Virtuelle Räume IVVirtuelle PrachtentfaltungAndreas Mertin |
||||
Die Liste dieser Weltwunder ist im Laufe der Geschichte immer variiert und ergänzt worden, es gab Listen weiterer herausragender Bauten (nicht zuletzt deshalb, weil die erste Liste auf den Lebens- und Erzählraum der jeweiligen Geschichtsschreiber begrenzt war, die von vielen anderen herausragenden Bauten auf der Erde nichts wissen konnten.) Des Weiteren gibt es Bauten der Moderne, die als Weltwunder beschrieben werden (wobei man sich schon fragen kann, ob etwa die In der Gegenwart hat die von der UNESCO geführte Liste zum so genannten Parallel dazu gibt es die Zu den in einem mehrfachen Sinne virtuellen Räumen gehören auch einige religiöse, in Deutschland lange Zeit vor allem solche, die vor oder im Krieg zerstört wurden, und als Erinnerungsräume im Gedächtnis der Menschen fortlebten. Dazu gehörten insbesondere die Synagogen in Deutschland, die als eine der ersten religiösen Raumformen im Netz rekonstruiert wurden.
Wer dann zunächst auf Geschichte klickt, bekommt in etwas pathetischer Tonlage die Geschichte der Dresdner Kirche und ihrer Vorgängerin vorgestellt. Es ist eine Botschaft der Political Correctness, die da erklingt; sie begründet und zelebriert aber eher einen nationalen Mythos, als die von Theologen beschworene "Predigt der Steine". Das hat seinen Grund vermutlich darin, dass die Frauenkirche schon seit ihren Anfängen eher ein politischer als ein religiöser Akt war und es bis heute konsequent geblieben ist (selbst in der Zeit des politischen Widerstandes gegen das DDR-Regime). So wenig wie der Berliner Dom kann die Frauenkirche als Paradebau des Protestantismus dienen - es sei denn in der Illustration von dessen unseliger Verquickung von Thron und Altar. Klickt der Besucher auf "Die Menschen" erscheint ein simuliertes 360°-Panorama des Inneren der Kirche mit zahlreichen weißen Silhouetten, welche Menschen darstellen, die mit der Kirche und dem Wiederaufbau verbunden sind. Das ist eine interessante Idee, zumal die dann aufzurufenden Informationen der einzelnen Personen wirklich erkenntnisreich und vor allem menschlich sind. Aber es bleibt insofern konturlos, als der Zusammenhang von sichtbarer und unsichtbarer Kirche damit gerade nicht deutlich wird. Wer schließlich auf "Die Kirche" klickt, kann sich die Kirche im QTVR-Fullscreen-Modus ansehen - von außen und von innen. Zahlreiche Standpunkte ermöglichen die nahezu lückenlose virtuelle Begehung des Bauwerks. Das beginnt mit dem Fundament der Kirche und endet mit dem Rundblick von der Kirchenspitze. Die Kirche ist sehr gut erschlossen - so gut wie kein Blickwinkel bleibt außen vor. Überraschend oft im Vergleich zu anderen virtuellen Repräsentanzen wird ungefragt ein Kommentar unterlegt, so als ob man der Eindrücklichkeit der Bilder nicht trauen würde. Die Unterkirche etwa, die ja de facto als Raum der Stille konzipiert wurde, wird so mit Musik und Ton aus zwei unterschiedlichen Quellen gefüllt. Alles in allem bleiben aber mehr Fragen als Antworten. Ob der Zimmermann aus Galiläa sich das unter einer Geste der Versöhnung hätte vorstellen können? Wozu dient der Aufbau einer Kirche, die a priori keine örtliche Gemeinde, sondern Baedecker-Christen, Kulturprotestanten und nationale Pilger als Zielgruppe hat? Welche Predigt halten diese Steine? Auf diese Fragen kann eine virtuelle Begehung keine Antwort geben. Das muss dann die reale Geschichte der Rezeption des Wiederaufbaus geben. Die Berliner Gedächtniskirche hat über Jahrzehnte den Weg der Verbindung von Ruine und Moderne gewählt und sie ist m.E. dabei nicht schlecht gefahren, insofern der berühmte Eiermann-Bau immerhin auch eine moderne religiöse Raumlösung darstellt und einer Historisierung des Christentums lebendig widerspricht. Leider habe ich von dieser Kirche keine veritable virtuelle Darstellung gefunden. Was die Verbindung von räumlicher Erschließung und religiösem Verständnis angeht, scheint mir der Ansatz des Die Reihe zu den virtuellen Räumen wird in Heft 40 des Magazins für Theologie und Ästhetik fortgesetzt und abgeschlossen. Die bisherigen Beiträge finden Sie in
|