Fisch, Brot und Wein

Eine visuelle Reise zum Thema Abendmahl

Andreas Mertin

Als ich vor zwei Monaten mit Wolfgang Vögele telefonierte, was denn mein Beitrag zum geplanten Themenheft „Abendmahl“ sein könnte, sagte er, schreib doch etwas zum Abendmahl in der Kunst. Das klang plausibel. Die schnelle Nutzung der magazininternen Suche zeigte freilich, dass die visuelle Reise zu den diversen Abendmahlsbildern der Kunstgeschichte sich schon über fast die gesamte Erscheinungszeit des Magazins für Kunst, Kultur, Theologe und Ästhetik erstreckt. Mir wurde klar, dass es gar nicht so einfach sein würde, Bilder zum Thema zu präsentieren, die nicht schon in dem einen oder anderen Kontext erkundet waren. Sollte ich diese Bilder deshalb auslassen? Das schien mir keinen Sinn zu ergeben. Als, auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, hier nun die Ergebnisse meiner Reise durch die Geschichte der visuellen Aneignung des Abendmahls.


In dem nun auch schon 10 Jahre alten Buch von Andrea Bieler und Luise Schottroff „Das Abendmahl. Essen, um zu leben“[1] gibt es einen Abschnitt mit dem Titel „Imagination: Kommt, sehet und schmecket“. Aber obwohl das dabei verwendete Wort „Imagination“ die Bilder ja voraussetzt, fehlen konkrete Visualisierungen des Abendmahles aus der Geschichte des Christentums vollständig (wenn man einmal von dem Bild auf dem Buchcover von Margaret Ackland aus dem Jahr 1993 absieht). Zwar hatte man sich im Vorfeld von Doug Adams, Professor für Religion und Kunst an der Pacific School of Religion, über Darstellungen des Heiligen Essens in der Kunstgeschichte informieren lassen. Aber ich kann nicht erkennen, dass dies dann in die theologische Urteilsbildung eingeflossen ist.

Noch immer behandeln viele Theologen die Bildende Kunst im Wesentlichen nur als Illustration theologischer Erkenntnisse, nicht als eigenständige Theoriebildung (und diese Tendenz scheint sich in letzter Zeit sogar zu verstärken). Die Mehrzahl der Theologen bleibt so einer Methodik verbunden, die hinter der Erscheinungsform des Kunstwerks bestimmte Verweise entdecken will: Der Theologe sucht nach religiös relevantem Gehalt in jedem Bild, und zwar auf jene Weise, in der er durch die Deutung heilsgeschichtlicher Darstellungen geschult ist: Die Bilder werden einer ihnen vorgängigen außerbildlichen Realität untergeordnet, der sie im Schema symbolischer Repräsentation zu gehorchen haben.[2] Egal was die Künstler auf ihren Bildern dargestellt haben, es wird vor allem im Blick auf die Kongruenz mit den biblischen Texten beurteilt. Dagegen wäre dann aber doch mit der kunstgeschichtlichen Hermeneutik zu fragen:

„Wovon sprechen wir, wenn wir von der 'Aussage' eines Bildes sprechen? Wissen wir, was wir sagen, oder tappen wir in die Fallen unserer eigenen Metaphorik, in der wir 'lesen' statt 'sehen' brauchen, von der Sprache des Bildes oder der Sprache seiner Farben reden, vom Text des Bildes, von unserer Lektüre? Gehört nicht auch die Berufung auf Analogien zwischen literarischen Werken und Werken der bildenden Kunst zu diesem metaphorischen Gespinst? ... Solange wir der Metaphorik von Sehen als Lesen, von Bildern als Texten nachhängen, haben wir diese Aufgabe noch nicht geleistet. Wenn wir von 'lesen' und 'Text' sprechen, haben wir die Unterordnung des Bildes unter die Sprache anerkannt und versuchen, sie mit Metaphern zu korrigieren ... Das Wahrnehmen unseres eigenen Gefangenseins inmitten von Wörtern scheint mir die Voraussetzung für die Veränderung unseres eingeübten Verhaltens zu sein und damit die Voraussetzung dafür, dass wir die vom Bild selbst geleistete Befreiung von der Sprache überhaupt 'sehen' können und zum Gegenstand einer Untersuchung machen können ... Sicher ist die Relation von Sprache und Bild nicht eine historische Konstante. Es scheint mir aber wichtig, die Relationen mit einem Ansatz zu untersuchen, der nicht einfach den gegebenen Primat der Sprache und der Texte wiederholt und die dichte Decke von Sprache über den Bildern noch verstärkt“.[3]

Zumindest bedenken sollte man, wenn man sich mit – auch historischen – Werken der Kunst beschäftigt, dass es noch eine andere Ebene als die der Illustration vorgegebener Texte geben könnte.[4] Und auch wenn im Folgenden ein inhaltliches Moment – eben das Abendmahl in der Kunst – im Zentrum des Interesses steht, darf dies nicht dazu führen, vorrangig nach der Übereinstimmung mit den biblischen Texten zu fragen, sondern nach den durch die Bilder eröffneten Differenzen.

