dieses Moment der Bestreitung ist nun auf die Bildebene zu übertragen. Dabei zielt die Negation der Bilder, so wie sie (als deuteronomisch/deuteronomistischer Reflex auf die exilisch-nachexilische Zeit[24]) zu Beginn des Dekalogs tradiert wird[25], auf die Sicherung der göttlichen Alterität. Verhindert werden soll damit die Verwechselung JHWHs mit den fremden Göttern der umliegenden, polytheistisch ausgerichteten Religionen.[26] Exakt darum ist es dem alttestamentlichen Bilderverbot zu tun: um das Fremdgötterverbot. Das macht schon der Zusammenhang deutlich, in dem das Verbot steht:
"Dann sprach Gott (...): Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott (...)."[27]
Um theologische Götzenkritik also ist es dem biblischen Bilderverbot zu aller erst zu tun - und nicht um Ästhetik, Kunst oder Ornament! Was umgekehrt heißt: "Von seiner Funktion her könnte man das Bilderverbot 'Wächter der Theologie' nennen."[28] Denn das biblische Verbot wacht darüber, dass wir nicht ein Gottesbild an die Stelle Gottes setzen. Mit den Worten Adornos: "Was ans Bild sich klammert, bleibt mythisch gefangen, Götzendienst."[29]
Auf beiden Ebenen, der sprachlichen wie der bildlichen, geht es also um die Wahrung der göttlichen Andersheit. Unter Berücksichtigung des oben zum Tetragramm Gesagten kann dann allerdings der alttestamentliche 'Ikonoklasmus' nicht bloß negativ 'ausgedrückt' werden, ist doch das Bilderverbot eben nicht ergangen im Namen und zur Behauptung eines "konsequenten Atheismus"[30] oder mit dem Ziel, das Phänomen der Religion ganz zu erledigen. Vielmehr muss das "jüdische Bilderverbot"[31], soll seine ursprüngliche Intention wirklich ernstgenommen und gewahrt werden, gerade ins Bild hineingenommen werden. Das Bemühen um Rettung der wirkmächtigen, sprich: befreienden Andersheit JHWHs, so wie sie Israel geoffenbart wurde, hat ihren Ort exakt an der Scheide zwischen Bild (Affirmation) und Bildlosigkeit (Bestreitung): "Zwischen Idolatrie und Ikonoklasmus definiert sich das Rätsel."[32]
In der Explikation auf Schönbergs Oper ist somit festzuhalten: Als sakrales definiert sich das Kunstwerk im offenen Raum zwischen seiner formalen Möglichkeit einerseits und seiner inhaltlichen Unmöglichkeit andererseits. Dieses 'Zwischen' markiert aber keineswegs einen festen Ort, sondern ist nur dynamisch-prozessual als 'Durchführung' zu verstehen - und zwar im strengen Sinne der These Adornos, nach der gerettet wird das Recht des Bildes - und zu ergänzen wäre hier: das Recht des Wortes in der treuen Durchführung seines Verbots.[33]