Während allenthalben in der Kirche und der Gesellschaft die Räder zurückgedreht werden(1), bemühen sich nun auch Theologen auf dem Gebiet der bildenden Künste ihren Part dazu beizusteuern. War es vor einigen Jahren noch selbstverständlich, daß kirchliche Gremien wenigstens per Lippenbekenntnis die Autonomie der Kunst zu wahren trachteten(2), so mehren sich nun die Zeichen, daß die entscheidenden kirchlichen Stellen zum Modell der Auftraggeberschaft zurückkehren wollen. Selten habe ich so oft wie im vergangenen Jahr die Forderung nach der Wiederbelebung christlicher Ikonografie gehört. Zur Selbstrepräsentation des Protestantismus auf der Expo 2000, so beispielsweise Horst Hirschler, gehöre auch der (per Auftrag realisierte) Nachweis der Aktualität Jesu Christi in der Gegenwartskunst, zu den Leitzielen kirchlicher Kulturförderung inzwischen auch wieder die "Heranführung junger Künstlerinnen und Künstler an christliche Themen". Von jenen kirchlichen Gremien ganz zu schweigen, die per Massenauftrag und gegen Honorar religiöse Bilder malen lassen wollen. Unbekümmert um alle modernen Differenzierungsbewegungen wird ganz bewußt an vormoderne Strukturen angeknüpft. Wie steht es in dieser Situation um diejenigen Theologen, die sich aus Profession mit der Kultur und den bildenden Künsten beschäftigen? Das Thema Kunst und Kirche, Theologie und Ästhetik hat ja das Christentum seit seinen Anfängen immer wieder in unterschiedlichen Intensitäten beschäftigt, auch im 20. Jahrhundert. Und an dieser Debatte haben sich nicht nur Theologen beteiligt, auch aus anderen Diskursen sind wertvolle Beiträge beigesteuert worden. Denken wir etwa an Georg Simmels Aufsatz "Das Christentum und die Kunst"(3), an Werner Hofmanns Ausstellung "Luther und die Folgen für die Kunst"(4) oder auch an Hans Beltings umfassende Studie zum Kultbild.(5) Auch die Theologen haben sich verstärkt seit dem 2. Weltkrieg mit Reflexionen zum Verhältnis von Kunst und Kirche und seit Ende der 80er Jahre auch mit dem Verhältnis von Theologie und Ästhetik beschäftigt. Erinnert sei nur an einige protestantische 'Schrittmacher' wie Hans-Eckehard Bahr,(6) Rainer Volp,(7) Horst Schwebel(8) im Bereich von Kunst und Kirche oder in jüngster Zeit Albrecht Grözinger(9), Andreas Mertin(10) und Thomas Erne(11) auf dem Feld von Theologie und Ästhetik. Zu denken wäre aber auch an die interessanten Ansätze aus dem amerikanischen Bereich.(12) (M.C. Taylor: Disfiguring) Das Erscheinen einiger Bücher zum Thema Kunst und Religion bzw. Theologie und Ästhetik in den letzten Jahren gibt Anlaß, der Frage nachzugehen, ob das veränderte innerkirchliche Klima auch schon Rückwirkungen auf die Theoriebildung hat. Um es vorweg zu sagen: so schlimm wie in der kirchlichen Praxis ist es (noch) nicht, das Ergebnis ist aber auch nicht ermutigend. Zur Zeit erschöpft sich die akademische Debatte in zirkulären Zitationen und alten Grabenkämpfen, während neue Gesichtspunkte kaum zu entdecken sind.
Anmerkungen
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