Bemerkenswert ist immerhin, dass vor 1250 Jahren bei den Diskussionen um die Legitimation der Bilder im Christentum das Abendmahl bzw. die Eucharistie als Argumente gegen den Einsatz der Bilder eine wichtige Rolle spielte. Es war der ikonoklastische Kaiser Konstantin V., der breitenwirksam auf das eucharistische Argument in der Bilderfrage aufmerksam machte: Die eigentliche Darstellung, das korrekte Bild Christi sei die Eucharistie.[5] Dieses Argument hat sich in der Geschichte des Christentums nicht durchgesetzt (erst Calvin sollte sich in der Institutio wiederholt auf einige der ikonoklastischen Argumente aus dem byzantinischen Bilderstreit beziehen)[6]. Gerade weil man Konstantin V. nicht gefolgt ist, muss sich eigentlich jedes Bild im Christentum vor dem Abendmahl als Moment der legitimen Vergegenwärtigung Christi (gleich, ob nun memorativ oder realpräsentisch gedeutet) verantworten. Und Abendmahlsbilder müssten deutlich machen, inwiefern sie mehr oder etwas anderes sind, als das gefeierte Abendmahl selbst.

Zumindest kulturgeschichtlich könnten darüber hinaus gerade die frühen Abendmahl-Bilder aus der Zeit der Katakomben (bzw. die Bilder auf dem Weg zum expliziten Abendmahlsbild der späteren Zeiten) Einsichten in die Praxis Pietatis der damaligen Christen vermitteln. Haben sie von Anfang an das Abendmahl so gefeiert, wie wir es kennen oder ergibt sich aus den Artefakten ein ganz anderes Bild?

Meine Reise durch die Welt der Bilder zum Thema Abendmahl startet daher in den römischen Katakomben des frühen dritten Jahrhunderts nach Christus und begleitet den Aufstieg des Christentums an die Schaltzentralen der Macht, ein Weg, der auch Konsequenzen für die Darstellung des Abendmahls hat. Der Weg führt über die Mosaiken in Ravenna zu den illuminierten Handschriften aus bischöflichem Besitz. Es folgt die große Zeit der Abendmahlsdarstellungen, zunächst von Giotto bis Leonardo, dann von Riemenschneider bis Tintoretto. Danach werden die Bildfunde spärlicher, aber auch nach dem Aufbruch zur Moderne bleibt das Sujet für die Künstler interessant, geht aber in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts vermehrt in die Werbung und die Populärkultur über.

Die Reisestationen
  1. Von den Katakomben zur Buchkunst - Die ersten 1200 Jahre
  2. Von Giotto bis Leonardo - 1300-1500
  3. Von Riemenschneider bis Tintoretto - 1500-1600
  4. Von Rubens bis Goya - 1600-1800
  5. Aufbruch zur Moderne - Die letzten 200 Jahre
Anmerkungen

[1]    Bieler, Andrea; Schottroff, Luise (2007): Das Abendmahl. Essen, um zu leben. Gütersloh.

[2]    Hoeps, Reinhard (1987): Bild und Ikonoklasmus. Zur theologisch-kunsttheoretischen Bedeutung des Bilderverbotes. In: Sternberg, Thomas; Dohmen, Christoph (Hg.): … kein Bildnis machen. Kunst und Theologie im Gespräch. Würzburg: Echter, S. 185–203, hier S. 185f.

[3]    Bätschmann, Oskar (1984): Einführung in die kunstgeschichtliche Hermeneutik. Die Auslegung von Bildern. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Die Kunstwissenschaft).S. 54ff.

[4]    Vgl. auch Boehm, Gottfried (1978): Zu einer Hermeneutik des Bildes. In: Gadamer, Hans-Georg; Boehm, Gottfried (Hg.): Seminar: Die Hermeneutik und die Wissenschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 238), S. 444–471.

[5]    Rochow, Ilse (1994): Kaiser Konstantin V. (741 - 775) ; Materialien zu seinem Leben und Nachleben. Frankfurt am Main, Berlin: Lang (Berliner byzantinistische Studien, 1). S. 47f.: „   Die Schriften bzw. Reden Konstantins dienten dem Zweck, nachzuweisen, daß Christus nicht im Bild dargestellt werden könne, da er aus einer göttlichen und einer menschlichen Natur bestehe, von denen nur eine, nämlich die menschliche, abgebildet werden könne; die göttliche Natur sei dagegen nicht umschreibbar, d. h. nicht darstellbar. Wenn man ein Christusbild anfertige, lasse man die göttliche Natur Christi unberücksichtigt. Und das wäre natürlich, was Konstantin in den erhaltenen Fragmenten allerdings nicht ausdrücklich erwähnt, ein Verstoß gegen den christlichen Glauben. Die eigentliche Darstellung Christi sei die Eucharistie. Es zeigt sich also bei ihm ein echtes Bemühen, das Verbot der Bilderverehrung theologisch zu untermauern ... Die Eucharistielehre Konstantins und der Synode von 754 beruhen ebenfalls auf vorangegangener patristischer exegetischer Überlieferung. Die Grundlagen seiner "Thesen gingen letztlich auf neuplatonisches Gedankengut zurück.“

[6]    Payton, James R. (1997): Calvin and the Libri Carolini. In: Sixteenth Century Journal, Jg. 28, H. 2.

Artikelnachweis: https://www.theomag.de/109/am604.htm
© Andreas Mertin, 2017